Denkmaltopographie Ostprignitz-Ruppin, Bd. 13.2, 2003, S. 437 ff.

Der spätgotische Kirchenbau steht im Zentrum des Dorfs auf einer Anhöhe,
eingebunden in die nördliche Gehöftreihe. Westlich vor dem Kirchturm steht
eine alte Eiche. Der umgebende Kirchhof wird nicht mehr belegt. Auf der
Fläche sind Reste der ursprünglich sich kreuzenden Fichtenalleen erhalten.
Nördlich der Kirche befindet sich das Kriegerdenkmal für die im Ersten
Weltkrieg Gefallenen mit einer seitlich davon
gepflanzten Hängeesche.
Zühlen ist bis heute Mutterkirche (erwähnt 1541) mit Tochterkirchen in
Zechow (schon 1541), Braunsberg (schon 1581, 1602), Linow (wohl ab
1839) und Schwanow (seit 1937). Außerdem sind zahlreiche kleine Orte
eingekircht (Basdorf, Binenwalde, Boltenmühle, Gühlen-Glienicke,
Kunsterspring, Neuglienicke, Rheinsberg-Glienicke, Steinberge). Zühlen war
mit zwei Pfarrhufen ausgestattet (1541) und gehörte zur Superintendentur
Lindow-Gransee, seit 1930 zum Kirchenkreis Ruppin. Das Patronatsrecht
hatte das Nonnenkloster Lindow, nach der Reformation der Landesherr bzw.
Fiskus.
Es handelt sich um einen 19,8 x 10,6 m großen rechteckigen Saalbau aus
Mischmauerwerk mit nach Osten abgewalmtem Satteldach mit
Biberschwanzziegeln (Kronendeckung) und vor der Westseite stehendem,
gedrungenem Turm, einer verbretterten Fachwerkkonstruktion.
Wann die jetzige Dorfkirche errichtet wurde, ist unbekannt; sicher nicht erst
1686, wie mitunter vermutet wurde. Diese Jahreszahl auf der ehemaligen
Wetterfahne dürfte sich vielmehr auf den Bau des Turms beziehen. Das
Mischmauerwerk des Schiffs aus regellos versetzten gespaltenen Findlingen
ganz unterschiedlicher Größe, Ziegelbruch und orangeroten, 28,5-29 x 14-
14,5 x 9 cm großen Backsteinen weist ins Spätmittelalter (Ende 15. oder
frühes 16. Jh.). Backsteine wurden für die sorgfältigen Gebäudeecken sowie
für die Laibungen der Öffnungen verwendet. Da sich die ursprünglichen
Fenster an Stelle der größeren barocken befanden, ist ihre Form nicht mehr
zu ermitteln. Vorhanden sind aber teilweise noch Reste der Laibungen, auf
der Ostseite die linke beim südlichen und die rechte beim nördlichen
Fenster, auf der Nordseite jeweils die rechte beim mittleren und östlichen
Fenster, auf der Südseite Spuren der rechten des westlichen Fensters.
Erhalten sind außerdem die Portale mit flachbogigen Türöffnungen, beim
Hauptportal auf der Südseite in einer Spitzbogenblende, bei der
Priesterpforte im Osten der Nordseite (vermauert) in rechteckiger Blende,
außerdem das jetzt aus der Turmhalle ins Schiff führende Westportal.
Die Kirche besitzt noch ein altertümliches Dachwerk mit auf Gehrung
versetzten Sparren, eingezapften Kehlbalken, angeblatteten weiten
Kreuzstreben sowie einem Windverband auf der Nordseite aus Riegeln
zwischen den Sparren und langen übergeblatteten Schrägstreben. Die drei
östlichen Gebinde fielen der späteren Abwalmung des Dachs zum Opfer (die
Abbundzeichen beginnen mit »vier«). Das Dachwerk könnte auf die Bauzeit
der Kirche zurückgehen oder im Zusammenhang mit einer ersten
Erneuerung nach der Reformation entstanden sein. Aus dieser Zeit stammt
der Westgiebel des Schiffs, eine gitterartige Fachwerkkonstruktion mit
Firstsäule und Ziegelausfachungen. Darin befinden sich zwei kleine
Rundöffnungen. Ihre geputzte Rahmung war mit aufgemalten roten
Fugenstrichen akzentuiert. Die Ziegel der Ausfachungen sind zu
geometrischen Mustern versetzt. Parallelen für solche Giebelgestaltungen
weisen ins späte 16. Jh. Das vom Schiffsmauerwerk deutlich abweichende
Ziegelformat (nur ca. 26,5 x 7 cm) deutet auf die spätere Entstehung des
Giebels. Dieser wurde auf die von einem Wasserschlag aus Flachziegeln
(Reste erhalten) abgeschlossene ältere Westmauer gesetzt.
Der Westturm ist eine eigenständige, außen verbretterte querrechteckige
Fachwerkkonstruktion auf Feldsteinsockel. Sein Unterteil (6,46 x 10,46 m)
besitzt eine Breite, die annähernd dem Schiff entspricht. Während die Seiten
durch etwas unterhalb der Schiffstraufe ansetzende Pultdächer
abgeschlossen werden, entwickelt sich der Mittelteil zu einem quadratischen
Turmschaft mit Pyramidendach. Für den Bau des Turms, wohl 1686
vollendet, wurden auch ältere Hölzer wiederverwendet. Zur Festigung des
Fachwerks tragen teilweise geblattete Riegel und aufgeblattete schräge
Streben bei, an den Ecken als »halbe Männer« ausgebildet. Im nun
verdeckten Ziergiebel des Schiffs entstand ein Türdurchbruch zum
Dachboden (vgl. Zapflöcher ehemaliger Riegel). Auf eine barocke
Erneuerung der Kirche im 18. Jh. gehen die großen Flachbogenfenster
zurück, je drei auf den Längsseiten und zwei im Osten; vielleicht auch die
östliche Abwalmung des Dachs (Hölzer dicker und weniger sorgfältig
bearbeitet als beim alten Dachwerk). 1838/39 erfolgte eine Renovierung
durch Zimmermeister Holm aus Zechlin, Maurermeister Seifert und
Tischlermeister Gerber, beide aus Rheinsberg. Dabei wurden schadhafte
Stellen des Mauerwerks erneuert, die Traufgesimse aus Ziegeln gemauert,
die Fenster etwas verlängert, der Turm stabilisiert, mit neuem
Feldsteinsockel versehen sowie dessen Verbretterung erneuert, im Inneren
neue Emporen eingebaut und dafür zwei Zugänge von der Turmhalle her
angelegt, schließlich der Kanzelaltar erneuert (Treppe), Ziegelfußboden
verlegt und das Gestühl neu geordnet (a). Bei der Renovierung unter
Kirchenbaurat Wendland 1960 wurde der flachgedeckte Innenraum
leergeräumt; u.a. der barocke, im 19. Jh. veränderte Kanzelaltar und die
Seitenemporen entfernt (a). 1993 fand eine Instandsetzung des Inneren
ihren Abschluss. Auch die Turmverbretterung wurde damals erneuert.
Ausstattung
Altar. Steinerner Unterbau mit hölzerner Deckplatte.
Kanzel. 18. Jh. Der polygonale Korb, letzter Rest des 1960 entfernten
Kanzelaltars, damals zu einem Lesepult umgearbeitet. Marmorierende
Bemalung und einfache Rechteckfelder mit Bibelsprüchen.
Taufe. 18. Jh. Holz, achteckig. 1993 wieder aufgestellt.
Taufstein. 1960. Abgestellt in der Turmhalle.
Orgel. 1886 von Albert Hollenbach aus Neuruppin (a); 1980 repariert durch
Ulrich Fahlberg. Dreiteiliger Prospekt in Neorenaissanceformen, die
rundbogigen Öffnungen durch toskanische Halbsäulen und Gebälk gerahmt.
Westempore. 1838 (a). Profilierte achteckige Holzstützen mit Kapitellen.
Gedenktafel für Gefallene 1813 und 1814 aus Zühlen und Rheinsberg-
Glienicke. Einfache Holztafel. Abgestellt auf der Empore.
Gedenktafel für Gefallene 1914/15. Holztafel mit geschnitzter Zierrahmung.
Turmhalle.
Bronzeglocke. 1833 von E. L. W. Thiele aus Berlin (i); Akanthus- Zierfries.
Gusseisenglocke. 1921 von Ulrich und Weule, Apolda-Bockenem (i).
Sowohl durch ihr Alter als auch auf Grund ihres hervorgehobenen Standorts
auf einer Anhöhe ist die Dorfkirche das markanteste und wichtigste Bauwerk
in Zühlen. Bemerkenswert ist das alte Dachwerk. Die sorgfältige und
zierliche Konstruktion ist eine der wenigen aus dem Spätmittelalter, die sich
in der Region bewahrt haben. Von herausragender baugeschichtlicher
Bedeutung ist schließlich der alte Westgiebel des Schiffs, ein sonst im Land
nur noch selten erhaltenes Beispiel für aufwendiges Zierfachwerk der
Renaissance mit Ausfachungen aus Ziegeln, die zu Mustern versetzt sind.
Quellen: BLDAM, Altakten IfD, Nr. 04/11/77; BLHA, Pr. Br. Rep. 2 A II,
Ruppin, Nr. 2993 (Bau und Unterhalt der Kirche 1792-1900), Nr. 2994 (1905-
15) u. Nr. 2995 (Orgel 1859-1910); KA OPR, Nr. 470 (Grundriss und
Dachkonstruktion 1906).
Literatur: Inventar 1914, S. 407f.; Drescher 1969 (Erfassungskartei BLDAM);
Enders 1970, S. 316; Kurzinventar 1978, S. 247 (knapp); Dehio 2000, S.
1173; Geschichte der Kirche (Infotafel in der Kirche).