Denkmaltopographie Märkisch-Oderland, Bd. 9.1, 2005, S. 348 ff.

Die spätklassizistische Kirche steht im Zentrum des langgestreckten
Dorfangers, entsprechend der Längsachse des Dorfes in Nordwest-Südost-
Ausrichtung. Das Bauwerk ist heute von einer Rasenfläche und einzelnen
älteren Bäumen umgeben; 1905 war der Platz um die Kirche gärtnerisch
gestaltet und mit einem Staketenzaun eingefasst.
Neulietzegöricke gehörte als Tochtergemeinde zu Neuküstrinchen, bis 1854
eine eigenständige Pfarre gegründet wurde. Das Pfarrhaus wurde 1864/65
erbaut. Die Parochie Neulietzegöricke umfasste 1907 die Dörfer
Neulietzegöricke, Altwustrow, Karlshof und Neukarlshof mit ihren Ortteilen. Das
Patronat über Kirche und Schule hatte die Königliche Regierung in Frankfurt
(Oder).
Baugeschichte
Am Standort der heutigen Kirche gab es zuvor ein Bethaus, das 1769 auf
massivem Fundament als Fachwerkbau mit Ziegelausfachung errichtet worden
war. Die rechteckige Saalkirche mit Turm und Sakristei wurde, da bereits 13
Jahre später stark einsturzgefährdet, 1782 und 1806 umfassenden Reparaturen
unterzogen, bevor sie 1832 einem Dorfbrand zum Opfer fiel. 1836 wurde der
Wriezener Bauinspektor Karl August Schwieger mit dem Entwurf für einen
separaten Kirchenneubau für 350 Personen beauftragt. Die Ausführung erfolgte
1839/40 mit im Ort gebrannten Ziegeln; beteiligt waren Zimmerer Kruse aus
Neumühle, Maurer Hilke aus Freienwalde sowie die Tischler Herter und Gensch
aus Wriezen.
Erste Kirchenreparaturen sind 1862 (Maurerarbeiten) und 1868 (Neuanstrich
von Türen und Fenstern) nachgewiesen. 1895 wurde das Dach umgedeckt,
1903 strich man abermals Türen und Fenster neu, kurz darauf wurde die
Farbfassung im Inneren überholt. 1957 musste das Kirchendach instandgesetzt
werden. In den 1970er Jahren führte man eine Holzkonservierung des
Dachstuhls, Mauerarbeiten an den geschädigten Ecken sowie
Fundamentausbesserungen durch, außerdem wurden das Turmdach
instandgesetzt und die Dachrinnen erneuert. Die 1975/76 eingebrachten
Zuganker dienen bis heute zur Stabilisierung der gerissenen Außenwände. Seit
2004 wird das Bauwerk grundlegend sanier; im ersten Bauabschnitt erfolgte die
Festigung des setzungsempfindlichen Baugrundes.
Beschreibung
Über rechteckiger Grundfläche von rund 17 x 12 m auf massivem Fundament
in Fachwerk-Ständerbauweise errichtete Saalkirche mit eingezogenem, rund
17 m hohem Turm an der Nordwestseite. Der Bau außen massiv mit
Ziegelmauerwerk verblendet. Im stark beschädigten Putz bauzeitliche
Quaderritzungen erkennbar. Als weitere Gliederungselemente dienen ein an
Turm und Langhaus umlaufendes Sohlbankgesims sowie ein Zinnenfries als
Traufgesims. Alle Wandöffnungen mit schlicht profilierten Rahmungen und
Verdachungen. Die Längsseiten jeweils durch vier hohe flachbogige Fenster
gegliedert; entsprechend gestaltet sind die beiden Türöffnungen an der
Südostseite (eine führt zur Sakristei); im Giebel darüber außerdem eine
Fenstergruppe. Das Langhaus abgeschlossen von Satteldach mit doppelt
stehendem Stuhl und Biberschwanz-Kronendeckung. Der dreigeschossige,
quadratische Turm durch Gesimse und Friese horizontal gegliedert und im
oberen Teil mit je drei Schallluken nach allen Seiten versehen. Als Abschluss
flaches Pyramidendach, auf der Spitze ein Eisenkreuz. An der nordöstlichen
und südwestlichen Turmseite flachbogige Portale, so dass die Kirche
insgesamt über vier Eingänge verfügt.
Der Kirchenraum mit sichtbaren Fachwerkwänden und flacher Holzdecke auf
Balken und Unterzügen. Bemerkenswert die einheitliche klassizistische
Raumfassung in weißen, hellblauen und gelblichen Farbtönen mit
Goldakzenten. Bis zur Decke geführte, kräftige Holzpfeiler tragen die
dreiseitige Empore. Die kassettierte Emporenbrüstung auf profilierten
Balkenköpfen ruhend und mit floral-ornamentaler Schablonenmalerei verziert.
Im Südosten die Altarwand, ihre Mitte eingenommen von halbrund
vorkragender Kanzel mit flachem Deckel in schlichter Gestaltung. Rechts
davon kleiner Sakristeieinbau. Im Nordwesten die Orgel in bauzeitlichem
Prospekt. Die ca. 300 vorhandenen Sitzplätze waren ehemals genau aufgeteilt:
Im Langhaus die Bänke für die Frauen; beidseitig des Altarraumes je vier
Bänke für die Männer (an der Nordseite die Groß- und an der Westseite die
Kleinkolonisten); die Sitze auf den Seitenemporen für Kolonistensöhne,
Tagelöhner und Knechte.
Ausstattung
Altarwand mit Kanzelaltar. 1840, Holz, gefasst. In Ädikulaform gestaltete und
sparsam ornamentierte Altarwand mit giebelartig geschlossenem Gebälk, in
dessen Mittelfeld vegetabiles Ornament. Am Kanzelkorb geschwungener
Boden mit Pinienzapfen-Abschluss; der Schalldeckel mit Akanthusblattfries.
Kruzifixus. Um 1840. Gusseisen, vergoldet.
Zwei Altarleuchter. Modern, Messing.
Taufe. Um 1840, Holz. Menkesche Fabrik, Berlin. Kelchförmiger Standfuß und
achteckiges Taufbecken mit bronzener Taufschale. Geschenk des
Gutsbesitzers Jäckel auf Friedrichshof.
Orgel. 1843, Gebrüder Lange und Dinse, Berlin; fünfteiliger Prospekt und
gerundete Pedalbasstürme.
Empore. 1840, Holz. Hufeisenförmig umlaufend auf Pfeilern. Füllungstafeln der
Brüstung mit Schablonenmalerei (Renaissancemotive).
Gestühl. 1840, Holz. Bankreihen in vier Blöcken.
Gedenktafel. Nach 1815, Holz. Für die Gefallenen der Befreiungskriege.
Gedenktafel. Nach 1918, schwarzer Marmor, für die Gefallenen des Ersten
Weltkriegs.
Kronleuchter und Wandleuchter. Nach 1945, Messing.
Glocke. 1840, Bronze. Firma Johann Wolff, Königsberg/Nm. (i).
Glocke. 1911. Bronze. Glockengießerei Ulrich, Apolda.
Bedeutung
Die Dorfkirche hat besonderer Bedeutung sowohl auf Grund ihrer
ungewöhnlichen Konstruktion als Fachwerkbau mit vorgeblendeter Fassade
aus verputztem Ziegelmauerwerk, als auch wegen ihrer qualitätvollen
handwerklichen und künstlerischen Gestaltung, die eine Nähe des Architekten
zur Schinkel-Schule vermuten lässt. In ihrer klaren Formensprache und der
zurückhaltenden Verwendung von Verzierungselementen stellt sie ein
Dokument spätklassizistischer Sakralarchitektur von großer Einheitlichkeit dar.
Die Kirche gehört zu den wenigen unveränderten Sakralbauten mit komplett
klassizistischem Interieur im Land Brandenburg. Durch ihre zentrale Lage
markiert sie den Mittelpunkt des ehemaligen Kolonistendorfes.
Quellen: BLHA, Pr. Br. Rep. 7, Wriezen, Nr. 251, 252; ELAB, 014/18299;
003/2-297; 35 III a, m 31 Karton 39 und 338; BLDAM, Altakten und
Erfassungskartei Eichler 1967.
Literatur: Schultze 1907, S. 79-84; Kunstdenkmäler Königsberg 1928, S. 411;
Schmidt, Peter: Neulietzegöricke, in: Potsdamer Kirche 46/1991, Nr. 32, S. 12;
Liesenberg 1995, S. 50-51; Heimatkreis Königsberg/ Neumark 1996, S. 304;
Schmidt, Peter 1997, S. 8-12; TU Berlin (Hg.), Kirche zu Neulietzegöricke,
1998 (Faltblatt); Dehio 2000, S. 703.