Denkmaltopographie Ostprignitz-Ruppin, Bd. 13.2, 2003, S. 254 ff.

Der stattliche spätgotische Kirchenbau steht auf einem ausgedehnten, bis
heute belegten Kirchhof im Zentrum des Straßenangerdorfs.
Herzberg ist bis heute Mutterkirche. Zeitweilig besaß es eine Tochterkirche
in Rüthnick (1558). Es war mit zwei Pfarrhufen ausgestattet (1541) und
gehörte zur Superintendentur Lindow-Gransee, heute zum Kirchenkreis
Gransee. Das Patronatsrecht hatte im Mittelalter das Nonnenkloster Lindow,
seit 1541 der Landesherr.
Es handelt sich um einen rechteckigen Saalbau aus Mischmauerwerk mit
steilem Satteldach, geringfügig eingezogenem, leicht querrechteckigem
Westturm und Sakristei im Osten der Nordseite. Auffällig ist die deutliche
Achsabweichung zwischen Schiff und Turm. Dies deutet ebenso wie eine
Baunaht im Westen des Schiffs auf eine Entstehung in verschiedenen
Bauetappen. Offenbar wurde zunächst der Hauptteil des Schiffs errichtet.
Hier bestehen die Gebäudeecken aus Feldstein, während sie beim Turm und
den westlichen Schiffsecken sorgfältig in Backsteinmauerwerk ausgeführt
wurden. Um den Turm einzubinden, scheinen die Schiffsmauern um ca. 2,90
m nach Westen verlängert worden zu sein. Möglicherweise war zunächst nur
ein hölzerner Turm geplant. Zusammen mit dem Turm wurde wohl die
Sakristei angefügt. Zeitlich dürften beide Bauetappen allerdings nicht allzu
weit auseinander gelegen haben (vergleichbare Ziegelformate). Bautypus
und Formen sprechen für eine Errichtung der Kirche im späten 15. oder
frühen 16. Jh. Auf eine barocke Erneuerung gehen die jetzigen Fenster
zurück. Kirchenreparaturen sind für 1793/94 sowie einschließlich Turm für
1801 (durch Zimmermeister Schulz aus Alt Ruppin) belegt (a). Bei der
Kirchenrenovierung 1833 (a, nur zu Vorbereitungen 1831-32) wurde das alte
Südportal geschlossen, das Gestühl neu angeordnet, die Empore U-förmig
erweitert sowie die Nordwand der Sakristei neu aufgeführt. Ein 1867
geplanter neogotischer Ziergiebel (a) zur Aufwertung der Ostseite des
Schiffs kam ebenso wenig zur Ausführung wie eine polygonale Apsis. Auf
Grund starker Bauschäden erfolgte 1927-29 eine umfassende
Instandsetzung der Kirche unter Leitung von Regierungsbaurat Neumann,
dabei wurde auch das wertvolle, aber stark geschädigte mittelalterliche
Dachwerk beseitigt. Über Schiff und Turm entstanden neue
Dachkonstruktionen durch Bauunternehmer Karl Werdermann aus
Teschendorf (a). Im Kircheninneren waren die Beseitigung bzw. Milderung
der »Verunstaltungen« von 1833, die Rettung des Älteren sowie die
künstlerische Ausgestaltung erklärte Ziele. Der Berliner Kunstmaler Erich
Kistenmacher legte mittelalterliche und frühneuzeitliche Wandmalereien frei
und besorgte die neue Polychromierung von Holzbalkendecke und
Ausstattungsstücken in abstrahiert-volkstümlichen Formen. Beteiligt waren
außerdem Maurermeister Guhl aus Herzberg, die Tischlermeister Windel
aus Herzberg und Raab aus Neuruppin sowie die Firma Jost aus Lindow
(Dachdeckung).
Bei der letzten Renovierung 1981-82 wurden die seitlichen Emporen
herausgenommen, die Malereien z.T. nachgemalt, das Gestühl gelichtet und
die hellfarbige Bleiverglasung mit abstrakter Gestaltung eingefügt.
Das große Kirchenschiff ist ausgesprochen schlicht; sein Ostgiebel wird
nicht, wie z.B. in Dechtow oder Vielitz, durch Blenden und Staffeln
geschmückt, sondern besteht aus einfachem Feldsteinmauerwerk mit
Schlitzfenstern sowie einer gedrückt spitzbogigen Öffnung in der
Giebelspitze. Ein Portal gab es nur im Westen der Südseite (später
vermauert). Erhalten sind seine breit spitzbogige Backsteinlaibung und innen
die flachbogige Nische mit Türangeln. Durch die Sakristei im Osten der
Nordseite führt die Priesterpforte ins Kircheninnere. Darüber blieb im Inneren
ein letztes originales Fenster als Nische sichtbar. Die sehr schmale
Flachbogenöffnung sitzt in einer entsprechenden Nische mit aufgemalter
roter Quaderung. Die linke Hälfte der Backsteinlaibung eines ähnlichen
Fensters ist im Mauerwerk der Südseite westlich des mittleren der neuen
Fenster erkennbar. Ein Rundfenster mit Laibung aus Backsteinen mit
Viertelkreisprofil befindet sich in der Mitte der Ostseite zwischen zwei
jüngeren Rundbogenfenstern. Alle anderen Öffnungen müssen genau an
Stelle der jeweils drei sehr großen neuzeitlichen Flachbogenfenster
gesessen haben (bei den Laibungen teilweise mittelalterliches Ziegelmaterial
wiederverwendet). Der geräumige, relativ breite Innenraum besitzt eine 1929
bemalte Holzbalkendecke und wird nach Beseitigung der seitlichen
Emporenteile heute durch die Reste alter Wandmalereien geprägt. Das steile
Satteldach der Kirche besitzt Biberschwanz-Doppeldeckung. Das verblattete
mittelalterliche Sparrendach aus Eichenholz mit zwei Kehlbalkenlagen,
senkrechten Sparrenstreben und -knechten wurde 1927 restlos beseitigt (a).
Stattdessen entstand eine doppelt stehende Stuhlkonstruktion mit Zangen,
Hängewerk und Firstpfette. Aufwendiger als das Schiff ist der Turm gestaltet.
Hier besitzen alle Öffnungen Backsteinlaibungen (Ziegel ca. 27-28 x 13-13,5
x 8,5-9 cm). Die Ziergiebel des quer zum First des Schiffs gerichteten
Satteldachs prägen ganz wesentlich das Erscheinungsbild der Kirche. Es
handelt sich um dreigeschossige Staffelgiebel aus Backstein mit Pfeilern, die
in Fialen auslaufen, und dazwischen liegenden Spitzbogenblenden (ganz
oben Kreisblende). Das Mischmauerwerk des Turmschafts weist einen
relativ hohen Putzanteil und viel Ziegelbruch auf. An verschiedenen Stellen,
v.a. auf der Nordseite, sind noch doppelte Fugenritzungen erhalten. Deutlich
sind auch die Rüstlöcher erkennbar. Ein steiles, dreifach gestuftes
Spitzbogenportal auf der Westseite führt in die ursprünglich durch einen
hohen Spitzbogen zum Schiff geöffnete Turmhalle mit Holzbalkendecke. Die
Etage darüber wird durch Schlitzfenster, die innen in tiefen
Flachbogennischen sitzen, belichtet. Im zweiten Obergeschoss blieben
wesentliche Teile der verblatteten kräftigen Holzkonstruktion vom Unterbau
des Glockenstuhls erhalten. Dieser selbst stammt ebenso wie die doppelt
stehende Stuhlkonstruktion des Dachs von 1927/28. Im Glockengeschoss
gibt es auf jeder Seite ein Paar gedrückt rundbogiger Schallöffnungen, die
von einer breiten Flachbogenblende überfangen werden. An zahlreichen
Ziegeln der Schallöffnungen finden sich Inschriften der letzten 400 Jahre,
u.a. verewigte sich hier der seit 1680 als Küster in Herzberg wirkende
Henning Berns aus Halberstadt.
Die Sakristei, ebenfalls aus Mischmauerwerk, besaß ursprünglich einen
»schönen altertümlichen Giebel« und innen ein gotisches Gewölbe (a,
Mängelliste 1831). Wegen Bauschäden wurde beides 1833 beseitigt. Die
damals neu aufgeführte Nordseite erhielt Gebäudeecken aus Ziegeln und
ein gedrückt rundbogiges Portal. In der Westseite befindet sich ein
Korbbogenfenster. Das Satteldach hat eine Deckung aus zugespitzten
Flachziegeln. Innen haben sich in der mittelalterlichen Ostwand zwei
flachbogige Wandnischen erhalten, eine mit Ausgussöffnung.
Wandmalereien und Raumfassung
1927-29 wurden in Herzberg erstmals in einer Kirche des nördlichen
Brandenburgs die Reste einer vollständigen Ausmalung freigelegt; neben
sieben Weihekreuzen und unterschiedlichem ornamentalem Schmuck
neutestamentliche Szenen aus zwei verschiedenen Phasen. 1981/82
restauriert. Spätgotische Malereien. Die rot umrahmten Szenen bildeten
einen Passionszyklus der im Westen der Nordseite begann und sich auf der
Ost- und Südseite (nun von Ost nach West) fortsetzte. Jetzt nicht mehr
erkennbar sind das von einem Engel gehaltene Schweißtuch Christi, der
Einzug in Jerusalem sowie das letzte Abendmahl auf der Nordseite. Im
Süden der Ostseite Geißelung; es folgen auf der Südseite Dornenkrönung,
Kreuztragung, ein Kopf als letzter Rest der Kreuzigung, Beweinung und
Grablegung Christi. Ornamentale Bemalung umzog die Fenster sowie die
beiden Nischen in der Ostwand und schloss als Fries die Bildflächen nach
oben ab. Darunter geometrisches Schmuckband aus perspektivischem
Würfelmotiv (teilweise erneuert). Renaissancemalereien. Die Bemalung
dieser Phase in Freskotechnik mit leuchtenderen Farben ist schlecht
erhalten. Die Szenen des Lebens Jesu wurden oben und unten durch
Ornamentdekor und Schriftbänder gerahmt; auf der Nordseite weisen sie auf
Darstellungen des Einzugs Christi in Jerusalem, des Abendmahls und
weiterer Passionsszenen, auf der Südseite auf die Auferstehung hin.
Deckenbemalung. 1929 vom Berliner Kunstmaler Erich Kistenmacher.
Abstrahierte Ornamente, dazwischen zahlreiche Bildfelder mit
neutestamentlichen Szenen.
Ausstattung
Kanzelaltar. 18. Jh. (die alte, schon nicht mehr benutzte Kanzel 1829 als
Brennholz für die Schule zerschlagen). Holzaufbau mit geschwungenen
Seiten und polygonalem Kanzelkorb, eingebunden in Rückwand mit Empore;
die Kanzel flankieren rundbogige Durchgänge; der etwas vorspringende
nördliche, mit Pilastern geschmückte Teil enthält den Zugang zur
Kanzeltreppe. Kanzelrückwand mit korbbogiger Tür, seitlichen Voluten und
kuppeligem, von einer Urne bekröntem Schalldeckel, dessen Unterseite
1929 von Erich Kistenmacher mit Heilig-Geist-Taube und Strahlensonne
bemalt, der Kanzelkorb mit Evangelistensymbolen (übrige Bemalung
Kistenmachers nicht erhalten). – Der geschwungene, von seitlichen
Brettbalusterschranken gerahmte hölzerne Altartisch jetzt abgerückt.
Sakramentsnische. Spätmittelalterlich. Flachbogige Blende, die eigentliche
Nische mit dachförmigem Abschluss und Eisengitter; Inneres mit Bohlen
ausgekleidet. Im Norden der Ostwand.
Taufengel. 18. Jh. Holz, mit alter Fassung. Senkrechte Aufhängung. Der
rechte Arm erhoben (ehemals mit Palme), in der linken Hand Muschel
haltend. Auf der Nordseite.
Taufengel. 18. Jh. Holz, mit jüngerer Farbfassung. Muschelschale mit beiden
Händen haltend. Im Südosten.
Orgel. 1899-1900 von Albert Hollenbach, einem in Neuruppin ansässigen
Ladegast-Schüler; 1928/29 durch Hoffmann aus Neuruppin
wiederhergestellt. Prospekt in Neorenaissanceformen mit drei
Rundbogenöffnungen, gerahmt durch zierliche Säulen und Gebälke.
Apostelfiguren (angeblich Petrus und Paulus). 16. oder 17. Jh. Derbe
breitbeinige Schnitzfiguren mit farbiger Fassung. Vielleicht Reste eines
Altaraufbaus. Südseite.
Engelsfigur. Barock. Große Schnitzfigur mit Ansätzen von Flügeln, angeblich
von einer Triumphkreuzgruppe. Am Sockel Reste einer Inschrift (u.a. »1570
Sylvester«). Auf der Kanzelwand.
Zwei Engelsfiguren (Putten). Barock. Kleine Schnitzfiguren. Nordwand.
Westempore. Wohl 1833. Toskanische Holzsäulen; geschlossene Brüstung.
Entsprechende Nord- und Südemporen reichten weit nach Osten und
wurden 1981/82 beseitigt.
Pfarrgestühl. 1833 (?). Mit Holzgittern. Jetzt unter der Westempore.
Gemeindegestühl. Aus verschiedenen Teilen zusammengesetzt; 1833 das
enge, in drei Blöcken angeordnete Gestühl neu zusammengestellt zu zwei
Blöcken; später weiter reduziert. Älterer Bestand die vordere Brüstung der
Nordseite mit rundbogiger Blendarkatur zwischen kannelierten Pilastern.
Truhe. 18. Jh.(?). Kastentruhe mit Eisenbeschlägen; Bemalung wohl 1929.
Süden der Westseite des Schiffs.
Kleiner Kronleuchter. 1816 (i). An der Aufhängung eisernes Kreuz.
Kronleuchter. Um 1900 (?). Großer Messingleuchter.
Reste des Epitaphs für Pfarrer Daniel Stockfisch (1628-1703) und Anna
Catharina Krüger. Holz; zwei Inschriftenfelder in barocker Rahmung. Im
Süden der Westwand des Schiffs.
Gedenktafel für die Gefallenen der Befreiungskriege 1813-15. Einfache
Holztafel. Abgestellt auf dem Dachboden.
Glocken. Die kleine Bronzeglocke 1928 von Meister Störmer aus Erfurt (i),
große und mittlere aus Gusseisen von 1968 (i). Sie ersetzten zwei
mittelalterliche sowie eine von 1655.
Bedeutung
Die Herzberger Kirche gehört nicht nur zu den größten mittelalterlichen
Dorfkirchen der Region, sie besitzt mit den gotischen Malereiresten auch
einen in der Mark Brandenburg besonderen Schatz. Hier existieren sonst nur
noch wenige andere Belege für die vollständige Ausmalung einer
mittelalterlichen Dorfkirche. Ein bemerkenswertes Beispiel für ländliche
Kirchenausgestaltungen der 1920er Jahre ist die Deckenbemalung
Kistenmachers. Das Kircheninnere wird daneben durch barocke
Ausstattungsstücke bereichert. Wahrzeichen von Ort und Umland ist der
aufwendige Westturm mit seinen wirkungsvollen Treppengiebeln. Ein selten
überliefertes Zeugnis mittelalterlicher Baukunst stellt schließlich das
Herzberger Friedhofsportal dar, sicher auch ein Zeichen für die Bedeutung
von Ort und Kirche in der damaligen Zeit.
Quellen: BLHA, Pr. Br. Rep. 2 A II, Ruppin, Nr. 1251-1254 (Bau- und
Unterhaltung von Kirche, Orgel und Kirchenscheune 1788-1929, Orgel 1831-
1900); KA OPR, Nr. 460 (Pfarre Herzberg 1908), Nr. 465 (Pfarre Herzberg
1880) und Nr. 470 (mit Ansichten, Schnitten und Grundrissen des 19. Jh.
von Kreisbaumeister Maaß sowie von 1927).
Literatur: Inventar 1914, S. 83f.; Dehio 1926, S. 202; Schultze, M., Die
Einweihung der Kirche zu Herzberg, in: RKK 20 (1930), S. 33-36; Schultze,
M., Die freigelegten alten Gemälde in der Kirche zu Herzberg, in: RKK 20
(1930), S. 69-72; Drescher 1969 (Erfassungskartei BLDAM); Enders 1970,
S. 99; Kurztopographie 1978, S. 225f. (knapp); Schulte 1983, S. 75; Bergelt,
Wolf, Die Mark Brandenburg. Eine wiederentdeckte Orgellandschaft, Berlin
1989, S. 49-51; Endlich 1999, S. 291; Dehio 2000, S. 447.