Denkmaltopographie Ostprignitz-Ruppin, Bd. 13.2, 2003, S. 372 ff.

Die Dorfkirche steht an der Südseite der Dorfstraße eingebunden in die
Häuserzeile, die sie mit ihrem Turm weit überragt. Vor der Fassade stehen
drei Kastanien, an der Westseite eine stattliche Linde. Südlich schließt der
weiträumige Friedhof an, zur Straße durch eine Lebensbaumhecke
abgegrenzt.
Um 1500 als Tochterkirche von Fehrbellin bzw. Feldberg genannt mit Sedes
Nauen. Patronatsrecht besaß anfangs der Havelberger Bischof, ab 1553
bzw. 1571 das kurfürstliche Amt Fehrbellin.
Die Tarmower Kirche ersetzte einen Vorgängerbau aus Feldsteinen. Die
kleine Saalkirche stand südwestlich der heutigen Kirche an der
»Küsterstege« und wurde Anfang 1834 abgebrochen; die Feldsteine sollten
der Fundamentierung des Neubaus dienen. Für den Bauplatz der neuen
Kirche wurde die Büdnerstelle der Witwe Menz erworben. 1831 hatte
Bauinspektor Heidfeld aus Brandenburg (a) einen ersten Neubauentwurf
vorgelegt, den Baukondukteur Pflughaupt 1832 umarbeitete. Ein erhaltener,
aber unsignierter und undatierter Plan sah gegenüber dem ausgeführten
Entwurf ein kürzeres Schiff mit nur drei Rundbogenfenstern und einen
niedrigeren Turm vor. Nach Vorlage der Entwürfe beim Königlichen
Oberbaudepartment in Berlin 1833 arbeitete Friedrich Wilhelm Eduard
Jacobi die Pläne nach dessen Änderungsvorgaben um (a). Der Neubau
erfolgte 1834/35 unter der Bauleitung von Jacobi, die Einweihung fand am
3.8.1835 statt. Die Ausführung oblag dem Friesacker Maurermeister Wilhelm
Maaß, außerdem waren Zimmermeister Thür und Tischlermeister Flemming
– beide aus Fehrbellin – beteiligt; die Farbfassung stammt vom Potsdamer
Malermeister Wohler. Ziegelsteine lieferte der Lehnschulze Klein aus
Tarmow, Formsteine kamen aus einer Rathenower Ziegelei. In den 1970er
Jahren kam es zum Einbau einer Winterkirche. Sanierungsarbeiten 1992-94
betrafen die Holzkonstruktion von Kirchenschiff und Turm.
Die verputzte Saalkirche im Rundbogenstil besitzt einen hoch aufragenden,
einem italienischen Campanile nachempfundenen Westturm. Der Außenbau
mit einer feinen aufgeputzten Ritzquaderung überzogen (an der Südseite
nicht mehr erhalten), unter dem abgetreppten Traufgesims ein aufgeputzter
Kreuzbogenfries. In den Längswänden je fünf hohe Rundbogenfenster mit
vereinfacht erneuerten Fenstern. Im Ostgiebel ein Okulus mit profilierter
Putzrahmung. Der quadratische, deutlich eingezogene viergeschossige
Westturm abgeschlossen durch ein flaches Pyramidendach;
Geschosstrennung durch kräftige Kaffgesimse. Die Schallöffnungen in den
beiden oberen Geschossen an allen vier Seiten als Drillings-
Rundbogenfenster ausgebildet.
Im Inneren eine flache, kassettierte Holzbalkendecke, das Dachwerk darüber
ein Sparrendach mit doppelt stehendem Stuhl und kräftigen doppelten
Stielen (direkt über den Emporenstützen) mit aufgekämmten Kehlbalken;
auffallend der enge Sparrenabstand. Die kräftigen, raumhohen Stützen,
zwischen die die hufeisenförmige, bis zur Ostwand vorgezogene Empore
eingespannt ist, lassen einen dreischiffigen Raumeindruck entstehen.
Emporenzugänge am westlichen Schiffsende beiderseits vom Mittelgang:
jeweils eine gewendete Treppe mit barockisierendem Anfänger und
Traljengeländer. Die Ostwand mit vorgeblendetem, eine Apsis
suggerierenden breiten Rundbogen durch farbige Fassung hervorgehoben,
unter dem Bogen Trinitätssymbol, in den Zwickeln Rankenwerk. Vor der
Ostwand eine hölzerne Abtrennung mit Kleeblattbogen-Reliefs in den
Füllungen und integrierter Kanzel; davor der Altar. Gestühl in sechs Blöcken.
Ausstattung
Altar. 1835. Holz. U-förmig, in den Seitenflächen geschnitzte Kleeblattbögen.
Taufe. 1835. Sechseckiger Holzschaft mit herausgearbeitetem Becken, in
den Seitenflächen jeweils ein Kleeblattbogen.
Kanzel. 1835. Angefertigt von W. Dreusicke, Tischlermeister in Brunne (i).
Kanzelkorb ein sechsseitig gebrochenes Polygon auf hoher Holzstütze in der
Mitte zwischen den hölzernen Trennwänden vor der Ostwand. Hinter der
rechten Abtrennung Aufgang zur Kanzel, links ein Abstellraum.
Orgel. 1835. Orgelbauer Heise Potsdam (a); Reparaturen 1860 durch
Lütkemüller aus Wittstock, 1887 durch Hollenbach, Neuruppin und 1904 von
Schuke, Potsdam (a). Schlichtes fünfteiliges Gehäuse mit erhöhtem
Mittelteil, die flankierenden gestaffelt. Abschließender Fries mit Palmwedeln
und stilisierten Palmen.
Empore. 1835. Hufeisenförmig mit kassettierter Brüstung auf Holzkonsolen
in Volutenform; die Unterseite ebenfalls kassettiert, in der Mitte jeweils
goldener Stern.
Gemeindegestühl. 1835. Holz, Gestühlwangen mit feiner Rankenzeichnung,
auf den Rückseiten der Lehnen Nummerierung.
Kronleuchter. 19. Jh. Messing. 15-armig mit Ranken- und Blattwerk.
Gedenktafel für Gefallene 1870/71 und Gedenktafel für Gefallene in den
Befreiungskriegen 1813-15. Schlichte Holztafeln mit Rankendekor unter der
linken bzw. rechten Empore.
Glocke. Bronze. Vermutlich mittelalterlich, aufgestellt im Erdgeschoss des
Kirchturms. - Zwei Glocken. 1926 (i), Stahlguss.
Die Tarmower Dorfkirche zählt mit zu den qualitätvollsten klassizistischen
Dorfkirchen der Mark Brandenburg. Als Vertreter des unter Karl Friedrich
Schinkel propagierten Rundbogenstils für eine »Normalkirche« ist sie eng
verwandt mit den wenig später errichteten benachbarten Kirchen in Krangen
und Wuthenow (beide 1836/37). Mit der bemerkenswerten, geschlossen
erhaltenen bauzeitlichen Ausstattung und der ausgewogenen Raumwirkung
eine Besonderheit im Bearbeitungsgebiet. Städtebaulich besonders
wirkungsvoll der in der Art eines Campanile abgesetzte Turm.
Quellen: BLDAM, Altakten IfD; BLHA, Pr. Br. Rep. 2 A II, Osthavelland, Nr.
1845 (1795-1834), Nr. 1846 (1835-1848), Nr. 1847 (1849-1937), Nr. 1848
(1834/35, Turmuhr) u. Nr. 1849 (1854-1905, Orgel, Reparaturen); LABB,
Best. 3/2, Nr. 196 (1959-1992).
Literatur: Vintzelberg 1863, S. 84f.; Schröder, W., Von der Kirche zu
Tarmow, in: Kalender für den Kreis Osthavelland 4 (1913), S. 124; Kania,
Hans/ Möller, Hans-Herbert, Mark Brandenburg (= Karl Friedrich Schinkel.
Lebenswerk), Berlin/ München 1960, S. 277 u. 279; Drescher 1969
(Erfassungskartei BLDAM); Enders, 1972, S. 381; Metzler 1996, S. 307-309
u. 366-369; Schmidt, Peter, Die Kirchen von Krangen, Tarmow und
Wuthenow, in: HVGR, Mbl. Nr. 8 (1997), S. 1-24 (Tarmow: S. 2-6); Dehio
2000, S. 1040; Schmidt, Peter, Eine Kirche für alle Provinzen. Schinkels
Normalkirche im »Bogenstyl«, in: Die Mark Brandenburg, H. 42 (2001), S.
20-27.