Denkmaltopographie Potsdam-Mittelmark, Bd. 14.1, 2009, S. 119 ff.

Der spätgotische Kirchenbau steht auf dem Dorfanger inmitten des bis heute
belegten, von einer reizvollen Feldsteinmauer (19. Jh.) umfriedeten
Kirchhofs. Darauf befindet sich südlich der Kirche eine nach Plänen von
1906 errichtete Leichenhalle mit von einem Dachreiter bekrönten Zeltdach.
Für 1717-20 ist die Pflanzung von insgesamt 53 Maulbeerbäumen auf dem
Kirchhof überliefert. Östlich davon kreuzt die Straße nach Krielow den
Dorfanger.
Derwitz war über Jahrhunderte Mutterkirche (um 1450 erstmals erwähnt).
Tochterkirchen hatte es ab 1541 in Krielow und ab 1959 in Plessow. Seit die
Pfarrstelle 1991 nicht mehr besetzt wurde, wird es von Groß Kreutz betreut.
Der in Derwitz wirkende Pfarrer Heinrich Wilhelm Lehmann (1800-61) erwarb
sich auch durch seine astronomischen Studien Anerkennung. Im Mittelalter
gehörte Derwitz zur Sedes Brandenburg, vor 1573 kam es zur Inspektion,
1806 zur Superintendentur Brandenburg-Neustadt und 1924 zur
Superintendentur Lehnin. Es war mit zwei Pfarrhufen ausgestattet (1375).
Das Patronatsrecht hatte im Mittelalter das Zisterzienserkloster Lehnin, seit
1542 der Kurfürst bzw. Fiskus.
Die Art des Mauerwerks, die Form der Öffnungen und die Gestaltung des
Ostgiebels weisen auf eine Entstehungszeit des einheitlichen Baues im
späten 15. oder Anfang des 16. Jh. hin. Von einem früheren, nicht
erhaltenen Turmabschluss stammt die Wetterfahne mit der Jahreszahl 1596.
Für 1699 sind Arbeiten an der Kirche überliefert, u.a. schuf Zimmermeister
Balthasar Sandtner aus Brandenburg ein neues Turmoberteil, das aber
bereits 1740 durch einen hölzernen Neubau ersetzt wurde
(Turmknopfnachricht). Bei einer Kirchenreparatur 1699-1700 durch
Maurermeister Adam Bauer aus der Neustadt Brandenburg wurde u.a. die
Dachdeckung erneuert. 1712-14 erfolgte der Einbruch von vier der barocken
Fenster; 1714-16 kam es zu kleineren Instandsetzungs- und Tischlerarbeiten
sowie zur Errichtung des Kanzelaltars. An Stelle des durch Fäulnis
geschädigten hölzernen Turmoberteils entstand 1804-05 der jetzige
Turmaufbau, ausgeführt durch Maurermeister Wilhelm Ren(d)schuh aus
Potsdam. Dazu hatten die Derwitzer Bauern und Kossäten Spann-, die
Halbkossäten und Büdner Handdienste zu leisten. Das schlichte Zeltdach
des Turms wurde später durch den bis heute vorhandenen Spitzhelm
ersetzt, zu dem 1855 Bauinspektor Schneider den Entwurf geliefert hatte.
1867 erfolgten Reparaturarbeiten an Kirche und Turm. Von einer seit 1934
geplanten größeren Kirchenrenovierung kam lediglich die Restaurierung des
Altars zustande. 1978 wurde die zarte Putzgliederung des Turms durch
neuen Rauputz (i) zerstört und damit die Wirkung der Kirche insgesamt
beeinträchtigt.
Die Derwitzer Kirche ist ein 21,9 x 9,8 m großer rechteckiger Saalbau aus
Mischmauerwerk mit östlichem Ziergiebel, bibergedecktem Satteldach und
Westturm. Das lagenweise aufgeführte Mauerwerk der Kirche besteht aus
unterschiedlich großen gespaltenen Findlingen, Feldstein- und Ziegelbruch
sowie größeren Putzflächen, die Laibungen der Öffnungen, Teile der
Gebäudeecken und der östliche Staffelgiebel aus Backstein (9-10 x 13-14 x
29,5-30 cm). Den oberen Abschluss bilden ein vorstehender Putzstreifen
und das profilierte Traufgesims. Hauptschmuck des Kirchenbaues ist der gut
erhaltene Ostgiebel mit seiner Blendengliederung. Jeder der fünf Staffeln ist
eine große Spitzbogenblende zugeordnet, die jeweils zwei
Rundbogenblenden mit darüber sitzender, tropfenartig endender
Rundblende überfängt. Die pyramidenartigen Abschlüsse der Fialen gehen
in ihrer jetzigen Form wohl auf eine Erneuerung um 1900 zurück.
Ursprünglich sind die beiden schmalen Flachbogenöffnungen zur Belichtung
des Dachbodens. Im Osten der Schiffssüdseite hat sich die flachbogige
Priesterpforte erhalten. Sie wurde bereits in der zweiten Hälfte des 16. oder
im frühen 17. Jh. durch zu Mustern versetzte großformatige Ziegel
vermauert. Das mittelalterliche Hauptportal, ursprünglich vermutlich eine
flachbogige Türöffnung, die von einer Spitzbogenblende überfangen wurde,
lag im Bereich des zweiten Fensters von Westen auf der Schiffssüdseite.
Erkennbar sind noch die seitlichen Laibungen. Das in die Turmhalle
führende flachbogige Westportal besitzt ein altertümliches, möglicherweise
mittelalterliches Türblatt mit eisernen und profilierten hölzernen Langbändern
(die Aufdoppelung der Außenseite barock). Auf der Nordseite der Kirche
befanden sich keine Zugänge. Die bauzeitlichen Fenster scheinen an den
Stellen der großen barocken Flachbogenöffnungen gelegen zu haben, drei
auf der Nord-, zwei auf der Ost- und vier auf der Südseite. Vorhanden sind
nur noch Reste der rechten Laibung des östlichen Fensters der Südseite. In
der Mitte der Ostwand befindet sich ein zugesetztes Blendenpaar (vielleicht
auch ein ehemaliges Fenster), auf der Nordseite des Turmbereichs eine
Blende mit gedrückt rundbogigem Abschluss.
Der auf der Süd- und Westseite jetzt verputzte, aus Feld- und Backstein
bestehende querrechteckige mittelalterliche Turmunterbau endet ein Stück
oberhalb der Schiffstraufe (vor allem im Westen mit jüngeren
Ziegelausbesserungen). Während die Seitenteile durch Pultdächer
abgeschlossen werden, erhebt sich über dem Mittelteil der 1804-05
errichtete quadratische Turmaufbau (Ziegelmauerwerk mit innerer
Fachwerkkonstruktion). Die sehr feine Putzgliederung wurde 1978 durch
groben Rauputz zerstört. Bis dahin belebten zarte Putzquaderung und
genutete Ecklisenen den Unterbau. Über dem durch Fasche und
Schlussstein gerahmten Westportal sitzt ein Halbkreisfenster mit ehemals
von Rechteckkonsolen getragener Sohlbank. Der im Inneren auf großen, in
den alten Turmunterbau eingestellten, gemauerten Spitzbögen ruhende
Turmschaft wird außen durch bandförmige Gesimsstreifen gegliedert. Über
einem Geschoss mit quadratischem Fenster auf der Westseite erhebt sich
das höhere Glockengeschoss mit schlanken rundbogigen Schallöffnungen
und darüber sitzenden Zifferblättern auf allen Seiten. Bis 1978 hatten die
Öffnungen Kämpferprofile und wurden die Ecken durch ganz leicht
vortretende lisenenartige Streifen gefasst. Der früher verschieferte, jetzt
pappgedeckte Abschluss besteht aus einem flachen Zeltdach, aus dem sich
ein achtseitiger Spitzhelm entwickelt.
Nord- und Südseite der Turmhalle besitzen jeweils eine Flachbogennische
mit vermauertem kleinen Rundbogenfenster. Ursprünglich stellte ein breiter
Spitzbogen die Verbindung zum Schiff her. In der späteren Vermauerung
befindet sich ein flachbogiger Zugang mit aufgedoppelten Türblättern. Das
durch eine flache Putzdecke abgeschlossene Kirchenschiff besitzt einen mit
großen quadratischen Tonfliesen belegten Fußboden sowie zwei flachbogige
Wandnischen im Osten der Nordseite und eine weitere im Süden der
Ostseite. Die flache Rechtecknische im Süden ist ein Rest der ehemaligen
Priesterpforte.
Vollständig erhalten ist die bauzeitliche, verblattete Dachkonstruktion mit
engstehenden Gebinden. Es handelt sich um ein Sparrendach mit
Kreuzstreben, Sparrenknechten und mittlerem, als Hängewerk wirkendem
Längsverband. Dessen Stiele reichen bis zu den Kehlbalken, mit denen sie
verblattet sind. Riegel und Kopfbänder dienen zur Aussteifung in
Längsrichtung. Das östlichste der insgesamt 14 Gebinde bildet zugleich die
Stützkonstruktion für das dünne Mauerwerk des spätgotischen Giebels.
Ältere Fotos zeigen wohl aus dem frühen 20. Jh. stammende, später
übertünchte ornamentale Verzierungen an den Wänden des Innenraums.
Ausstattung
Kanzelaltar. »1716 G. K.« (i auf der Rückseite), geschaffen von Meister
Tissel aus der Neustadt Brandenburg (nach den erhaltenen Rechnungen
1715-16). 1935 restauriert durch die Werkstatt von Paul Thol aus Berlin
(dabei u.a. Konservierung und Erneuerung von Farbfassung und
Vergoldung). Schmaler hölzerner Aufbau mit reich geschnitzten seitlichen
Akanthuswangen und polygonalem Korb zwischen gewundenen Säulen;
diese mit korinthischen Kapitellen und von plastischen Ähren- bzw.
Weinranken als Symbolen für Brot und Wein (Leib und Blut Christi)
umwunden. Die Brüstungsfelder des Kanzelkorbs von reich bewegtem
Umriss; an den Ecken mit gewundenen Halbsäulchen besetzt, über deren
Kapitellen Akanthusblattschmuck; reiches Blattwerk auch unter der
Brüstung; Lesepult von Engelsflüchte gestützt. Schalldeckel in die
Gebälkzone einbezogen, bekrönt von vegetabilen Ornamenten und kleinen
Urnen; auf dem Sprenggiebel naive plastische Posaunenengel, seitlich
Urnen. Sockelbereich des Altars mit biblischen Sprüchen. Gemauerter
Altarunterbau.
Taufe. Wohl erste Hälfte 18. Jh.. Achteckig; Wandung mit schmalen
Rechteckfeldern. Deckel mit aus gesägten bügelförmigen Streben
gebildetem Aufsatz, den eine vergoldete Kugel bekrönt. Taufschale. Erste
Hälfte 16. Jh. Messing; mit getriebener Darstellung der Verkündigung an
Maria, Zierumschrift und am Rand Sternmuster.
Taufstein. 19. Jh. Klassizistisch; auf Löwentatzen. Jetzt als Blumenschale
genutzt.
Orgel. 1882 von Carl Eduard Gesell aus Potsdam (i), dem Lehrer Alexander
Schukes. 8 Register, 1 Manual und Pedal; mechanische Schleiflade.
Vierteiliger Prospekt mit Rundbogenöffnungen, die breiteren seitlichen
risalitartig vortretend; geschmückt durch Pilaster und Rosetten.
Liedertafeln. Zwei schlichte Holztafeln mit oberem Abschluss in Form eines
flachen Giebels.
Gemeindegestühl. 18. Jh. Rechnung für Frauenstühle durch Meister Tissel
aus Brandenburg von 1715/16 überliefert. Angeordnet in zwei Blöcken.
Bänke mit einfach geschwungenen Wangen. Das Lesepult ein zierlicher
Holzständer, oben durch gesägte Zierbrüstung abgeschlossen.
Westempore. Wohl 1693/94, denn damals Rechnung für Chor-Einbau.
Hufeisenförmig; getragen von sechs schlanken hölzernen Rundstützen;
Brüstungen mit einfachen Rechteckfeldern; die westliche im Zuge des
Orgeleinbaues neugestaltet (mit Rosettenschmuck wie beim Orgelprospekt);
damals auch die zwei getrennten Treppen im Nordwesten und Südwesten.
Ein seltenes Detail die hölzernen Kollektenteller an den westlichen Stützen.
Auf der Empore mehrere ältere Holzbänke.
Totenkronenbretter. 19. Jh. Erhalten mehrere hölzerne Inschrifttafeln, u.a. für
Johann Friedrich Kuckuk (1819-43) und Johann Friedrich Ihlefeld, letztere
mit Kissen in verglastem Schaukasten. Abgestellt auf dem Dachboden des
Schiffs. 1899 auch noch Totenkränze erwähnt.
Gedenktafel für Gefallene der Befreiungskriege (1813 und 1814); offenbar
1918 geschaffen. Holztafel mit Rahmung, abgeschlossen durch profiliertes
Gesims.
Gedenktafel für Gefallene des Ersten Weltkriegs. Große Holztafel mit
Rahmung, abgeschlossen durch profiliertes Gesims. Gefasst und
beschrieben in Schwarz und Weiß. Beide Gedenktafeln bilden zusammen
mit einer schlichten Tafel und eisernen Jahrszahlen 1939-1945 eine
Gedenkecke im Nordosten der Turmhalle.
Bronzeglocke. Schlanke Form mit Inschrift am Hals, die Jahreszahl wohl als
1476 zu lesen.
Bronzeglocke. 1911 von der Firma Franz Schilling aus Apolda (i).
Turmuhrwerk. 1892 neue Turmuhr der Groß-Uhren-Fabrik C. F. Rochlitz
angeschafft. Noch in Funktion. Reste alter hölzerner Zifferblätter im Turm
abgestellt.
Mit ihrem reichverzierten Ostgiebel und dem bewahrten ursprünglichen
Dachwerk ist die Derwitzer Kirche der bedeutendste Dorfkirchenbau der
Spätgotik in der nördlichen Zauche. Durch die zahlreichen Kirchenneu- und
Umbauten im 18. und 19. Jh. haben sich hier nur wenige mittelalterliche
Bauten in ähnlicher Vollständigkeit bewahrt. Von großem ästhetischen Reiz
ist das geradezu bunte Mischmauerwerk. Das aufwendige Kreuzstrebendach
mit Hängewerk ist ein hochrangiges Meisterwerk mittelalterlicher
Zimmermannskunst und im ländlichen Bereich eines der ältesten, die sich in
der Region erhalten haben. Außerdem besitzt Derwitz im Vergleich zu den
meisten anderen Dorfkirchen eine in großer Vollständigkeit bewahrte
Einrichtung. Hier fielen Empore und Gestühl nicht den Modernisierungen
nach 1945 zum Opfer. Höhepunkt der Ausstattung ist der beachtliche
barocke Kanzelaltar.
Quellen: A. Cante 2005, S. 27-34; Themel/Ribbe 1986 (Kirchenbücher), S.
378. BLDAM, Altakten Provinzialverband, Nr. 238 (1906 Leichenhalle, 1911
zu Glocke, 1934-40 zu geplanter Renovierung); Altakten IfD, Nr. 04/12/09
(1947); historische Fotos in Fotosammlung. DStA, Depositum Ephoralarchiv
Brandenburg Neustadt, BEN 144/114 (Bauten und Reparaturen an den
geistlichen Gebäuden 1765-1822); Depositum Ephoralarchiv Lehnin, L-E
514/412 (Glocken 1926-1955); Depositum Pfarrarchiv Derwitz, Der 66,1/109
(Rechnungsbuch von Derwitz, enthält auch Inventar der Kirche 1631-1744),
Der 68/92 (Kirchenrechnungen von Derwitz 1852-1878), Der 86/65
(Kirchenbau und Kirchhof in Derwitz 1797-1908 [eigentlich 1752, 1784-
1915], darin Stuhlregister von Prediger W. Lehmann und »Situationsplan der
Kirchenstühle in der Kirche zu Derwitz«, Skizze 1840), Der 89/P 201 A2
(Zeichnung Kirchturm und Grundriss 1855), Der 89,1/P 356 A3 (Ansichten
und Schnitte Kirchturm sowie Grundriss der Kirche 1855).
Literatur: Wolff 1920, S. 91; Methling, 1943, S. 11f.; Klünder 1951, S. 57, 59
und 67; Eckardt 1968/69 (Erfassungskartei im BLDAM); Kurztopographie
1978, S. 268; Rohrlach 1977 (Ortslexikon), S. 91f.; Lohmann 1993
(Orgelerfassung); Vinken 2000 (Dehio), S. 225; Wegweiser in den
Pfarrsprengel Groß Kreutz 2004.