Denkmaltopographie Ostprignitz-Ruppin, Bd. 13.2, 2003, S. 187 f.

Die gesüdete Kirche steht in der Ortsmitte des Angerdorfs, umgeben von
einer gegenüber dem Straßenraum leicht erhöht liegenden Grünfläche. Für
Betzin wird erstmals 1389 eine Mutterkirche erwähnt, 1459 Sedes Nauen.
Von 1743 bis 1930 Superintendentur Fehrbellin, seitdem Nauen. Seit 1622
ist Betzin Tochterkirche von Karwesee. 1389 besaß das Domstift
Brandenburg das Patronatsrecht, seit 1571 bzw. 1589 der Landesherr bzw.
Fiskus. Baugeschichte Die Betziner Dorfkirche ersetzt einen geosteten
Vorgängerbau aus Fachwerk mit verbrettertem Westturm, der nach einem
Brand seines Vorgängers 1695 entstanden war. Anfang des 19. Jh. wieder
baufällig, erfolgten 1842 ein Ausbau und Turmneubau nach den von
Zimmermeister Thür aus Fehrbellin 1834 vorgelegten Entwürfen (a). Auf
Grund des weiterhin schlechten Bauzustands bemühte sich die Gemeinde
seit 1882 um einen Kirchenneubau. Erste Entwürfe datieren aus dem Jahr
1884; der Abbruch des bestehenden Baus erfolgte im Juni 1886 (a). Der
ausgeführte Sichtziegelbau nach Entwürfen des Kreisbauinspektors H.
Lancizolle 1886 begonnen, Einweihung am 14.11.1887. Bauleitung durch
Regierungs-Bauführer Max Fraenkel (a). Ziegel der Hintermauerung aus der
Ziegelei Maaß & Schmidt in Ketzin und der Linumer Ziegelei Wilhelm Blume;
äußere Verblendziegel von der Ziegelei Bochat aus Rathenow. Ausmalung
durch Malermeister Goldschmidt aus Friesack. Nach Blitzschlag 1903
erfolgte 1904 die Instandsetzung von Turm und Sakristei. 1966 Einbau einer
Winterkirche unter der Nordempore durch Tischlermeister Kosche aus
Fehrbellin; die danach überzähligen zehn Kirchenbänke an das Kloster
Zinna veräußert (a). Turmdeckung mit Schiefer ca. 1960. Baupolizeiliche
Sperrung der Kirche von 1975 bis zur Renovierung 1977. Im selben Jahr (m)
Entfernung der 1887 von C. E. Gesell gebauten Orgel (a). 2002
Neueindeckung des Dachs (m).
Neoromanische Saalkirche mit eingezogenem Chor im Süden und hoch
aufragendem, eingezogenem Nordturm. Die Längswände durch Lisenen in
drei Kompartimente gegliedert, jeweils mit Okulus und darüber liegendem
hohem, abgetrepptem Rundbogenfenster. Traufgesims hervorgehoben
durch doppeltes Deutsches Band. Turm mit rundbogigen Schallluken und
abschließendem Schiefer-Walmdach, darauf ein schlanker Dachreiter. In
den Zwickeln zwischen Schiff und Turm diesen flankierende, niedrige
Türmchen über Viertelkreis. Im Inneren schlichter Saal, darüber das offen
liegende Dachtragewerk mit Hängesäulen. Chor mit Kreuzgratgewölbe. Die
ursprünglichen Glasfenster mit einfacher farbiger Rahmung nur im Chor und
an der Ostseite erhalten; hergestellt vom Verdener Glasermeister Johann
Lübeck (a). Farbige Wandfassung mit Schablonenmalerei. Bauzeitlich
erhalten außerdem der Bodenbelag mit quadratischen, beigen und
schwarzen Tonfliesen und der schlichte aus Ziegeln gemauerte Altartisch.
Ausstattung
Taufe. Um 1887. Oktogonaler Fuß und oktogonales Becken mit
neogotischem Dekor. Aus gebranntem Ton von March in Charlottenburg.
Kanzel. 1887. Eichenholz. Auf hohem Fuß oktogonaler Kanzelkorb mit
Schnitzereien. Gemeindegestühl. 1887. Schlichtes Holzgestühl in zwei
Blöcken von Zimmermeister Strehlow aus Neuruppin (a).
Deckenleuchter. 1909 (i). Messing. Neobarock mit Blattwerk, gestiftet von
Pfarrer Albrecht und seiner Frau (i).
Wandleuchter. Um 1887. Messing, zweiarmig in neobarocken Formen.
Gedenktafel für Gefallene in den Befreiungskriegen 1813-15. Gusseisen.
Südwand rechts vom Chor; schlichte Tafel mit eisernem Kreuz und den
Namen der fünf gefallenen Betziner.
Gedenktafel für Gefallene im Ersten Weltkrieg 1914-18. Südwand links vom
Chor; Steintafel mit flankierenden Doppelsäulen.
Zwei Glocken. 1925 (i). Gussstahl.
Aquarell des Vorgängerbaus. 1887. An der Südwand, rechts vom Chor.
Inschrift »Der Gemeinde zu Betzin zur Erinnerung an den von ihm geleiteten
Bau der neuen Kirche, gez. und gewidmet Max Fraenkel, Königlicher
Regierungs-Bauführer, 14.11.1887«.
Die Dorfkirche, ein später Vertreter des Rundbogenstils, dominiert weithin
sichtbar die Ortssilhouette und ist ein bemerkenswertes Beispiel für einen
Kirchenneubau im ländlichen Raum. Städtebaulich prägnant durch ihre Lage
als freistehender Bau in der Ortsmitte.
Quellen: BLHA, Pr. Br. Rep. 2 A II, Osthavelland, Nr. 149 (1771-1884, Bau
und Unterhaltung der Kirche), Nr. 150 (1885-1903), Nr. 151 (1903-41), Nr.
152 (1842-87, Anschaffung der Orgel); BLHA, Pr. Br. Rep. 2 A, Karte, Nr.
4418 (1884-87, Pläne zum Kirchneubau); LABB, Best. 3/2, Nr. 10.413 (1938-
42), Nr. 124 (1957-76).
Literatur: Vintzelberg 1863, S. 86; Die Grundsteinlegung der Kirche zu Betzin
(1886), Abschrift der Urkunde und des Berichts mit Festansprache zur
Grundsteinlegung im Pfarramt Karwesee; Adler, F., Beiträge zur Kenntnis
der evangelischen Kirchenbaukunst in der Gegenwart. 5. Die Kirche zu
Betzin, in: Centralblatt der Bauverwaltung 10 (1890) vom 27.12.1890, S.
540f.; Drescher 1969 (Erfassungskartei BLDAM); Enders 1972, S. 22;
Kurztopographie 1978, S. 220.