Denkmaltopographie Ostprignitz-Ruppin, Bd. 13.2, 2003, S. 347 ff.

Die Rüthnicker Dorfkirche steht weit zurückgesetzt inmitten des Kirchhofs
auf der Südseite der Dorfstraße. Besonders bei Annäherung von Süden
dominiert sie mit ihrem hoch aufragenden Turm die Ortssilhouette und
entfaltet weitreichende Blickbeziehungen. Vor der Nordseite der Kirche steht
ein Kriegerdenkmal für Gefallene im Ersten Weltkrieg. Der Kirchhof stellt sich
heute als schlichte Rasenfläche dar, auf der eine ältere Linde und eine
Weißpappel aus einer früheren Gestaltungsphase erhalten sind. Zur Straße
bilden Reste der ursprünglichen Feldsteineinfassung einen räumlichen
Abschluss.
Ausgestattet mit vier Pfarrhufen war Rüthnick immer Mutterkirche (1459,
1541, 1900), wurde aber 1558 vom Pfarrer zu Herzberg kuriert. Zu Rüthnick
gehörten mehrere Tochterkirchen: 1517 und 1541 Grieben; 1781-1929
Linde; 1800 und 1840 Ludwigsaue. Das Patronatsrecht besaß bis 1541 das
Lindower Nonnenkloster, danach der Landesherr bzw. Fiskus.
Der Vorgängerbau der Rüthnicker Dorfkirche – ein mittelalterlicher
Feldsteinsaal – brannte beim Ortsbrand 1803 nieder. Im gleichen Jahr
erteilte das Oberbaudepartement dem Oranienburger Baubeamten Eckel
den Auftrag für den Entwurf eines Kirchenneubaus. Der noch im selben Jahr
vorgelegte Entwurf sah einen Ziegelbau mit hellen Putzlisenen zwischen den
sieben hohen, rundbogigen Fenstern sowie einen Westturm mit gewölbter
Ziegelhaube vor; die Wandflächen zwischen den Lisenen sollten
ziegelsichtig bleiben. Nach Revision durch das Oberbaudepartement wurde
die Kirche nach einer überarbeiteten Fassung des Entwurfs (Verkürzung des
Kirchenschiffs, Turmhelm mit Zeltdach) 1804-06 gebaut. Die Ausführung lag
bei Amtszimmermeister Christian Schulz und Maurermeister Johann Dense
aus Alt Ruppin. Der Dorfbrand 1811 traf auch den Kirchturm. Ein 1814 von
Bauinspektor Johann Carl Ludwig Schmid aus Zehdenick vorgelegter
Entwurf wurde an das Oberbaudepartement weitergereicht, verändert und
nochmals 1818 vorgelegt, dann von K. F. Schinkel revidiert und bis 1819
fertiggestellt; ausgeführt durch Maurermeister Söhnel aus Neuruppin und
Zimmermeister Ranft. Der wiederhergestellte Turm diente im Erdgeschoss
als Bahrenkammer. 1821 wurden Eisenglocken angeschafft, die 1853 durch
zwei von Rubon in Berlin gegossene Glocken ersetzt wurden (beide
eingeschmolzen). Renovierung 1864/65 durch Kreisbaumeister Maaß aus
Gransee, dabei erhielt der Kirchturm eine Schieferdeckung. Ein Blitzschlag
beschädigte 1932 Turm und Dach, betroffen waren insbesondere Turmhelm
und oberer Mauerkranz sowie Teile der Holzkonstruktion (Reparatur im
selben Jahr). Nach 1969 Leerstand und Verfall der Kirche, 1981/82 Umbau
und Wiederherstellung, wobei die östliche Hälfte des Schiffs für
Gemeindezwecke abgeteilt wurde. Erneuerung des Äußeren 1998-2000.
Verputzte rechteckige Saalkirche mit quadratischem, eingezogenem
Westturm. Gliederung der Längsseiten durch je fünf hohe Rundbogenfenster
zwischen breiten Putzpilastern; unter dem Dachgesims umlaufend ein
angeputzter Rundbogenfries. Im Sockel der Nordseite großformatige Ziegel
und Feldsteine des Vorgängerbaus in den Neubau einbezogen, im
westlichen Bereich die Reste eines ehemaligen Nordportals im Sockel
erkennbar. Etwa auf der Höhe des zweiten Fensters von Osten deutet ein
Sockelvorsprung die Länge des Vorgängerbaus an. Die Ostseite fensterlos.
Das hohe Obergeschoss des Westturms mit kannelierten Eckpilastern und
großen Rundbogenöffnungen unter einem Zeltdach.
Innen 1981/82 vollständig umgebaut und die östliche Hälfte in mehrere
Räume aufgeteilt: ein über die gesamte Ostseite reichender Gemeinderaum;
an der Nordseite ein Unterrichtsraum; zur Südseite gerichtet Küche und
Aufenthaltsraum. Im erhalten gebliebenen, über zwei Fenster reichenden
Kirchenraum hufeisenförmige Westempore. Der Fußboden mit
quadratischen Ziegelplatten belegt. Doppelt stehender Dachstuhl; auf dem
Dachboden eine Totenbahre. Altartisch, Stehpult und Liedertafel von 1982.
Bauzeitlicher Kanzelaltar und Lütkemüller-Orgel von 1858 nicht mehr
vorhanden.
Ausstattung
Empore. 1805. Hufeisenförmig mit zwei Aufgängen im Westen an der Nord-
und Südseite. Die Brüstung Anfang des 20. Jh. (?) mit einfachem
Rankenwerk und Schriftfeldern bemalt.
Taufe. Ende 19. Jh. Holz. Oktogonaler abgestufter Fuß mit kelchförmigem
Aufsatz. Oktogonaler Abschluss vereinfacht erneuert.
Orgel. 1984 von W. Sauer.
Grabdenkmal für Friedrich Wilhelm Lumpmann (1757-1815). Sandsteinplatte
unter der Nordempore mit der Inschrift: »Dieses Denkmal setzen ihrem
Theuren Mann und Vater dessen hinterlassene Witwe Marie Sophie
Lumpmann geb. Wienkoop und Sohn Friedrich Wilhelm Lumpmann.«
Gedenkstein für Karl Louis Schulze. 1853. Sandstein.
Gedenktafel für Gefallene 1864-1870. Sandstein, gestiftet von der
Rüthnicker Jugend (i). Unter der Nordempore.
Gedenktafel für Gefallene der Befreiungskriege 1813-15. Schlichte
rechteckige Holztafel mit aufgenageltem Eisenkreuz und Lorbeerranken.
Unter der Südempore.
Gedenktafel für Gefallene 1914-18. Holztafel mit aufgemaltem üppigem
Blattwerk.
Eisenofen. Gebrüder Muster, Modell »Germane No. 100«.
Zwei Bronzeglocken. Große Glocke. »Rüthnick 1981« (i). Kleine Glocke.
1925. Gegossen von Franz Schilling & Söhne, Apolda (i).
Frühes Beispiel eines historisierenden Kirchenbaus neoromanischer
Prägung auf dem Land. Der die Ortssilhouette überragende Kirchenbau wirkt
mit seinem markanten Turm weit in die Landschaft.
Quellen: BLDAM, Objektakte PD; BLHA, Pr. Br. Rep. 2 A II, Ruppin, Nr.
2350 (1803-16), Nr. 2351 (1815-64), Nr. 2352 (1865-1933), Nr. 2353
(Turmuhr, 1805-68) und Nr. 2354 (Orgel, 1804-1908); KA OPR, Nr. 470
(1857-1932).
Literatur: Inventar 1914, S. 262-264; Scult, Urar, Das Dorf Rüthnick im 19.
und 20. Jahrhundert, in: MH NP 8 (1935), Nr. 6, S. 45-47; Enders 1970, S.
223-224; Kurztopographie 1978, S. 241; Schmidt, Peter, Roter Hahn auf
dem Kirchdach, in: Die Märkische (14), Nr. 43, 24.10.1991; Dehio 2000, S.
950; Gemeindekirchenrat, Evangelische Kirche in Rüthnick. 27. August 2000
(Infoblatt in der Kirche).