Denkmaltopographie Barnim, Bd. 5.1, 1997, S. 42 ff.

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Die Pfarrkirche steht südwestlich des Markts und beherrscht durch ihre
erhöhte Lage die Altstadt von Eberswalde. Sie war ursprünglich vom
Kirchhof umgeben, den eine bereits 1790 abgetragene Mauer abschloß.
Noch 1393 wird allein die Jungfrau Maria als Patrozinium genannt.
Ursprünglich gehörte Eberswalde kirchlich zu Heegermühle (Finow), 1294
und 1300 wird es selbst als Pfarre erwähnt, danach jedoch wiederum als
Tochterkirche von Heegermühle. Diese umstrittene kirchenrechtliche
Situation wurde durch bischöfliche Weisung 1316/17 beendet. Seither blieb
Eberswalde Pfarre; bis 1855 mit Heegermühle als Tochterkirche. Das
Patronatsrecht kam 1340 an das Nonnenkloster Zehdenick, war 1375 wieder
landesherrlich, um 1383 dem Kloster Zehden bestätigt zu werden. 1538
übertrug es Kurfürst Joachim II. dem Rat. Die im Mittelalter mit mindestens
zehn Altären ausgestattete Eberswalder Pfarrkirche gehörte zur Sedes
Bernau und ist seit 1574 Inspektion bzw. Superintendentur, seit 1973 Sitz
von einer der vier Generalsuperintendenturen (Sprengel) der Evangelischen
Kirche in Berlin-Brandenburg.
Baugeschichte
Noch immer sind wichtige Fragen zur Baugeschichte der Eberswalder
Pfarrkirche nicht geklärt bzw. in der Forschung umstritten. Zwei bei einer
Reparatur 1726 im Hauptaltar gefundene Wachsbilder mit einer
Mariendarstellung bzw. einem Bild des Brandenburger Bischofs Rutger von
Kerkow (1241-51) wurden wiederholt mit einer Kirchenweihe in Verbindung
gebracht. Für die Annahme, Teile des bestehenden Baus gingen noch auf
das mittlere 13. Jh. zurück, fehlen aber eindeutige Befunde, zumal bislang
keine bauarchäologischen Untersuchungen stattfanden. Vielleicht bezieht
sich der Fund auf die Altarweihe in einem Vorgängerbau. Die Überlegung,
der Bau könnte mit dem von den Askaniern in den Neuen Landen der
Diözese Brandenburg geplanten exemten Stift in Verbindung stehen,
erscheint zweifelhaft, denn dieses Projekt hatte sich spätestens 1237 mit
Beilegung des Zehntstreits zwischen Markgrafen und Bischöfen endgültig
erledigt. Für Eberswalde als geplanten Standort gibt es auch keinerlei
Hinweise, eher könnte die 1231 zum Stift Gottesstadt erhobene
Prämonstratenser- Niederlassung in Oderberg damit in Zusammenhang
stehen. Vorhandener Baubestand und historische Umstände machen es
wahrscheinlich, daß die Eberswalder Kirche im späten 13. Jh., um
1284/1300, errichtet wurde. Der offensichtlich einheitlich geplante, aber
abschnittsweise ausgeführte Bau (vgl. z.B. abweichende Tonplattenfriese an
Langhaus und Chor), eine dreischiffige Basilika mit einschiffigem, polygonal
geschlossenem Chor und Westturm, lehnt sich unmittelbar an die ab etwa
1273 entstehende Choriner Klosterkirche an. Vergleichbar sind das 7/12-
Polygon, die rasche Folge der schmalen, querrechteckigen
Mittelschiffsjoche, die Tonplattenfriese, die zierlichen, stabartigen
Profilierungen der Portale bzw. Dienste und nicht zuletzt das technisch
außerordentlich sorgfältige Backsteinmauerwerk. Verzichtet wurde auf ein
Querhaus, wie es große Kloster- und Stiftskirchen auszeichnet; dafür erhielt
die Eberswalder Pfarrkirche einen mächtigen Turm und Portale mit
figürlichem Schmuck, beides Elemente, die für einen Zisterzienserbau, und
sei er so aufwendig wie Chorin, auch in einer Zeit der Aufweichung
ursprünglicher Ordensvorschriften nicht in Frage kamen. Auch die meist als
Argument für eine Frühdatierung herangezogenen Mittelschiffspfeiler lassen
sich mit Chorin sowie anderen Bauten der zweiten Hälfte des 13. Jh.
Vergleichen (z.B. Franziskanerkirche Berlin und Pfarrkirche St. Marien in
Greifswald). Hinweise auf die Entstehungszeit sind neben den Bauformen
Stiftungen Markgraf Albrechts III. für tägliche Messen zum Seelenheil des
Fürstenhauses an drei bereits vorhandenen Altären im Jahre 1294 und von
zwei neuen Altären 1300 sowie die ins späte 13. Jh. zu datierende
Bronzetaufe. Der aufwendige Kirchenbau fällt genau in jene Zeit, als sich
Eberswalde dank landesherrlicher Förderung zur bevorzugten Stadt in der
Region entwickelte. Damals erhielt sie das endgültige Straßennetz und
wurde vollständig bebaut, die Ratsverfassung bildete sich heraus (1300
erwähnt), die Stadt wurde wirtschaftlich privilegiert (1306 Zollbefreiung in der
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Mark) und bekam ihre Ummauerung. Hintergrund war der Ausbau zum
Mittelpunkt einer 1284 durch Landesteilung entstandenen askanischen
Teilherrschaft Markgraf Albrechts III. Mit der besonderen landesherrlichen
Förderung dürfte auch die gegenüber anderen Pfarrkirchen aufwendige
Gestalt (Basilika, Figurenportale, Turm) zu erklären sein. Möglicherweise
sollte der Kirchenbau auch im Streit mit Heegermühle den Anspruch auf eine
eigene Pfarre in der aufblühenden Stadt im wörtlichen Sinne »untermauern«.
Unklar sind der Zeitpunkt der Vollendung sowie die Datierung verschiedener
Umbaumaßnahmen. Nach unsicherer Überlieferung soll die erste Kirche
1333 abgebrochen und neu errichtet worden sein. Die mittelalterliche Quelle
dieser Nachricht ist nicht bekannt; vielleicht zeigt das Jahr lediglich den
endgültigen Abschluß der Arbeiten an. Bereits im mittleren 14. Jh. scheinen
die Chorkapellen erhöht worden zu sein, denn 1359 stattete der Kaland die
Obergeschosse mit Altären aus. Möglicherweise geschah dies auch zu
verschiedenen Zeiten, denn Nord- und Südseite weichen im Detail
voneinander ab (Fensterlaibungen beim südlichen Obergeschoß reicher
profiliert als bei den älteren Bauteilen der Kirche, beim nördlichen Anbau
jünger wirkende, gedrückt spitzbogige Fenster). 1370 fanden Arbeiten am
Turm statt (Hospitäler St. Georg und Heiliggeist stellten zu dessen Bau Geld
zur Verfügung). Beim Stadtbrand 1499 wurden Turm, Glocken, Orgel und
Sparrwerk der Kirche beschädigt. Auf die sofortige Wiederherstellung weisen
in die Jahre um 1500 (d) datierte Hölzer von Glocken- und Dachstuhl. Als
Krönung des Wiederaufbaus erfolgte 1518 mit landesherrlicher
Unterstützung der Guß der berühmten Barbaraglocke. Wahrscheinlich waren
die Beschädigungen Anlaß für einen grundlegenden Umbau der Kirche
1502-03. Vermutlich erhielt das Langhaus bereits damals durch Erhöhung
der Arkaden und der äußeren Seitenschiffsmauern sowie das
Hinunterziehen des Hauptdachs auf die Seitenschiffe die Gestalt einer
Pseudobasilika mit unbelichtetem Obergaden. In diesem Zusammenhang
wurden die Seitenschiffsgewölbe zerstört, die Obergadenfenster vermauert
und äußerlich eine einheitliche Trauflinie unter Einschluß der Choranbauten
hergestellt. Dieser Umbau wird in der Forschung teilweise auch erst ins Jahr
1726 datiert; damals scheinen jedoch lediglich Reparaturen stattgefunden zu
haben. Charakteristisch sind derartige räumliche Veränderungen eher für
das Spätmittelalter (vgl. die Pfarrkirchen St. Marien in Altlandsberg/ Barnim
und Friedeberg/ Neumark). In den folgenden Jahrhunderten kam es nur zu
kleineren Renovierungsarbeiten, so 1566 (dabei Erneuerung der Ausmalung,
Einbau von Kanzel und Emporen), 1627, 1645 und 1780, am Turm 1674,
1745, und 1793. Umfassender waren die Veränderungen 1726-28; Inneres
und Äußeres wurden mit Ausnahme des Turmes vollständig geweißt, im
Schiff große Rechteckfenster eingebrochen sowie Bänke, Kanzel und die
verschiedenartigen Emporen neu geordnet, die im Laufe des 16. bis 18. Jh.
für Rat, Schüler, bestimmte Gewerke, Hammermeister und Adelsfamilien
errichtet worden waren (Emporen nun in je zwei Etagen angeordnet,
teilweise über die Pfeiler ins Mittelschiff vortretend). Nachdem
Restaurierungspläne von 1844 und 1853 durch den Konservator der
Kunstdenkmäler, Ferdinand von Quast, abgelehnt worden waren, kam es
erst 1874-76 zu einer umfassenden Erneuerung der Kirche unter Oberleitung
von Hermann Blankenstein. Die Ausführung übernahmen der Oberbarnimer
Kreisbaumeister Düsterhaupt aus Freienwalde und Kondukteur Reimer aus
Berlin. Wahrscheinlich gehen die Arbeiten auf ein Projekt des Jahres 1864
von Friedrich August Stüler zurück. Es mußte ein Kompromiß gefunden
werden zwischen der angestrebten Wiedergewinnung der basilikalen Gestalt
und der Bereinigung von späteren Veränderungen einerseits und der
Forderung nach Beibehaltung von Emporen andererseits. Dazu wurden die
unter den abgeschleppten Dächern erhaltenen Obergadenfenster geöffnet,
die Firstlinien der Seitenschiffsdächer wiederhergestellt, die flachbogigen
Arkaden zu gestelzten Spitzbögen umgestaltet sowie Fenster und
Plattenfriese erneuert. Um die Emporen unterbringen zu können, erhielten
die Seitenschiffe sehr flach geneigte Pultdächer und zum Mittelschiff hin
ansteigende neue Gewölbe. Hofmaler H. Eilers besorgte die Neuausmalung.
Die alte Ausstattung (zahlreiche, teilweise mittelalterliche Gemälde und
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Schnitzarbeiten, barocke Kanzel) wurde zu großen Teilen beseitigt und
durch eine einheitliche neogotische Ausstattung mit umlaufenden Emporen
ersetzt. Äußerlich bereicherte man die Kirche durch einen neuen Turmhelm
(wohl von Stüler entworfen) sowie Ziergiebel in Choriner Formen über den
Chorkapellen und den westlichen Enden der Seitenschiffe. Zutaten sind
darüberhinaus das runde Treppentürmchen am nördlichen Chorbeginn
sowie die Gewölbe der Seitenschiffe und der Turmnebenräume. 1926-27
kam es zum Einbau einer Luftheizung. Nach Beschädigungen während des
Zweiten Weltkriegs erfolgten 1951 Instandsetzungsarbeiten an Dach,
Mauerwerk, Fenstern und Ausstattungsstücken. 1976-77 wurden die
Nischen im Chorpolygon freigelegt, das Kircheninnere neu gefaßt und die
Wandmalereien restauriert, 1992-93 das Äußere instandgesetzt.
Beschreibung
Dreischiffige, kreuzrippengewölbte Backsteinbasilika mit einschiffigem, in
sieben Seiten eines Zwölfecks schließendem Chor sowie stattlichem,
querrechteckigem Westturm in Mittelschiffsbreite mit Portalvorhalle. Die vier
Mittelschiffsjoche deutlich querrechteckig, im Chor zwei breitere Joche, die
Seitenschiffsjoche des Langhauses quadratisch. Der Turm wird im Norden
und Süden von Seitenräumen in Fortsetzung der Seitenschiffe begleitet, der
Chor durch dreijochige, zweigeschossige Anbauten auf beiden Seiten
ebenfalls auf Schiffs- breite gebracht. Dadurch ergibt sich ein rechteckiger
Umriß, aus dem nur das Chorpolygon und die westliche Vorhalle
heraustreten. Die Gesamtlänge der Kirche beträgt 44 m, die Breite 22,5 m,
die Mittelschiffshöhe 14,5 m. Chor in seiner mittelalterlichen Gestalt fast
unverändert erhalten (vgl. Ansicht von 1833), die Polygonseiten weitgehend
geöffnet in schlanken Spitzbogenfenstern zwischen einfachen Strebepfeilern
mit Wimpergabschluß. Fenstergewände durch Doppelfasen profiliert, die
Fenster zweibahnig mit Maßwerk (teilweise verändert). Unter der Traufe
umlaufender, mit stilisierten Lilien versehener Tonplattenfries, der sich am
Mittelschiff des Langhauses fortsetzt. Auch über dem Erdgeschoß der
Choranbauten auf der Ostseite solche Friese, beim nördlichen Anbau
darüber Zackenfries und ansteigende Spitzbogenblenden. Die
Obergeschosse der Anbauten mit großen Maßwerkfenstern und
abschließendem Plattenfries später aufgesetzt. In diesem Zusammenhang
auch die Strebepfeiler entstanden (Abschlüsse im 19. Jh. verändert); sie
verdecken teilweise die alten Öffnungen, beim Südanbau
Dreifenstergruppen (in ihrer jetzigen Form fast ganz erneuert), beim
nördlichen in der jetzigen Form neue Biforien mit Okulus darüber. Die
Ziergiebel mit Wimpergabschlüssen und Fialen von der Erneuerung ab 1874
(zuvor mit Schleppdächern). Langhaus nach eingreifenden Veränderungen
jetzt ebenfalls durch die damalige Erneuerung geprägt mit
Spitzbogenfenstern, die entsprechend der Emporenanlage im Inneren in
zwei Etagen angeordnet sind. Die Seitenschiffe damals nach Westen
ebenfalls durch Ziergiebel bereichert. Aus der Bauzeit erhalten die
reichgestalteten spitzbogigen Portale auf der West-, Nord- und Südseite mit
Gewänden aus Rund- und Birnstäben; bemerkenswert durch die figürliche
Bauplastik der Kämpferzone in Terrakotta. Beim Nordportal (zweites Joch
von Westen) die klugen und törichten Jungfrauen; beim gegenüber
liegenden Südportal rechts tierische, links menschliche Gestalten und
Blattwerk, hier zusätzlich plastische Rosetten und Sterne an den Archivolten.
Noch aufwendiger die in die Turmhalle führende westliche Portalanlage mit
Vorhalle; inneres Portal mit Darstellungen aus der Passion Christi, äußeres
mit darauf bezugnehmenden Szenen (u.a. Isaak-Opfer, Verkündigung an
Maria, Anbetung der Hirten, einzelne Apostel und erster Märtyrer
Stephanus). Die Dienststümpfe seitlich der Portale deuten auf eine
ursprünglich geplante reichere Gestaltung der umgebenden Wandfelder.
Ganz einfach ist das Spitzbogenportal des Südanbaues, reicher das innere
Portal zum Chor. Bis auf die Spitze blieb der Turm in seiner mittelalterlichen
Gestalt bewahrt. Er wird gegliedert durch verschiedenartige Blenden, die
teilweise die lanzettförmigen Öffnungen überfangen; im reicher gestalteten
Glockengeschoß Zwillingsöffnungen, begleitet von Blenden mit
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Zwillingsbogenabschlüssen. An Stelle des steilen, von einem Dachreiter
bekrönten Vollwalmdaches seit 1874 achtseitiger Aufbau mit massivem
Spitzhelm und durch Brüstungen und Fialen begrenzten Austritten an den
Ecken. In den vier Himmelsrichtungen wimpergbekrönte Vorsätze mit den
Uhr-Zifferblättern. Turminneres in sechs Etagen unterteilt. Verbindung über
Treppen innerhalb der sehr starken Westmauer, unten mit geraden Läufen,
oben gewendelt. Zwischen den Treppen wurde in der Westwand ein
vermutlich als Schatzkammer dienender Raum mit spitzbogiger
Tonnenwölbung ausgespart. In den oberen Etagen Räume mit
Holzbalkendecken und reichgestalteten Holzstützen mit abgefasten Ecken,
Basen und Kapitellen. Der aufwendige hölzerne Glockenstuhl des 15. Jh.
wurde nach dem Brand 1499 erneuert (d), einer der letzten großen
brandenburgischen Glockenstühle des Mittelalters, die erhalten blieben, eine
Zweifelderanlage in Bockstrebenkonstruktion mit verblatteten Hölzern.
Langhaus im Inneren mit kräftigen, in ihrer Form differenzierten
bündelartigen Pfeilern. Kämpfer mit figürlichem Schmuck, Tierdarstellungen,
Ranken- und Blattwerk von teils altertümlicher, teils modernerer
Formensprache (auf der Südseite 1874 erneuert). Darüber ansetzend die
dünnen Runddienste. Jetziges Erscheinungsbild des Langhauses geht vor
allem auf den Umbau 1874-76 zurück. Damals Obergaden wieder geöffnet;
die nachträglich erhöhten Arkaden beibehalten und nur in ihrer Bogenform
verändert; älter die Fensternischen an den Außenwänden der Seitenschiffe.
Chor vom Langhaus durch breiten Gurtbogen geschieden. Im Chor auf
blattwerkgeschmückten Konsolen Runddienste zur Vorbereitung der
Wölbung und spitzbogige Nischen unter den tief hinunterreichenden
Fenstern. Die Choranbauten haben im Erdgeschoß Kreuzgewölbe mit
Birnstabrippen über Konsolen (Blattwerk bzw. einfach tütenförmig). Auf der
Nordseite die alte Sakristei (jetzt Heizungsraum), darin Wandschränke für
die Abendmahlsgeräte mit gotischen Beschlägen; im Süden sog.
Brautkapelle, hier Portal zum Chor mit Rundstäben, Scheitelblume und
blattwerkgeschmückter Kämpferzone. Obergeschosse der Anbauten jeweils
durch zwei spitzbogige Arkaden zum Chor geöffnet, darüber Blendfenster.
Wandmalereien des frühen 16. Jh. im Obergeschoß des Nordanbaues,
monumentale Christophorusfigur im rechten Gewände der östlichen Arkade
sowie vegetabile Motive (Knospen, Blüten, Blätter) auf den Gewölbekappen,
restauriert 1976. Reste weiterer Wandmalereien 1875 am Ostende des
südlichen Seitenschiffs und an Seitenwänden der Obergeschosse der
Anbauten entdeckt (Kreuzigungsdarstellung an der Ostwand des jetzigen
Treppenaufgangs der Südkapelle). Die Dachwerke aus dem Mittelalter über
Mittelschiff und Chor erhalten, ausgebildet als abschnittsweise verschiedene
Kehlbalkendächer mit geringen Sparrenabständen, bis auf das Chorpolygon
durchweg verblattet. Im Westteil weite Kreuzstreben und Sparrenknechte;
nach etwa einem Drittel wechselt die Konstruktion, nun doppelt stehender
Stuhl mit Steigbändern (zwischen Kehl- und Dachbalken) in Querrichtung,
Längsriegeln in halber Höhe zwischen den Stuhlsäulen und langen
Kopfbändern in Längsrichtung (Nordseite) bzw. Langstreben (Südseite);
Ostteil zusätzlich mit Hahnenbalken, auch hier Sparrenknechte.
Ausstattung
Altaraufsatz. 1606 (i); 1605-06 errichtet auf Befehl Kurfürst Joachim
Friedrichs; 1876 restauriert. Bedeutendes Werk der Spätrenaissance mit
protestantischem Bildprogramm. Reicher dreigeschossiger, architektonischer
Aufbau über Predella; Holz, mit erhaltener ursprünglicher Polychromie;
Säulenaufbauten mit Muschelnischen, Schnitzfiguren, Reliefs und reichem
Beschlagwerkdekor. In der Predella Abendmahl, im Hauptgeschoß
Rundbogennische mit Kreuzigung Christi, auf der Rückwand der Nische
Namen der Altarstifter, im Aufsatz von doppelten Säulen flankierte
Rundbogennische mit Auferstehung Christi, über dem Gebälk Giebeldreieck
mit Dreieinigkeitssymbol, oberste Zone Jüngstes Gericht (Auferweckung der
Toten), abgeschlossen mit halbkreisförmigem Giebel, auf dem Christus als
Weltenrichter thront; die Hauptszenen jeweils begleitet von Propheten- und
Apostelfiguren.
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Kanzel. 1876, neogotisch.
Bronzetaufe. Vermutlich letztes Viertel 13. Jh., wohl Stiftung der askanischen
Markgrafen. Pokalform, getragen von drei Männerfiguren mit Judenhüten,
am Schaft kräftiger Wulst in der Mitte, an der Kuppa zwei Schriftbänder
sowie Fries aus Wappenschilden mit brandenburgischen Adlern, am Fuß
weitere Wappen, Rosetten sowie münzartige Medaillons, u.a. mit
Kreuzigungsgruppe.
Orgel. 1781-83 vom Berliner Orgelbaumeister Ernst Marx; 1876 renoviert
und mit neuem Gehäuse versehen; verschiedene Umbauten durch die
Eberswalder Orgelbauanstalt Kienscherf, 1925 durchgreifende Erneuerung
des Werks, das nun elektrischen Antrieb erhielt; nach 1945 überholt durch
die Firma Eule aus Bautzen; neogotischer Prospekt von 1876.
Kruzifixus. Christus als Schmerzensmann und Hl. Martin. Schnitzfiguren
eines Retabels. Um 1500. Im Chor.
Marienglocke. 1502 gestiftet von Kurfürst Joachim I. (i). Bronze. Ehem. die
Tauf- oder Schulglocke.
Barbaraglocke. Siehe Kirchstraße
Zwei Glocken. 1769 gegossen von Friedrich G. Körner. Bronze. Aus der
Pfarrkirche Küstrin.
Opferkasten. Wohl spätmittelalterlich; Hausform, mit kräftigen Beschlägen.
Gestühlswangen. Frühes 17. Jh., Spätrenaissance. Im Chor.
Emporenbrüstungen. An den Öffnungen der Obergeschosse der
Choranbauten. Frühes 17. Jh., Spätrenaissance, wohl zur Zeit des Altars. Im
Gegensatz zu den übrigen Emporen der Kirche wegen der
»ausgezeichneten Schnitzarbeit« 1875 nicht beseitigt.
Grabstein der Anna Rochs. 1590. Außen an der Südseite des Langhauses;
Sandstein; Relief des toten Kleinkindes, verwittert.
Epitaph für Johann Fuchs († 1670) und Ehefrau († 1684). Großer
Inschriftenstein; Kalkstein.
Epitaphien für Generalmajor Joachim Christian Friedrich von Itzenplitz (†
1766) und Ehefrau Victoria Sophia, geb. von Redern († 1764).
Inschriftensteine mit reicher plastischer Rahmung, wappenhaltende Putti,
gesprengter Giebel, Bekrönung durch Urne, unten Totenkopf mit
Lorbeerkranz. Sandstein.
Gedenktafel für die Gefallenen des Ersten Weltkriegs. Metallplatte.
Südempore.
Wandnische mit Gedenkbuch für die Gefallenen des Ersten Weltkriegs. Tür
mit neogotischer Verzierung. Chornordwand.
Bedeutung
Die Maria-Magdalenen-Kirche ist nicht nur das wichtigste Gebäude aus den
älteren Phasen der Geschichte Eberswaldes und städtebaulich
herausragender Blick- und Orientierungspunkt, sie gehört auch zu den
bedeutendsten hochgotischen Stadtpfarrkirchen der Mark Brandenburg.
Insbesondere der Chor zeichnet sich durch seine edle Raumwirkung aus.
Als Basilika in sorgfältigem Backsteinmauerwerk hebt sich der Bau von den
zuvor meist üblichen, wesentlich einfacheren Feldsteinkirchen ab und belegt
die Bedeutung der Stadt als Zentrum einer askanischen Teilherrschaft seit
1284. Die Maria-Magdalenen-Kirche entstand in unmittelbarer Nachfolge der
Klosterkirche Chorin (Grundriß, Detailformen). Im Vergleich dazu wurden
zwar die Dimensionen zurückgenommen und auf ein Querhaus verzichtet,
anderer51 Altstadt seits erhielt die Eberswalder Pfarrkirche aber mit dem
mächtigen Westturm und den Figurenportalen bereichernde
Gestaltungselemente, die bei Zisterziensern nicht statthaft waren. Die
Portale auf der West-, Nord- und Südseite mit ihrem nach einem
ikonographischen Programm zusammengestellten Figurenschmuck in der
Kämpferzone sind in der Mark Brandenburg einmalig. Obwohl in der
Ausführung teilweise derb, stellen sie einen interessanten Versuch dar,
Vorbilder aus dem Hausteinbereich in gebrannten Ton umzusetzen.
Dachwerk und Glockenstuhl aus dem Spätmittelalter gehören zu den
ältesten Zeugnissen Eberswalder Zimmermannskunst. Unter den
Ausstattungsstücken ragen das Bronzetaufbecken und der prächtige,
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protestantischem Gedankengut verpflichtete Spätrenaissancealtar heraus,
Hauptwerke ihrer Gattung im Land Brandenburg. Durch die vom Berliner
Stadtbaurat Blankenstein geleitete Erneuerung, verbunden mit
Wiederherstellung der basilikalen Gestalt, geschickten Bereicherungen, der
Errichtung der längst zum Wahrzeichen gewordenen Turmspitze und der
einheitlichen, bis heute weitgehend bewahrten neogotischen Ausstattung ist
die Maria-Magdalenen- Kirche zugleich ein wichtiges Zeugnis für den
Sakralbau des Historismus und für den Aufschwung der Stadt im 19. Jh.
Literatur: Hagen 1785, S.71-74; Schadow, in: Fischbach 1786, S.8f. und v.a.
271-306; Blankenstein 1873; Bergau 1885, S.327-332; Adler II, 1898, S.58-
60; R. Schmidt, Baudenkmäler, 1911, S.23-42; Bronisch 1933, S.91; R.
Schmidt, Geschichte, Bd.1, 1939, v.a. S.388-412 und Bd.2, 1941, S.291-
298; Schmoll, Kloster Chorin, 1961, S.190-201; Bullerjahn, Rolf, 1979;
Enders 1980, S.119; Kurztopographie 1980, S.149-152; Badstübner,
Stadtkirchen, 1982, S.174f.; Lambacher 1983, S.111-115 und 308f.; Dehio
1987, S.78-80; Lambacher , Auftrag und Absicht, 1990, S.24f.; Eva Börsch-
Supan, Stüler, 1997, S.577f.