Denkmaltopographie Märkisch-Oderland, Bd. 9.1, 2005, S. 63 ff.

Die Nikolaikirche ist das einzige aus dem Mittelalter überkommene Bauwerk der
Stadt. Sie ging hervor aus einer um oder kurz nach 1250 errichteten
Feldsteinkirche und erhielt im Verlauf mehrerer Bauperioden ihre jetzige Gestalt
als zweischiffiger gotischer Backsteinbau mit zum Markt gerichtetem
Polygonalchor an der Ostseite und hoch aufragendem Turm an der
Südwestecke. Die Kirche erhebt sich städtebaulich markant auf dem höchsten
Punkt innerhalb des ältesten Teils der Stadtanlage und beherrscht das Bild des
Freienwalder Stadtzentrums. Ursprünglich war sie vom Kirchhof umschlossen,
der bis 1791 als Begräbnisstätte der Stadt diente. Von der früheren
Friedhofsnutzung sind keinerlei sichtbare Spuren überliefert.
Urkundlich erwähnt wird die Nikolaikirche erst 1414 im Zusammenhang mit einer
zu ihrem Besitz gehörenden Ziegelei. Das Patronatsrecht besaßen anfangs die
»Stadtherren«; nachweisbar seit 1369 war das die Familie von Uchtenhagen, die
das Gotteshaus während der folgenden Jahrhunderte mehrfach als Grablege
nutzte. Nach dem Ende der Uchtenhagen-Herrschaft ging das Patronat 1618 an
das kurfürstliche Amt über. Bis zur Abdankung Kaiser Wilhelms II. gehörte
Freienwalde zum Kgl. Patronatsämterkirchenverband. Geweiht ist die Kirche
dem Hl. Nikolaus, dem Schutzpatron der Kaufleute, Schiffer und Fischer. In
historischen Quellen wird mitgeteilt, dass es in der Kirche einst sieben Kapellen
mit jeweils einem Altar gab. Seit dem 14. Jh. war St. Nikolai Mutterkirche von
Altranft. 1459 gehörte die Nikolaikirche zum Bistum Brandenburg, Sedes
Strausberg (1527 kurzzeitig zu Friedland), nach der Reformation und der
Einführung einer neuen Kirchenordnung in der Mark Brandenburg dann zur
Superintendentur Wriezen. 1540 trat der erste evangelische Pfarrer seinen
Dienst in der Freienwalder Nikolaikirche an.
Baugeschichte
Eine umfassende Darstellung zur Baugeschichte der Nikolaikirche liegt bislang
nicht vor. Aus schriftlichen Quellen und Überlieferungen, die allerdings mitunter
sich widersprechende oder vom vorhandenen Bestand abweichende Angaben
enthalten, lässt sich eine Entstehung in mehreren Bauphasen annehmen. Den
Ursprungsbau bildete eine rechteckige frühgotische Feldstein-Saalkirche, deren
Errichtung überwiegend in das dritte Viertel des 13. Jh. datiert wird. Ob es zuvor
an der selben Stelle einen einfachen Vorgänger aus Holz gegeben hatte, ist
nicht bekannt. Die Feldsteinkirche entsprach in ihrer Breite etwa dem jetzigen
Hauptschiff. Von diesem bescheidenen Ursprungsbau haben sich Teile der
Umfassungsmauern an der West- und Nordseite (hier mit drei zugesetzten
Rundfenstern) erhalten.
Gegen Mitte des 15. Jh. erfolgte wahrscheinlich auf Veranlassung der Familie
von Uchtenhagen eine grundlegende Neugestaltung der Kirche zu einem
gotischen Backsteinbau. Über den genauen Umfang und den zeitlichen Ablauf
der schrittweise durchgeführten Veränderungen ist nur wenig bekannt. Es wird
vermutet, dass man mit dem Neubau des Chores begann. Eine verloren
gegangene lateinische Inschrift in Nähe des Altars verwies früher auf seine
Vollendung im Jahre 1453. Bald danach wurden die Umfassungsmauern der
alten Feldsteinkirche teilweise abgebrochen und höher als zuvor in Backstein
neu errichtet. Außerdem wölbte man das Kirchenschiff ein, was das Ansetzen
von Strebepfeilern am Außenbau notwendig machte. Die alte Ostwand wurde
durch einen Triumphbogen ersetzt; die Westwand erhielt ihren jetzt noch
vorhandenen Backstein-Schmuckgiebel. Auf der Südseite ging der damalige
Umbau mit einer geringfügigen Verbreiterung des Kirchenraums durch
Anpassen der Bauflucht an den neuen Chor einher; die alte Südwand war zuvor
abgerissen worden. Außerdem wurde vermutlich schon während dieser Phase
dem Kernbau ein zweijochiges südliches Seitenschiff angefügt.
Eine ehemals über dem Südportal des Turms vorhandene Inschrift verwies auf
den dritten wichtigen Bauabschnitt in den Jahren 1518-22. Er umfasste die
Errichtung des Turms an der Südwestecke, in dessen Unterteil man älteres
Feldsteinmaterial wiederverendete. Gleichzeitig wurde das Seitenschiff um ein
Emporengeschoss erhöht und mit einem neuen Satteldach samt Schmuckgiebel
an der Ostseite versehen. Bereits in das Vorfeld dieser Baumaßnahmen könnte
die Entstehung des kleinen, zunächst eingeschossigen Anbaus an der Westseite
datiert werden; vielleicht wurde er während der dann folgenden Baumaßnahmen
als Eingang genutzt.
1580/81 fügte man im Winkel zwischen dem Seitenschiff und der Südseite des
Chores einen rechteckigen eingeschossigen Backsteinbau mit Pultdach an, das
sog. Ratsgewölbe, das der Stadt als Archiv dienen sollte. Durch den Anbau
wurde das südwestliche Chorfenster teilweise verdeckt. 1584 setzte ein
Blitzschlag den Turm in Brand und vernichtete Spitze und Glocken. Die
Reparaturarbeiten übernahm Meister Stephan Zernickow aus Strausberg. Bei
einem weiteren Brand 1637 wurden der gesamte Turmoberteil sowie das Dach
und das Gewölbe des Hauptschiffs zerstört. Die Wiederherstellung des Turms
erfolgte erst nach dem Ende des Dreißigjährigen Kriegs im Jahre 1653 durch
die Baumeister Hans Linchen aus Wriezen und Heinrich Krüger aus
Fürstenwalde. Zu diesem Zeitpunkt soll auch das Gewölbe über dem
Hauptschiff erneuert und mit einem Netz aus derb wirkenden Stuckrippen
versehen worden sein. Ab 1665 erfolgte laut Akten eine Erneuerung des
gesamten Sparrenwerks über dem Gewölbe des Kirchenschiffs; 1667 war das
neue Hauptdach fertiggestellt. 1692 verkaufte die Stadt das von ihr kaum
genutzte sog. Ratsgewölbe an der Südseite des Chores der Kirchengemeinde,
die es durch Meister Daniel Heyder zur Sakristei umbauen ließ. Eine ältere
Sakristei hatte sich an der Nordseite der Kirche zwischen den beiden östlichen
Pfeilern des Langhauses befunden. Diese frühere Sakristei war schon 1622
teilweise abgerissen worden. Ihre Reste nutzte man 1682 als Beinhaus und ab
1689 bis zur Auflassung des Kirchfriedhofs als Erbbegräbnis für den Apotheker
Peter Gottfried Gensichen. 1717 fanden verschiedene Bauarbeiten an der
Kirche statt. Laut Quellen wurde damals u. a. eine Tür »von außen aus
durchgeschlagen« (vermutlich vom Chor zur Sakristei), der Taufstein in die
Sakristei versetzt (wo er 1879 als Tisch diente) und der Chor unter Übermalung
alter Wandbilder weiß getüncht. Eine Renovierung der Kirche unter Leitung des
Berliner Baudirektors Johann Gottfried Kemmeter 1726-30 betraf den Einbau
von Emporen »beim Altar und der Orgel«, die Erneuerung der Orgel samt
Prospekt sowie Arbeiten am Dach. Bei einer weiteren umfassenden
Instandsetzung 1845-52 wurde unter anderem die Sakristei um ein
Halbgeschoss erhöht und mit einem Portal nach dem Vorbild des
Seitenschiffsportals ausgestattet. Dieser Phase sind wohl auch mehrere der
jetzt noch vorhandenen neogotischen Holzfenster und Türblätter der
Kirchenportale zuzuordnen. 1856 sollte die gesamte Kirche einschließlich des
Turms »nach dem Vorbild der Südseite« mit einem Kalkbewurf versehen und
braun angestrichen werden, was aber unterblieb. Am 11. April 1867 brannte der
gesamte obere Teil des Kirchturms ab. Beim Wiederaufbau, der 1867/68 nach
Entwürfen des Kreisbaumeisters Theodor Düsterhaupt unter Beteiligung
regionaler Firmen ausgeführt wurde, erhielt der Turmaufsatz seine jetzige
Gestalt. 1869 teilte der Freienwalder Magistrat der Königlichen Regierung mit,
dass der Turm erneuert und »hierbei auch der übrige Teil der Kirche in den
Umfassungswänden restaurieret worden« sei. Bereits 1883 mussten laut Akten
kleinere Reparaturarbeiten am Turm durchgeführt werden, außerdem wurde
damals das Innere der Kirche geweißt, das Gestühl, die Brüstungen und das
gesamte Holzwerk mit einem neuen Anstrich versehen sowie der Altar und die
Kanzel aufgearbeitet. 1912-13 folgte eine weitere »durchgreifende« Erneuerung
des Inneren unter Leitung des Architekten Wilhelm Blaue aus Berlin-Steglitz.
Bereits 1910 hatte der damalige Provinzialkonservator Georg Büttner aus
kunsthistorischen Gründen einige der dann durchgeführten Maßnahmen
angeregt, so u. a. die Beseitigung der in den Altarraum hineinragenden Empore
an der Südseite des Chores und eine Erneuerung des »dürftigen«
Treppengeländers der Kanzel. Eine erste gründliche bauliche Untersuchung der
Kirche nahm man 1933 im Auftrag des Landesdirektors der Provinz
Brandenburg vor; über den Verbleib des daraufhin von Paul Eichholz
angefertigten Gutachtens ist bislang nichts bekannt. 1972 wurde das
Kircheninnere renoviert; zuvor waren das Gewölbe im Hauptschiff sowie die
Wände und das Gewölbe im Chor restauratorisch untersucht worden. Dabei
wurden an der Nordwand des Chores die in den Stadtchroniken erwähnten
Fragmente der 1453 entstandenen und vermutlich 1717 übertünchten
Wandmalereien freigelegt; eines der Bilder beließ man bei der anschließenden
Neuausmalung sichtbar. Die Gewölbe erhielten ihre jetzt noch vorhandene
Farbfassung, allerdings nur im Schiff entsprechend den Befunden. 1988
ermöglichte eine beträchtliche finanzielle Hilfe des Stadtkirchenverbands Essen
die Neueindeckung des Kirchendachs und kleinere Reparaturen am Dachwerk.
Damals wurden die Fialen am Westgiebel abgetragen und der Ostgiebel des
Seitenschiffs restauriert.
Baubeschreibung
Bei St. Nikolai handelt es sich um eine unter Einbeziehung von
Feldsteinwänden des Ursprungsbaus etappenweise entstandene, insgesamt
38,5 m lange spätgotische Backsteinkirche, bestehend aus Hauptschiff mit
südlich angebautem Seitenschiff, östlichem Chor mit 5/10-Schluss und
imposantem Turm an der Südwestecke sowie einer Sakristei an der Südseite
des Chores. Das Äußere des vierjochigen Hauptschiffes ist durch mehrere
Bauphasen geprägt. An der West- und Nordseite verweisen großflächige
Mauerpartien aus lagenweise versetzt angeordneten Feldsteinquadern auf den
Kernbau des 13. Jh. In den unteren Bereichen wurden hier gegen 1730
mehrere korbbogige Fenster zur Belichtung der Seitengänge unter den
Emporen eingebrochen. Von der spätgotischen Erneuerung des 15. Jh. stammt
der obere Bereich der Westwand. Hier sind, noch unterhalb des jetzigen
Giebelansatzes, die Schrägen des ehemaligen Feldsteingiebels bis fast zur
Hälfte ihrer ursprünglichen Höhe zu erkennen. Darüber folgt in
Backsteinmauerwerk das jüngere Giebeldreieck, dessen besonderen Schmuck
ein Fries (Deutsches Band) sowie in zwei Reihen angeordnete
Spitzbogenblenden bilden. Ursprünglich belebten sieben fialenartige Aufsätze
die Giebelkontur (1988 entfernt). Seitlich wird die Westwand der Kirche
begrenzt von den im Zuge des spätgotischen Umbaus angefügten schrägen
Strebepfeilern, an deren Seitenflächen punktuell eingefügte, dunkel gebrannte
Ziegel ein schmückendes Rautenmuster ergeben.
An der Nordseite des Hauptschiffs hat sich in den unteren Wandpartien
ebenfalls Feldsteinmauerwerk vom Kernbau des 13. Jh. überliefert. An den
beiden westlichen Jochen zeichnen sich darin drei zugesetzte Rundfenster mit
Feldsteinlaibungen ab. Im östlichen Joch deuten unregelmäßige
Mauerwerksstrukturen sowie eine zugesetzte Türöffnung auf die vor 1622 dort
angrenzende Sakristei hin. Ein über die gesamte Langhauswand in
unterschiedlicher Höhe verlaufendes Gesims trennt den älteren
Feldsteinbereich und das obere spätgotische Backsteinmauerwerk, das vier
spitzbogige Fenster aufweist. In ihrer Lage, Form und Gestaltung identisch sind
die beiden mittleren mit reich profilierten Laibungen. Das Fenster des östlichen
Jochs wurde nachträglich verkürzt; das Fenster des westlichen Jochs zeigt
abweichend von den anderen eine Laibung ohne Formsteine sowie eine
kleeblattförmige Innenöffnung. Zu einer nachträglichen Erneuerung gehört die
Traufzone, wie der hellere Farbton der dortigen Ziegellagen verrät. Mitbestimmt
wird das Bild des Langhauses an der Nordseite außerdem von vier einfach
gestuften Strebepfeilern, bei deren Errichtung man offenbar zugehauene
Feldsteine von zuvor abgebrochenen Wandteilen wiederverwendete.
Die Südansicht des Langhauses wird geprägt durch das zweigeschossige
Seitenschiff, dessen Entstehung in zwei Bauphasen am unterschiedlichen
Backsteinmauerwerk der beiden Geschosse ablesbar blieb. Die heute
vorhandenen drei Spitzbogenfenster und das Spitzbogenportal stammen aus der
Zeit der neogotischen Erneuerungen im 19. Jh. Ursprünglich wurde das
Seitenschiff von einem Satteldach abgeschlossen. Deutlich wird dies an dem
spätgotischen Ziergiebel an der Ostseite, den Blenden aus gegenständigen
Spitzbogen zwischen Fialpfeilern schmücken. Im 18. Jh. erhielt das Seitenschiff
ein vom Hauptdach abgeschlepptes halbes Mansarddach.
Der wirkungsvoll zum Markt gerichtete Polygonalchor schließt sich dem
Hauptschiff in gleicher Breite an. Seine auf Feldsteinsockel in Backstein
ausgeführten Umfassungswände sind weitgehend ungestört überliefert. Die
teilweise rote Einfärbung der Fugen stammt vermutlich aus dem mittleren 19. Jh.
Prägend für die Ansicht sind Strebepfeiler und fünf dazwischen angeordnete
schlanke Spitzbogenfenster, die zweibahnig durch einfaches Maßwerk
untergliedert sind und von feinen Profilen eingefasst werden. Ein sechstes
Chorfenster an der Südseite ist heute zugesetzt und nach außen durch das
Pultdach der Sakristei verdeckt. Unterhalb des Scheitelfensters weist die
Außenwand eine flachbogige Nische auf; früher befand sich darin vielleicht eine
bildliche Darstellung. In Höhe der Fensterbänke zieht sich um den gesamten
Chor ein schlichtes Kaffgesims.
Ebenfalls an der Südseite befindet sich im Eckbereich zwischen Chor und
Seitenschiff der ursprünglich als »Ratsgewölbe« entstandene und später zur
Sakristei veränderte Anbau. Er steht auf leicht schiefwinkligem Grundriss. Sein
Pultdach reichte anfangs vermutlich nur bis zur halben Höhe des westlichsten
Chorfensters. An der Ostseite der Sakristei ist ein Strebepfeiler des Chores in
die Mauer einbezogen; daneben befindet sich ein kleines neogotisches
Spitzbogenfenster mit profiliertem Gewände (eingebrochen nach 1890). Als
Zugang dient ein Spitzbogenportal aus der Mitte des 19. Jh. an der Südseite.
Das zur gleichen Zeit aufgesetzte Halbgeschoss ist in neogotischen Formen
verziert, der östliche Halbgiebel in Anlehnung an die Gestaltung des
spätgotischen Westgiebels am Hauptschiff mit schlanken Spitzbogenblenden
geschmückt.
Vor dem Mittelteil der Westwand befindet sich ein schmaler Anbau mit
Pultdach. Dieser Anbau entstand wahrscheinlich in zwei Etappen: Das noch
spätgotische Erdgeschoss hat Umfassungswände aus Mischmauerwerk,
darüber folgt ein in Backstein gemauerter Teil, den man eventuell im
Zusammenhang mit dem Einbau der Orgel 1728 aufsetzte.
Der stattliche Turm erhebt sich auf rechteckigem Grundriss und tritt über die
Bauflucht des südlichen Seitenschiffs hervor. Seine Höhe beträgt etwa 58 m.
Der sockelartige untere Teil ist in Mischmauerwerk mit einem hohen Anteil an
Feldsteinen ausgeführt. An der Südseite hat sich das spitzbogige
Sitznischenportal aus der Bauzeit erhalten. Die Sitze sind aus Sandstein; der
linke weist an seiner vorderen Seite rituell zu interpretierende Schleifspuren von
Hieb- und Stichwaffen auf. Über dem Portal befand sich ehemals eine Inschrift
mit der Bauzeit des Turms »1518-1522«. Das erste Obergeschoss ist an jeder
Seite mit drei Zwillingsblenden geschmückt, das zweite Obergeschoss mit je
zwei spitzbogigen mittleren Schallöffnungen und zwei äußeren Putzblenden
sowie mit Reihen kleiner Rundblenden und einem Vierpassfries. Den
Turmabschluss bildet das 1867 neu aufgesetzte, von Eckfialen und einer
zierlichen Dachgalerie begleitete Kreuzdach. Seine Giebelflächen zeigen
Spitzbogenblenden und je ein Zifferblatt, die Giebelschrägen sind reich mit
Krabben besetzt. Aus der Dachmitte ragt ein hoher oktogonaler Spitzhelm
empor.
Das Kircheninnere betritt man heute über das Portal des Südschiffs. Im
Langhaus wird der Raumeindruck stark geprägt durch das angeblich 1653
erneuerte Gewölbe. Konstruktiv handelt es sich um ein Tonnengewölbe mit
Stichkappen, dem man durch angeklebte wulstartige Stuckrippen versuchte,
das Erscheinungsbild eines spätgotischen Sterngewölbes zu verleihen. Die
wenig kunstfertige Ausführung lässt auf eine Arbeit ortsansässiger Handwerker
schließen. 1972 erfolgte eine Erneuerung der Farbfassung, überwiegend nach
Befund (rotbraune Rippen mit Sternenschmuck, weiße Gewölbefelder). Der
hintere Teil des Raumes wird von einer dreiseitigen hölzernen Empore auf
schlanken Holzsäulen eingenommen, im Westen steht darauf die Orgel mit
reich verziertem barocken Prospekt. Unter der Orgelempore befindet sich eine
türlose Wandöffnung zum kreuzrippengewölbten Raum des Westanbaus. Die
Südwand des Langhauses weist im oberen Bereich zwei rundbogige Öffnungen
zum Emporengeschoss des Seitenschiffs auf. Darunter stellen zwei große
Rundbogenöffnungen die Verbindung zur Turmhalle und zum westlichen Joch
des Seitenschiffs her. Das östliche, hinter einem breiten Spitzbogen gelegene
Joch des Seitenschiffs hebt sich gestalterisch hervor durch ein feineres
Kreuzgewölbe mit Birnstabrippen und eine große spitzbogige Nische in der
Ostwand mit doppelter Rahmung aus Backsteinrippen und eine darin platzierte
kleinere Spitzbogennische. Möglicherweise diente dieser Teil des Seitenschiffs
früher als Kapelle.
An der Ostseite schließt hinter dem Triumphbogen der schiffsbreite, um zwei
Stufen erhöhte Chor an. Er nimmt etwa ein Drittel der Gesamtlänge des
Kirchenbaus ein und wirkt im Vergleich zum Langhaus sehr licht. Bestimmend
für den Raumeindruck sind die fünf hohen Spitzbogenfenster mit reich
profilierten Gewänden sowie ein sechsteiliges Sterngewölbe mit Birnstabrippen.
Die Gewölbedienste seitlich des Scheitelfensters sind bis zum Boden hinab
geführt; beide und vier weitere ruhen auf maskenverzierten Konsolen. Vom
zugesetzten westlichen Fenster an der Südseite ist das gesamte innere
Gewändeprofil sichtbar. Gewölbe und Wände des Chores sind wie im Langhaus
weiß getüncht, die unterschiedlich profilierten Rippen abweichend vom Befund
in Grau gefasst. An der nördlichen Chorwand ist als freigelegter Rest der
ursprünglich vorhandenen Wandmalereien von 1453 das Bild einer
Bischofsfigur zu erkennen. Südlich befindet sich unter dem zugesetzten
Chorfenster in einem gestuften Rundbogengewände der vermutlich 1717
nachträglich eingefügte Eingang zur Sakristei. Dieser schiefwinklige Raum wird
von einem Kreuzgratgewölbe überfangen. Rechts neben dem Eingang hat sich
aus der Bauzeit ein Wandschrank mit eisenbeschlagener Tür erhalten.
Das Turminnere zeigt sich infolge mehrere Brände und Umbauten erheblich
verändert. Die Umfassungsmauern des spätgotischen Ursprungsbaus haben
sich teilweise bis in Höhe des zweiten Turmgeschosses erhalten. Noch
vorhanden ist außerdem der alte, in das Mauerwerk integrierte Wendeltreppen-
Aufgang, der in Höhe des Langhaus-Dachbodens endet. Die Dachkonstruktion
über den beiden Schiffen und dem Chor stammt aus verschiedenen Phasen;
insgesamt lassen sich fünf unterschiedliche Teile erkennen: Noch im Mittelalter
(d: 1389-1408) entstand das Kreuzstrebendachwerk über dem Langchor, eine
zierliche, vollständig verblattete Sparrenkonstruktion mit Kehl- und
Hahnenbalken, Kreuzstreben sowie Sparrenknechten. Der Hauptteil des
Langhauses zeigt ein aufwändiges, ebenfalls noch vollständig verblattetes
Dachwerk, ausgeführt 1665-67 (d) unter Verwendung kräftig dimensionierter
Hölzer als Sparrenkonstruktion mit Hahnen- und Kehlbalken, Kreuzstreben,
Sparrenknechten sowie mit einem mittleren Längsverband aus Spitzsäulen, die
oberhalb der Kehlbalken beginnen und durch Riegel und Streben in
Längsrichtung verbunden sind. Über dem Ostteil des Hauptschiffs befindet sich
ein konstruktiv eigenständiges barockes Dachwerk (d: 1665), ebenfalls aus
verblatteten Hölzern, das im unteren Teil einen liegenden Stuhl und darüber
einen doppelt stehenden Stuhl mit Spannriegeln und Kopfbändern sowie
Andreaskreuzen als Windverband zwischen den Sparren aufweist. Etwa der
gleichen Phase ist auch die Dachkonstruktion über dem Chorpolygon mit
liegendem Stuhl und überwiegend gezapften Verbindungen zuzuordnen. Das
Dachwerk über dem Seitenschiff stammt vermutlich aus der späten Barockzeit.
Unter der Kirche befinden sich mindestens zwei Grüfte. Eine davon wurde zu
einem unbekannten Zeitpunkt als Grablege für die Familie von Uchtenhagen
errichtet. Sie liegt unter dem Altarbereich und besteht aus Ziegelmauerwerk.
Nach dem Tod des letzten Familienmitglieds 1618 wurde diese Gruft
geschlossen und ist seither nach außen nicht sichtbar. Die Lage der zweiten
Gruft ist unbekannt; in ihr soll u. a. der Generalleutnant von Borcke beigesetzt
worden sein. (vgl. Ausstattung/ Epitaphien).
Ausstattung
Hochaltar. 1622/23 (a) Auf steinernem Unterbau vierstufiger hölzerner Aufsatz.
Geschaffen vom Kunsttischler Antonius Engelhammer (oder Engelhardt) aus
Wriezen und dem Maler Daniel Ribbecke als Ersatz für einen 1621 nach
Niederfinow verkauften Altaraufbau; ansprechend in Formen der
Spätrenaissance gearbeitet. Über der Predella die oberen Geschosse jeweils
durch kräftige Gesimse abgesetzt und durch toskanische Säulen gegliedert. In
der mittleren Achse übereinander vier Gemälde mit Darstellungen aus der
Heilsgeschichte (Abendmahl, Ecce Homo, Kreuzigung und Auferstehung), in
den Seitenachsen als Schnitzfiguren die Evangelisten sowie die Apostel Petrus
und Paulus. An den Altarwangen reicher Beschlagwerkdekor. Als Bekrönung
ein Sprenggiebel, zentral darin auferstandener Christus mit Siegesfahne.
Altarkruzifixus. 1855 (a). Eisenkunstguss, Berliner Werkstatt.
Taufstein. Drittes Viertel 13. Jh., vielleicht zur Erstausstattung der Kirche
gehörend. Granit, ca. 1 m hoch, in Pokalform mit Säulenfuß. Die Außenseite
des Beckens und der Fuß versehen mit Dekor in spätromanischen Formen. Die
Farbfassung wohl im 19. Jh. hinzugefügt.
Taufschale. 16./17. Jh., Messing, Nürnberger Arbeit. Der Schalenboden mit
Relief »Josua und Kaleb beim Transport der Riesenweintraube« und
Ziermajuskel.
Kanzel. 1622 (a) zusammen mit dem Altar entstanden und sicherlich von
denselben Künstlern gearbeitet. Der Kanzelkorb versehen mit zierlichen
Ecksäulchen, Ornamenten sowie an der Front mit Bildnissen (Christus und
Evangelisten). Auf dem Schalldeckel reicher figürlichen Schmuck zu Themen
aus dem Alten Testament sowie bekrönender Pelikan als Symbol Christi.
Orgel. Um 1730. Holz. Dreiteiliger barocker Prospekt auf der Westempore. Die
1728 von Joachim Wagner geschaffene Orgel 1900 ersetzt; das jetzige
Instrument 1976 von Sauer, Frankfurt/ Oder.
Taufengel. 1704, Holz, farbig gefasst, im Seitenschiff.
Bildnis Caspar von Uchtenhagen. An der Chorsüdwand. Großformatiges Ölbild
von 1597 (i). Dargestellt ist der letzte Spross der Adelsfamilie als vierjähriges
Kind; in der Hand hält er einen Apfel.
Totenbild Caspar von Uchtenhagen. Öl-Tafelbild von 1603. Dargestellt ist der
neunjährige Knabe im Sarg liegend.
Madonna mit Kind. Ölgemälde, italienische Arbeit des 17. oder 18. Jh.
Bildnisse von Luther und Melanchthon. Zwei kleine Tafelbilder, 17. Jh.
Bildnis des Pastors Daniel Mittelstädt (gest. 1664). Mitte 17. Jh.
Empore. Um 1730. Hölzerne hufeisenförmige Anlage auf schlanken Säulen. Die
Brüstung mit Felderung in barocken Formen. Veränderungen 1851 und 1867;
letzte Farbfassung wohl 1913.
Gestühl. 1622/ um 1880. Das siebensitzige ältere Gestühl an der Chorsüdseite
gestiftet durch Katharina von Uchtenhagen. Reich im Stil der Spätrenaissance
gestaltet durch Rundbogenfelder mit gequaderter Rahmung sowie
hermenartige Pilaster. Das Chorgestühl der Nordseite schlichter in
historisierenden Formen.
Gotteskasten. Im Seitenschiff, entstanden um 1620. Holz, farbig gefasst,
Abmessungen: 70 x 50 x 90 cm. Verzierungen im Stil der Spätrenaissance.
Opferstock. Im Seitenschiff, wohl 18. Jh., Holz, eisenbeschlagen.
Zwei Altarleuchter. 17. Jh., Messing.
Vier Kronleuchter. 17. und 18. Jh., Messing.
Wandschrank. In der Südwand der Sakristei. Wohl um 1580 angefertigt für den
damals als »Ratsgewölbe« errichteten Raum. Die Tür 70 x 130 cm groß, mit
spätgotischen Beschlägen.
Epitaph für Simon Christian von Schröder (gestorben 1728). An der Nordseite
des Hauptschiffs. Holz, säulengerahmte Inschriftentafel, seitlich davon zwei
allegorische Frauenfiguren, als Bekrönung liegende Figur des Schlafes.
Epitaph für Ludwig Felix von Borcke (1702-1751). Im Chor. Aus Sandstein
gehauen und farbig gefasst. Die Vitentafel umgeben von Wappenzier sowie
reichem Kartuschen- und Trophäenschmuck in Rokokoformen. Das prächtige
Epitaph erinnert an den Generaladjudanten Friedrichs II., der bei einem
Kuraufenthalt in Freienwalde starb.
Gedenktafel für Johannis Nicolai Holtorff und dessen Frau Susanna, geb.
Spener. Beide starben 1779. An der Südseite des Schiffs aufgehängte Tafel mit
Portraitmedaillon des Brunnenarztes.
Gedenktafeln für die Gefallenen der Befreiungskriege und des Krieges 1870/71.
Auf der Seitenschiffsempore, mehrere schlichte Holztafeln.
Gedenktafel für die Gefallenen des Ersten Weltkriegs. 1928 enthüllt. Hohe
Holztafeln mit bekrönenden Standarten und 262 Namen von Gefallenen der
Kirchengemeinde, geschaffen in Berlin von Max Kutschmann und dem Maler
Thol.
Glocken: Sämtliche älteren Glocken bei den Turmbränden zerstört bzw. auf
andere Weise abhanden gekommen. Das heutige Geläut bestehend aus einer
Bronzeglocke der Linke-Hoffmann-Lauchhammer AG von 1925 sowie zwei
1957 neu angeschafften Stahlglocken aus Apolda.
Bedeutung
St. Nikolai erinnert an die Entstehung Freienwaldes im 13. Jh. und an die fast
250-jährige Herrschaft der Familie von Uchtenhagen, auf deren Veranlassung
später der für eine Kleinstadt anspruchsvolle gotische Ausbau der Kirche
erfolgte. Ausschlaggebend dafür waren die Nutzung des Bauwerks als
Grablege der Familie sowie Repräsentationsgründe, wie vor allem der
imposante Turm erkennen lässt, der in seinen Dimensionen und im
gestalterischen Aufwand die Turmbauten vieler größerer Städte übertrifft. Er
wurde zum Wahrzeichen der Stadt, u. a. auch wegen seiner für die Mark
ungewöhnlichen Stellung an der Südwestecke des Langhauses. Im
Zusammenspiel mit den verschieden hohen anderen Bauteilen trägt er zum
malerischen Gesamtbild bei, das der Kirchenbau von der Marktplatzseite aus
bietet.
Die Nikolaikirche weist einige Eigentümlichkeiten auf, die wohl als Kennzeichen
für den Traditionalismus des Bauens in Orten abseits der großen Zentren
anzusehen sind. So bekam das Hauptschiff im 17. Jh. eine Wölbung in noch
vollkommen spätgotischen Formen, wobei jedoch die technische Ausführung
hinter der Qualität der Vorbilder zurückblieb. Auch das Dachwerk dieses
Bauteils führt Formen des Spätmittelalters weiter.
Als eine Seltenheit in der 1945 von Kriegszerstörungen besonders betroffenen
Oderregion ist das zierliche Kreuzstrebendach des Chores anzusehen,
möglicherweise handelt es sich hier um die älteste erhalten gebliebene
Dachkonstruktion des nördlichen Oderlandes. Das aufwändige Schiffsdachwerk
ist ebenfalls ein frühes und bedeutendes Zeugnis regionaler
Zimmermannskunst. Beachtung verdient zudem die reiche Ausstattung der
Kirche. Hervorzuheben sind u. a. der Taufstein, bei dem es sich um einen der
ältesten in der Mark Brandenburg handeln soll, sowie Altar und Kanzel, die
stilistisch in einer Reihe mit weiteren, um diese Zeit im Oberbarnim
entstandenen Spätrenaissance-Arbeiten stehen. Ihr Bildprogramm ist als
typisch für die Phase nach der Reformation anzusehen.
Quellen: BLHA, Rep. 2A Reg. Potsdam II OB Nr. 698-705, 726; BLHA Rep. 2A
Reg. Potsdam I RHK Nr. 20; BLHA Rep. 8 Stadt Freienwalde Nr. 333-337, 339,
340; BLHA Rep. 2 S Nr. 4751; ELAB 3/2-315 Kirchenkreis Bad Freienwalde,
Nikolaikirche 1955-1993; ELAB 35 III a, e 31 II Karton 337 Kirche St. Nikolai
Freienwalde 1979-91; GStA PK, X. HA Brandenburg, Rep. 2 B Abt. II, Reg.
Potsdam Nr. 514; BLDAM/ Registratur, IfD Altakten Nr. 85, 87, 118, 123, 153,
Objektakten ab 1990.
Literatur: Fischbach, S. 595; Bergau 1885, S. 355-58; Heller 1896, S. 43-54;
Adler 1898, Bd. II, S. 71, Tafel 89; Schmidt, R. 1/1934, S. 99-116; Ohnesorge,
Hans, Auf den Spuren der Vergangenheit in St. Nikolai in Bad Freienwalde, in:
Heimatkalender für den Kreis Bad Freienwalde 1974, S. 65; Ders.,
Wiederentdeckte Fresken in St. Nikolai, in: Heimatkalender für den Kreis Bad
Freienwalde 1982, S. 75-78; Dehio Cottbus/ Franfurt (Oder) 1987, S. 122-23;
Pfeil 1993; Dehio Brandenburg 2000, S. 31-32; Friske 2001, S. 143-58.