Denkmaltopographie Märkisch-Oderland, Bd. 9.1, 2005, S. 396 ff.

Der langgestreckte traufständige Fachwerkbau mit Glockenturm befindet sich in
der Mitte des Dorfes. Wuschewier war bis 1866 in Altfriedland eingekircht.
Danach wurde im Wohnhaus Dorfstraße 37 eine selbstständige Pfarre
eingerichtet. Sie war mit den Tochterkirchen Grube und Sietzing sowie dem
eingekirchten Gut Horst der Superintendentur Wriezen unterstellt. Das Patronat
besaß die Gutsherrschaft Altfriedland. Seit 1921 gehört die Kirchgemeinde zum
Pfarrsprengel Neutrebbin.
Das südöstliche Kirchhofgelände wurde bis zur Anlage des neuen Friedhofs
nördlich der Straße nach Sietzing für Bestattungen genutzt.
Baugeschichte
Der Ursprungsbau wurde 1764 (i) in Nord-Süd-Ausrichtung als Fachwerkbau
mit Lehmstakenausfachung und rohrgedecktem Satteldach errichtet und 1855
durch einen Glockenturm an der Südseite erweitert. Das Gebäude umfasste
den Betsaal im südlichen Gebäudeteil sowie die Schulstube mit Lehrerwohnung
und eine Hirtenwohnung im anfangs längeren nördlichen Teil. Der Betsaal wies
ursprünglich traufseitig nur ein kleines Fenster auf und hatte innen eine wohl
durchgehend offene Balkendecke. Mit der 1792 erfolgten Erweiterung wurde
der Saal um drei Gefache nach Süden verlängert und durch vier Südfenster
zusätzlich belichtet. Gleichzeitig erhielt er eine dreiseitig umlaufende Empore
sowie ostseitig eine Tür zum ehemaligen Kirchhof. Der straßenseitige
Haupteingang führte in einen kleinen Vorraum, von dem aus nach rechts der
Betsaal und nach links der Schulraum erreichbar waren. Geradezu befand sich
die zentrale Schwarze Küche mit einem Fachwerkschlot.
Bereits 1835 erwies sich der für 130 Kinder vorgesehene, von nur drei kleinen
Fenstern straßenseitig belichtete Schulraum als zu klein. 1850 kam es deshalb
zur nördlichen Bauerweiterung um zwei Gebinde und zur Vergrößerung der
Fenster. Ein zweiter straßenseitiger Eingang (später Fenster) und ein dahinter
folgender Flur erschlossen das zusätzliche Schulzimmer und die Lehrerstube.
Gleichzeitig entstand die hofseitig belichtete Küche mit offenem Rauchabzug
und Räucherkammer.
Der Glockenturm wurde 1855 an die südliche Giebelseite als Fachwerkbau mit
Ziegelausfachung über quadratischem Grundriss errichtet, sein Obergeschoss
1899 verbrettert. Ebenfalls 1855 kam es mit dem Einbau einer Orgel zu
Veränderungen an der Nordempore. 1883 erhielten die bis dahin
fachwerksichtigen Innenwände einen Lehmputz mit hohem Strohanteil. Im
Jahre 1864 verlegte man die Schule in ein separates benachbartes Gebäude.
Mit der 1907 erfolgten Fertigstellung des Schulneubaus Dorfstraße 15 wurde
das Schul- und Bethaus durch Abriss des bereits desolaten nördlichen Anbaus
sowie eines Teils des Ursprungsbaus auf seinen heutigen Umfang reduziert.
Nach Hochwasserschäden 1947 mauerte man einen Teil der Gefache mit
Ziegeln aus. In den 1950er wurden Teile der Ausstattung entfernt, darunter die
gemalten Epitaphien und die verzierten Totenkronen-Konsolen an der
Emporenbrüstung. 1958 erneuerte man die Rohrdeckung des Daches und
versah im Betsaal die bis dahin ungestrichenen Holzteile mit einer Farbfassung.
1975 gab es Ausbesserungsarbeiten im Bereich der Fassaden und des
Daches. Bei der 1987 ausgeführten Turmsanierung wurden die
Ziegelausfachungen verputzt. 1997/98 erfolgte eine grundlegende Sanierung
des Gebäudes. Sie umfasste u.a. die Wiederherstellung freigelegter
Farbfassungen im Inneren auf Grundlage der Ergebnisse einer 1996
durchgeführten bauhistorischen Untersuchung. Gegenwärtig wird das Gebäude
für Gottesdienste sowie außerdem für Konzerte, Lesungen, Ausstellungen und
ähnliche Veranstaltungen genutzt.
Beschreibung
Das Schul- und Bethaus errichtet als langgestreckter, einfach verriegelter,
heute weiß gekalkter Fachwerkbau. Sein hohes Satteldach mit Rohrdeckung
und etwa in der Dachmitte mit einer Fledermausgaube versehen. Die Fassade
durch sechs Fenster mit Sprossenteilung sowie einen links der Mitte
angeordneten Hauseingang unregelmäßig gegliedert. An der Südseite der
zweigeschossige Glockenturm, ein Fachwerkbau über quadratischem Grundriss
mit nachträglich verputzter Ziegelausfachung im unteren und vertikaler
Verbretterung im oberen Bereich. Als Turmabschluss flaches überstehendes
Pyramidendach, eingedeckt mit Biberschwanzziegeln.
Der im südlichen Gebäudeteil gelegene, bis in den Dachraum reichende
Betsaal schlicht gestaltet. Die Decke mit einfacher Holzverkleidung versehen,
der Fußboden mit Ziegeln belegt. Bestimmendes Ausstattungselement ist die
vierseitig umlaufende hölzerne Empore, getragen von sparsam profilierten
Balken und Stützen. An den beiden Schmalseiten statt der Emporenbrüstungen
jüngere Brettbalustergeländer. Im Süden der Altar sowie Kanzel und Taufe
aufgestellt; auf der Nordempore die Orgel. Vom Ursprungsbau erhalten die
bauzeitliche Dachkonstruktion als Kehlbalkendach mit doppelt stehendem Stuhl
und Sparrenabständen von ca. 2,50 m.
Ausstattung
Altar. Freistehend im Südteil. Mitte des 19. Jh. Holz
Taufe. Mitte 19. Jh., Holz, achteckiger Standfuß und Becken.
Orgel. 1855, von Orgelbauer Mickley aus Bad Freienwalde; ursprünglich vier
Register, 1871 um ein Register erweitert.
Empore. Um 1800. Dreiseitig umlaufende Holzempore auf Stützen in dorischen
Formen; die Brüstungen geschlossen, Brettbaluster über dem Altar. Die
Orgelempore von 1855.
Kirchengestühl. Mitte 19. Jh. Holz. Bankreihen in schlichter Gestaltung.
Glocke. 1855, Bronze. Gegossen von Johann Carl Hackenschmidt, Berlin.
Bedeutung
Das in der Ortsmitte stehende Schul- und Bethaus hebt sich mit seinem
markanten Glockenturm und dem in der Region heute nur noch selten
anzutreffenden rohrgedeckten Dach im Ortsbild von Wuschewier besonders
hervor. Für die Bewohner besitzt es als bauliches Zeugnis aus der
Gründungsphase des Dorfes identitätsstiftende Bedeutung. Im Oderbruch
gehört das Bauwerk zu den wenigen noch bewahrten Schul- und Kirchenbauten
aus friderizianischer Zeit. Mit seiner ablesbar gebliebenen ursprünglichen
Doppelnutzung veranschaulicht es den Typ eines Funktionsgebäudes, das hier
im 18. und 19. Jh. häufig anzutreffen war, von dem es inzwischen aber nur
noch wenige ähnlich authentisch erhaltene Beispiele gibt.
Quellen: BLHA, Pr. Br. Rep. 2 A, Abt. II, Oberbarnim, Nr. 2002, 2008, 2009;
ELAB 35 III a, d 39 Karton 32 und 337; BLDAM, Altakten, Erfassungskartei.
Literatur: Schmidt, Rudolf, 1928, S. 103-05; Schmidt, Rudolf, Aus dem
Oderbruchdorf Wuschewier, in: Oberbarnimer Kreiskalender 17/1928, S. 63-67;
Wagner, Stefanie, Wuschewier. Zur Baugeschichte des Schul- und Bethauses,
in: Brandenburgische Denkmalpflege 1997, H. 1, S. 85-96; Dehio Brandenburg
2000, S. 1141; Wagner, Stefanie, Zur Baugeschichte des Schul- und Bethauses
in Wuschewier, in: Janowski, Bernd / Schumann, Dirk: Dorfkirchen. Beiträge zu
Architektur, Ausstattung und Denkmalpflege, Berlin 2004, S. 461-75.