Denkmaltopographie Frankfurt (Oder), Bd. 3, 2002, S. 329 f.

Das 1909-11 nach Plänen von Stadtbaurat Carl Schwatlo durch den
Architekten Barth erbaute große Schulgebäude steht südlich der Rosa-
Luxemburg-Straße auf dem Höhenzug des Oderhanges am höchsten Punkt
des inneren Stadtgebiets.
Der Komplex besteht aus dem dreigeschossigen Eingangsbau an der
Wieckestraße, dem parallel zur Rosa-Luxemburg-Straße ausgerichteten
viergeschossigen Klassentrakt und einer die Gebäudegruppe im Osten
abschließenden Turnhalle. Der Sockel aller Gebäudeteile mit Bruchstein
verblendet, die Fassadenflächen mit weiß gefasstem, nach altem Vorbild
erneuerten Kellenkammputz gestaltet, die Rahmungen der zumeist
segmentbogig geschlossenen Fenster und die übrigen architektonischen
Glieder aus Sandstein in Neorenaissanceformen. Prägende
Gestaltungselemente sind geschweifte Schaugiebel und Türmchenaufsätze
sowie mit Mönch und Nonne gedeckte hohe Satteldächer, hier auch schmale
Schleppgauben. Am nordwestlich vorgezogenen Teil der zur Wieckestraße
ausgerichtete Haupteingang in einem von Eckpilastern gerahmten Vorbau
mit aufliegendem Balkon (dessen Brüstung Eckobelisken betonten).
Hauptportal mit Tondi, nicht mehr erkennbare Bildnisse. Das obere
Geschoss der West- und Nordfassade durch die beiden großen Aulafenster
mit schlichtem Maß- und Stabwerk besonders akzentuiert. Darüber je ein
Schmuckrelief des Berliner Bildhauers Richard Kühn, eingangsseitig der
Frankfurter Hahn als Mittelmotiv. Der Klassenraumtrakt durch die
regelmäßigen großen Dreifenstergruppen kenntlich. Auch die Turnhalle an
ihren Giebelseiten durch große rundbogige Fenster mit Stabwerk
geschmückt. Hinter dem Hauptportal der hohe Eingangsraum mit
repräsentativer Treppe zum Erdgeschoss. Vom Eingangsraum aus erreicht
man den über vier dunkelgrauen polierten Granitsäulen kreuzgratgewölbten
Verteilerraum, an den das Treppenhaus grenzt. Die durch alle Geschosse
reichende zweiläufige massive Treppe mit einem Holzgeländer, dessen
Geländerstäbe und Reliefs den Einfluss des Jugendstils zeigen. Die Treppe
führt auch zum Schulhof hinunter. Der Klassentrakt als zweihüftige Anlage
ausgebildet. Im auch außen architektonisch besonders ausgezeichneten Teil
des Westtraktes lagen die Sonderräume, im Erdgeschoss Lehrerbibliothek
und naturwissenschaftlicher Saal, darüber im ersten Geschoss der
Zeichensaal und über diesen die große Aula. Dieser zweigeschossige,
gewölbte, im Scheitel 11 Meter hohe Raum war in seinen Abmessungen und
der architektonischen Ausgestaltung nicht nur zu Schulzwecken, sondern
auch als städtischer Veranstaltungssaal gedacht. Seine Ausstattung ist
teilweise verloren, so auch die dritte Fassung des Monumentalgemäldes
»Kaiserproklamation« Anton v. Werners an einer der Längswände. Die
Turnhalle weist mit über 300 Quadratmeter Fläche und fast 12 Meter Höhe
ebenfalls monumentale Abmessungen auf. Emporen und Wandfassung
verloren.
Das ehem. Realgymnasium ist ein für Brandenburg qualitätvoller und
charakteristischer Schulpalast des frühen 20. Jh. in Stilformen der deutschen
Renaissance. In dieser findet wohl auch der angestrebte Rang eines
humanistischen Gymnasiums seinen Ausdruck. Mit seiner reichen
künstlerischen Gestaltung ist es ein Zeugnis der Selbstdarstellung der Stadt.
Aber nicht nur in dieser Hinsicht und der zweckmäßigen Raumanordnung
war der Bau zeitgenössisch viel beachtet, er stand auch technisch auf der
Höhe seiner Zeit. So hatte das Gebäude Warmwasserheizung, die Decken
sind aus Brandschutzgründen massiv ausgeführt und besitzen aus
Schallschutzgründen eine Schlackenschüttung. Die Holzbinderkonstruktion
des Dachwerks im »System Hetzer,Weimar«, Dachwerk der Aula mit
eisernen Bindern. In Lage und Baukörpergliederung, in der die Schule bis
zum Bau der Hochhäuser des Stadtteils »Halbe Stadt« in den 1970er Jahren
als »Stadtkrone« die Stadtsilhouette bestimmte, zeigt sich die besondere
Aufmerksamkeit, welche die städtische Verwaltung dem Schulbau
entgegenbrachte.
Quellen: Wieckestraße 9 (1912). – StAFF: XV (3) 233-235, Neubau des
Realgymnasiums (1905-1912); XV (3) 236, Bildhauerarbeiten zum Neubau
des Realgymnasiums (1909-1910); XV (3) 237, Ausrüstung der Schule
(1910-1918). GStA-PK: I. HA, Rep. 76 III, IV Sekt. 16, D 11, Die Bausachen
des Realgymnasiums zu Frankfurt (1907-1911). – Klemm, Bernhard,
Farbrestauratorische Befunderhebung des Turnhalleninneren, 1994. –
Derselbe, Farbrestauratorische Befunderhebung Türen, Fenster, Gitter, 1996
(beides UDB).
Literatur: Denkmale und Denkmalpflege, S. 56. - Bau- und Kunstdenkmale
1980, S. 207. – Architekturführer 1987, Nr. 40, S. 35. – Dehio 2000, S. 315. –
Schulen 2001, S. 9. – Buchinger 2001, S. 33.