Denkmaltopographie Märkisch-Oderland, Bd. 9.1, 2005, S. 363 ff.

Die Kirche erhebt sich städtebaulich exponiert etwa in der Mitte des Ortes, auf
einem Geländevorsprung im Hangbereich nördlich oberhalb der Dorfstraße.
Der als Friedhof genutzte Kirchhof ist von der Straße über einen alleeartig
bepflanzten und behelfsmäßig mit Steinplatten befestigten Weg erreichbar.
Nach Fertigstellung der Kirche war Neutornow ab 1770 zunächst Tochterkirche
von Altglietzen und wurde dann 1775 Tochterkirche von Neuküstrinchen. 1857
erhielt Neutornow den Status einer selbstständigen Pfarrgemeinde. Zu
Neutornow eingekircht waren die Kolonien Neuküstrinchen, Herrenwiese,
Neuglietzen und Neukietz. 1902 wurde Neuglietzen ausgepfarrt, gleichzeitig
wurden die Nachbardörfer Gabow und Schiffmühle nach Neutornow
eingekircht.
Baugeschichte
Die Kirche wurde 1769/70 (a) unter königlichem Patronat errichtet. Die Pläne
zum Neubau fertigte, angeblich im persönlichen Auftrag Friedrichs II., der
Ingenieur-Offizier Isaak Jacob von Petri, dem man auch die Oberbauleitung
übertrug. Den Auftrag zur Ausführung erhielten Zimmermeister Groth und
Maurermeister Unknoll. Am 2. März 1770 wurden die Bauarbeiten mit dem
Aufsetzen des Turmknopfes abgeschlossen. 1845 waren umfangreiche
Reparaturen am Dach, dem Dachreiter sowie an der Fassade und im Innern
notwendig. Der rund 350 Besucher fassende, kubische Zentralbau mit
Zeltdach, Dachreiter und einem Sakristeianbau im Südosten erhielt 1877 an
der Nordwestseite einen Turm, als dessen Abschluss der ehemalige Dachreiter
diente. Die Entwürfe dafür hatte vor 1872 der Berliner Baumeister Georg
Gustav Erbkam gefertigt. Am Turm, der bereits seit 1885 als reparaturbedürftig
galt, sind 1906 im Zuge notwendiger Putzarbeiten die Schallöffnungen repariert
worden. Im Ersten Weltkrieg mussten 30 Orgelpfeifen und die mittlere Glocke
an die Heeresleitung abgegeben werden; die verbliebenen zwei Glocken
wurden 1926 ersetzt. Ein Dachstuhlbrand im November 1929 zerstörte das
Innere der Kirche und den Turm. Den sofortigen Wiederaufbau, der mit einer
Umgestaltung des Außenbaus und einer Neugestaltung des Inneren
einherging, leitete Prof. Emil Rüster von der Technischen Hochschule Berlin.
Dabei wurde unter anderem der Kirchensaal um etwa 1,50 Meter erhöht und
mit einem flacher geneigten Dach versehen. Im Inneren erhielt das Bauwerk
eine neue Ausstattung. Am 7. Dezember 1930 konnte die wiederhergestellte
Kirche geweiht werden. 1945 erlitt das Gotteshaus einige Kriegsschäden, die in
den 1950er Jahren provisorisch behoben wurden. Gegen Mitte der 1970er
Jahre führten gravierende bauliche Mängel zur Schließung der Kirche. Ihrem
Zweck dient sie erst wieder seit 1993, nach Beendigung umfangreicher
Sanierungsarbeiten.
Beschreibung
Schlichte Saalkirche mit eingezogenem Turm an der Nordwestseite und
Sakristeianbau an der Südostseite. Der Kernbau von 1769/70 über
quadratischem Grundriss ausgeführt als massiver Putzbau. Die Fassaden
einheitlich gegliedert durch Sockelgesims und reich profiliertes Hauptgesims,
Eck- und Wandlisenen sowie durch je drei Achsen aus zwei übereinander
angeordneten flachbogigen Fenstern in einfachen Putzrahmungen. Das
vorkragende, verkröpfte Hauptgesims verweist auf die Höhe des früheren
Dachansatzes. Heute folgt darüber die Aufstockung von 1930; deren Ansicht
markant geprägt wird durch axial den Fensteröffnungen des Ursprungsbaus
zugeordnete Halbrundfenster mit Radialsprossung. Als Abschluss flach
geneigtes Zeltdach. Im Südosten die Sakristei als einfacher Putzbau mit
Ecklisenen angefügt. Die Nordwestfassade verändert durch den 1877
ergänzten Turm, einen hochaufragenden, gut mit dem Hauptbau
harmonierenden Putzbau in sparsam historisierenden Formen. In seinem
Erdgeschoss das Portal gestalterisch akzentuiert durch eine Ädikula-Rahmung
mit Segmentgiebel und Akroterien. Im vierten Turmgeschoss als
Schallöffnungen schmale rundbogige Drillingsfenster, darüber
schiefergedeckter Turmaufsatz mit Laterne und geschweifter Haube. Als
Bekrönung über dem Turmknauf ein Kreuz mit Stern. Das sehr schlichte Innere
der Kirchen heute maßgeblich geprägt durch den Umbau von 1930,
insbesondere von der großen hufeisenförmige Empore und dem kastenförmig
angeordneten Gestühl. Aus dieser Zeit auch der einfache hölzerne Altar und
die Lampen an den Wänden und Emporenbrüstungen.
Ausstattung
Taufbecken. Wohl um 1880, Holz. Über gestuftem Fuß oktogonale Kelchform
mit einfach gerahmten Feldern.
Kanzel. 18. Jh., Holz. Eventuell Teil eines ehemaligen Kanzelaltars. Einfacher
polygonaler Korb mit gerahmten Brüstungsfeldern zwischen profilierten
Gesimsen, die Rückwand in geohrter Rahmung mit Schlussstein. Der
Schalldeckel in Kronenform mit Stern an der Unterseite.
Orgel. 1950. Gerbich, Eberswalde. Elf klingende Register.
Gedenktafel für die Gefallenen von 1813. Schlichte Holztafel mit profilierter
Rahmung, bemalt und mit den Namen von acht Gefallenen versehen. Im
Erdgeschoss.
Gedenktafeln 1870/71 und 1939-45. Auf der Empore.
Gedenktafeln für die Gefallenen der Kriege 1866 und 1914-18. Einfache
bemalte Holztafeln mit Namenslisten.
Zwei Stahlglocken. 1925. Gegossen von Franz Schilling & Söhne, Apolda,
erworben 1926 aus Spendengeldern.
Turmuhr. 1877 erworben (a). Seit der Instandsetzung in den 1990er Jahren
wieder in Betrieb.
Bedeutung
Die im Gebiet des Niederoderbruchs während der Phase der Trockenlegung
und Kolonistenansiedlung ab 1754 entstandenen Kirchenbauten wurden
normalerweise kostengünstig in Fachwerk errichtet. Im Gegensatz dazu führte
man die Neutornower Kirche als massiven Putzbau aus. Welche Gründe es
dafür gab, ist bislang nicht bekannt. Den Auftrag zum Neubau erhielt der
damals in Militärdiensten stehende Ingenieur von Petri, der auch sonst
umfangreich an baulichen Maßnahmen im Rahmen der Kultivierung des
Oderbruchs mitwirkte. Von Petri war ein Lehrer David Gillys; er starb 1776 in
Freienwalde. Ebenfalls ein bekannter Baumeister seiner Zeit war Gustav
Erbkam, der Schöpfer des 1877 angefügten Kirchturms. Mit dieser
nachträglichen Ergänzung erfuhr die Kirche damals eine beachtliche
architektonische Aufwertung, in der sich symbolhaft die gewachsene
Wirtschaftskraft und das gestiegene Selbstbewusstsein der ehemaligen
Kolonisten-Gemeinde Neutornow ausdrückten. Seither bildet das erhöht
gelegene Bauwerk eine besonders prägnante und weithin sichtbare Landmarke
am südlichen Rand der »Neuenhagener Insel«.
Quellen: LABB, 014/18505, 3/2-298; Pfarrarchiv Altglietzen, Lagerbücher
Kirche Neutornow 1883, 1893, Akte H 10 (Neutornow 1929/30); BLDAM,
Altakten
Literatur: Schmidt, Peter, 1997, S. 8-12; Pfeil 1994, S. 15-19.