Denkmaltopographie Märkisch-Oderland, Bd. 9.1, 2005, S. 277 ff.

Die kleine Fachwerkkirche steht am Rand des heutigen Dorfangers.
Ursprünglich war ihr Standort außerhalb der historischen Rundlingsanlage.
Nach 1812 wurde die regelmäßige, kreisrunde Bebauung durchbrochen und
der Anger um die Fläche des Kirchenstandortes erweitert. Bis zum Jahre 1855
war Altwustrow Filia der Parochie Wriezen. Seit der Errichtung der Parochie
Neulietzegöricke gehört Altwustrow dieser Kirchengemeinde an.
Baugeschichte
Bereits 1787 planten die Dorfbewohner die Einrichtung eines Betsaales in der
neu zu errichtenden Schule. Der Antrag wurde jedoch vom Königlichen
Rentamt Kienitz, unter dessen Aufsicht Wustrow stand, abgelehnt. Als die
Altwustrower aufgefordert wurden, sich an Reparaturarbeiten der Wriezener
Kirche finanziell zu beteiligen, beschlossen sie stattdessen, eine eigene Kirche
zu bauen. Das Vorhaben wurde 1789, trotz versagter Baugenehmigung, aus
eigenen Mitteln der Dorfbewohner realisiert. Die Einweihung des zunächst
turmlosen Neubaus erfolgte am 18.10.1789 (a). Einen Turm erhielt die Kirche
erst 1832. Zwischen 1910 und 1920 verputzte man die Fachwerkfassaden
erstmalig. Eine Putzerneuerung wurde 1957 mit Kalkzementmörtel
durchgeführt. 1968 erfolgte die Instandsetzung von Kirchen- und Turmdach.
Nach Holzschutzarbeiten im Bereich der Dachkonstruktion 1972 und
Rekonstruktionsarbeiten 1979 war die Sanierung des Dachbereichs vorerst
abgeschlossen. 1974 wurde eine Winterkirche unterhalb der Orgelempore mit
alten Kirchenfenstern eingebaut. 1985 formulierte das Institut für Denkmalpflege
der DDR Empfehlungen zur Wiederherstellung des bauzeitlichen Zustandes.
Eine grundlegende restauratorische Befundermittlung mit Untersuchung von
Wandbereichen, Decken und Inventar folgte 1990. In den Jahren 2000-2005
konnte die Außensanierung durchgeführt werden. Mit der Sanierung der
wertvollen Kirchendecke wurde 2004 begonnen, die weitere Instandsetzung
des Innenraums steht noch aus.
Beschreibung
Äußerlich völlig schmuckloser Fachwerkbau auf Feldsteinfundament mit
Krüppelwalmdach (Biberschwanz-Kronendeckung). Der Westturm über
quadratischer Grundfläche dreigeschossig mit Gesimsgliederung und
verschiefertem Spitzhelm angebaut. An seiner Westseite der Eingang zur
Kirche. Die Längsseiten des Saalbaus durch je zwei übereinander angeordnete,
hochrechteckige Fenster in drei Achsen gegliedert. Dachkonstruktion als
Kehlbalkendach mit doppelt liegendem Stuhl.
Im Gegensatz zum schlichten Außenbau der im Wesentlichen bauzeitliche
Innenraum überaus reich gestaltet. Fast quadratischer Saal, an drei Seiten von
Empore umgeben. Empore, Kanzelaltar und Kastengestühl einheitlich mit
geschnitzten, vergoldeten Ornamenten in Stilformen des Rokoko und des
Frühklassizismus versehen. Als Stützen der Empore marmorierte Holzsäulen
mit ionischen Kapitellen, die Emporenbrüstung mit Rosetten, Vasen und
Blumengehängen, die Füllungen mit vergoldeten Doppelgirlanden verziert. Als
Schmuck der Altarrückwand und der auskragenden, von Pilastern und
korinthischen Säulen flankierten Kanzel aufwändiges Schnitzwerk mit
Girlanden, floralen und figürlichen Darstellungen. Der Raum durch flache, von
Vouten gerahmter Holzdecke abgeschlossen. Ihre bauzeitliche Bemalung stellt
einen Himmel mit strahlender Sonne und rötlichen Wolken dar. Sie wurde 1890
mit einer Papierschicht kaschiert und mit einer zweiten Farbfassung versehen.
Die heute sichtbare spätklassizistische Deckenansicht zeigt christliche
Symbole, u.a. ein Medaillon im Sternenkranz, innenliegend eine goldene Sonne
mit weißer Taube, umgeben von Rankenwerk.
Ausstattung
Kanzelaltar. 1789, Holz geschnitzt. Mittig auskragende Kanzel, der Kanzelkorb
mit vegetabilem Schnitzwerk und dem Lamm Gottes; runder Schalldeckel,
flankiert von zwei musizierenden Posaunenengeln, davor hölzerne Mensa.
Taufengel mit Taufschale. Um 1790. Lebensgroße schwebende Schnitzfigur mit
Taufschale in rechter Hand.
Empore. Holz. Brüstungsfelder mit Doppelgirlanden.
Orgel 1845 von Firma Lange und Dinse, Berlin. 1854 repariert durch
Orgelbauer Mickley, Freienwalde (z. Zt. ausgelagert in Eberswalde).
Kastengestühl. 1789, Holz, mit umlaufendem bordürenartigen Schnitzwerk.
Aufstellung in drei Blöcken rechts und links des Altars.
Erinnerungstafel. An der Altarseitenwand. 1789, Holz. Bemalt und versehen mit
Inschrift, die auf die bemerkenswerten Umstände des Kirchenbaus hinweist:
»Gott zu Ehren hat eine christliche Gemeinde nehmlich Allt Wustrow Anno 1789
dieses Gottes Hauß aus ihren eigenen mitteln Neu erbauet«.
Glocke. 1832 gegossen von Ernst Ludwig Wilhelm Thiele, Berlin (i).
Klingelbeutel. 1789 (i). Samt, bestickt (im Pfarrhaus Neulietzegöricke).
Bedeutung
Die Altwustrower Dorfkirche gehört zu den ersten Kirchengründungen nach
der Entwässerung und Eindeichung des Oderbruchs im 18. Jh. Sie gehört zu
den wenigen erhaltenen Fachwerkkirchen jener Zeit, die mit ihrer kompletten
künstlerischen Innenausstattung überliefert sind. Der barocke Emporensaal
mit seiner überdurchschnittlich reichen Ausschmückung macht den
ursprünglichen Raumeindruck bis heute nahezu unverfälscht erfahrbar. Die
handgemalte eklektizistische Papierdecke stellt eine Rarität im gesamten
norddeutschen Raum dar.
Quellen: ELAB 014/18304, 014/18308; ELAB 35 III a, m 31 I Karton 39 und
338; BLDAM Altakten.
Literatur: Schulze 1907, S. 202-14; Brandenburg 4/1926, Heft 16, S. 255;
Kunstdenkmäler Königsberg 1928, S. 365-67; Krüger, Nicole, Aus der
Geschichte von Alt-Wustrow, in: Heimatkalender für den Kreis Bad Freienwalde
35/1991, S. 73-80; Heimatkreis Königsberg 1997, S. 258-59; TU Berlin (Hg.),
Die Bauernkirche zu Altwustrow, Faltblatt 1998; Dehio Brandenburg 2000, S.
1148-49.