Denkmaltopographie Ostprignitz-Ruppin, Bd. 13.2, 2003, S. 376 ff.

Der spätgotische Kirchenbau steht leicht erhöht auf der Kirchstraße. Von
dem durch Skelettfunde belegten ehemaligen Kirchhof sind keine Reste
mehr erkennbar. Vielitz war ursprünglich eine mit zwei Pfarrhufen
ausgestattete Mutterkirche (so 1541); 1690-1922 war es deutsch-reformierte
Tochterkirche von Lindow, seither ist es Tochterkirche (Mater vagans) von
Seebeck; heute wird es von Dierberg betreut. Es gehörte zur
Superintendentur Lindow-Gransee, jetzt zum Kirchenkreis Gransee. Das
Patronatsrecht hatte das Nonnenkloster Lindow, seit 1541 der Landesherr
bzw. Fiskus (Amt Lindow, 1764-1872 Amt Alt Ruppin).
Die Vielitzer Kirche ist ein wahrscheinlich im 15. Jh. entstandener, kleiner
Rechtecksaal mit ins Schiffsdach eingebundenem massiven Westturm (ca.
18,2 x 8 m). Ihr sehr unregelmäßiges Mischmauerwerk aus gespaltenen,
recht kleinen Findlingen und Ziegelbruch (kaum Schichten erkennbar) war
durch Putz vereinheitlicht und durch ein erhabenes, hell gefärbtes Fugennetz
strukturiert (Reste im Süden, Osten und Norden erhalten). Größere
Feldsteine markieren die Gebäudeecken. Nur der blendengeschmückte
Ostgiebel und die Laibungen der meisten Öffnungen wurden aus
Backsteinen (ca. 28,5-29 x 13 x 9 cm) gemauert. Noch 1914 war unter der
Traufe ein 50 cm breiter weißer Friesstreifen erkennbar. Hauptschmuck des
Baus ist der Ostgiebel. Fünf gestaffelte Blenden überfangen je zwei schmale
Blenden mit ursprünglich abgetrepptem Abschluss (erhalten beim mittleren
Blendenpaar); sonst wurden die Abschlüsse bei Errichtung des barocken
Dachs verändert. Wie Spuren im Mauerwerk zeigen, reichten die großen
Blenden ursprünglich weiter nach oben, endeten nicht in gedrückten Rund-,
sondern in Spitzbögen und überragten als Staffelgiebel die Dachflächen (vgl.
Dechtow). Auch die Flachbogenöffnung im mittleren Blendenpaar wurde
später eingebrochen. Von den mittelalterlichen Öffnungen blieben je ein
schmales Spitzbogenfenster im Westen der Längsseiten (Turmbereich), die
beiden Ostfenster sowie die spitzbogige Priesterpforte im Osten der
Südseite (mit Näpfchen auf einigen Backsteinen) erhalten. Auf das
eigentliche Südportal weiter westlich weisen Unregelmäßigkeiten im
Mauerwerk hin (der gerade Sturz neuzeitlich). Die übrigen Fenster müssen
an Stelle der barocken gelegen haben. Erkennbar sind Reste der rechten
Backsteinlaibung des östlichen Fensters der Südseite.
Der Westteil der Kirche ist durch starke Mauern als querrechteckiger
Turmunterbau vom Schiff abgetrennt. Das Kreuzgewölbe des Mittelteils
wurde offenbar um 1864 beim Einbau einer neuen Treppe herausgebrochen;
erhalten blieben die Tonnenwölbungen der schmaleren Seitenteile der
Turmhalle, in deren Stirnseiten sich jeweils mehrere kleine Nischen
befinden. Der quadratische Turmschaft besaß große, spitzbogige
Schallöffnungen, die im 18. Jh. zu kleineren korbbogigen reduziert wurden.
Im ersten Turmobergeschoss führt eine spitzbogige Tür zum Dachboden des
Schiffs. Sie war durch Verschlussbalken (Kanäle erhalten) von der Turmseite
aus zu verriegeln.
Die Flachbogenfenster mit Ziegellaibungen, je drei auf der Nord- und
Südseite des Schiffs, werden mit Veränderungen 1734 in Verbindung
gebracht; ihre Putzfaschen sind nur noch teilweise vorhanden. Spätestens
damals dürfte auch das Dachwerk des Schiffs entstanden sein. Es besitzt
eine liegende Stuhlkonstruktion mit in deutlichem Abstand von den
Kehlbalken versetzten Spannriegeln und angeblatteten Kopfbändern.
Zwischen den weit auseinander stehenden, auf Gehrung versetzten Sparren
erfolgt durch Windverbände (mit Kreuzstrebe in der Mitte) die
Längsaussteifung. Auf dem Dachboden lagern verschiedene alte Dachziegel,
darunter ein Biberschwanzziegel von 1790 (i) und Feierabendziegel (mit
Sonnemotiven) sowie ein altes Glockenjoch. Zur barocken Erneuerung der
Kirche gehört auch der Turmabschluss mit profilierter Traufe und leicht
geschwungenem Pyramidendach. Den Turmschaft erhöhte man durch einige
Lagen Ziegelmauerwerk. Das Kircheninnere wurde neu ausgestattet und
erhielt eine flache Putzdecke mit profiliertem Holzgesims.
Ergänzungen des 19. Jh. (wohl um 1864) sind das steilspitzbogige
Westportal mit abgestufter Ziegellaibung, die Turmtreppe und der jetzige
Emporenzugang (dazu Scheitel des alten Bogens auf der Ostseite der
Turmhalle durchbrochen). Die neuen Türen erhielten aufwendige Beschläge.
Weitere Instandsetzungsarbeiten erfolgten 1912-13. 1959 wurde unter der
Empore ein Gemeinderaum (Winterkirche) abgetrennt (a), 1968 das
Kircheninnere renoviert, 1997 die Dächer erneuert.
Ausstattung
Altar und Kanzel. 18. Jh. Hinter dem gemauerten Altar mit hölzerner,
profilierter Deckplatte an der Ostwand die Kanzel; Wandungen des
polygonalen Korbes durch Zierfelder belebt; Schalldeckel mit flachem,
kuppelartigem Abschluss.
Taufe. Hölzerner Taufständer mit einfacher Messing-Taufschale.
Orgel. 1788/89 vom Berliner Orgelbauer Ernst Marx (a); Anstrich und
Vergoldung 1797 durch Tischlermeister Schmargow. Reparaturen 1835 und
1841 von Johann Friedrich Turley aus Treuenbrietzen, 1891 von Albert
Hollenbach aus Neuruppin (a), 1983 durch Ulrich Fahlberg. Dreiteiliger, in
die Empore eingebundener, vorschwingender Prospekt mit erhöhtem
Mittelteil, verziert mit Schnitzwerk in barocken und frühklassizistischen
Formen, u.a. Urnen auf den seitlichen Abschlussgesimsen.
Westempore. 18. Jh. Dreiseitig auf eckigen Holzstützen, die Brüstung durch
Zierfelder belebt. Die Längsseiten (Verlängerung nach Osten) nach Planung
von 1864 (a) ausgeführt in Anpassung an den alten Bestand bzw. unter
Verwendung von alten Teilen; die ebenfalls erwogene Zurücksetzung der
Orgel unterblieb.
Predigerstuhl. 18. Jh. An die Kanzelstiege anschließend. Geschlossenes
Kastengestühl, die Brüstung mit Zierfeldern besetzt; ein ähnliches Gestühl
auf der Südseite (Patronatssitz ?).
Gemeindegestühl. 18. Jh. Zum Mittelgang offenes Kastengestühl, Brüstung
mit Zierfeldern, Türen mit Beschlägen.
Gedenktafel für die Gefallenen des Ersten Weltkriegs. Holztafel. In der
Vorhalle.
Bronzeglocke. Spätmittelalterlich; mit Inschrift »o rex glorie...«.
Die Vielitzer Kirche ist ein charakteristisches Beispiel für einen kleinen
spätgotischen Kirchenbau (vgl. die geräumige Herzberger Kirche),
ausgezeichnet durch den östlichen Blendengiebel und den massiven
Westturm. Dieser ist auf eine für die Entstehungszeit typische Weise ins
Schiffsdach eingebunden. Das Innere lebt von der gut erhaltenen
Ausstattung des 18. Jh. Hauptstück ist die Marx-Orgel mit ihrem
geschmückten Prospekt, eines der wenigen alten Orgelwerke im
Bearbeitungsgebiet.
Quellen: BLDAM, Altakten IfD, Nr. 04/11/64; BLHA, Pr. Br. Rep. 2 A II,
Ruppin, Nr. 2716-2720 (1831-1938, Orgel 1788-1926); LABB Best. 3/1164,
Nr. 44.13; KA OPR, Nr. 461 (1902) mit Grundrissen und Schnitten (um
1864).
Literatur: Inventar 1914, S. 346f. u. Abb. 327-329; Drescher 1969
(Erfassungskartei BLDAM); Enders 1970, S. 274; Kurztopographie 1978, S.
243; Dehio 2000, S. 1076.