Dehio Brandenburg, 2012, S. 74 ff.

In mehreren Bauphasen errichtete vierschiffige spätgotische Backsteinhalle
von vier Jochen mit zweijochigem, polygonal geschlossenem
Hallenumgangschor, bedeutend vor allem durch die in außergewöhnlichem
Umfang erhaltene Ausstattung des 15.–18.Jh.
Baugeschichte
Von dem Vorgängerbau, einer dreischiffigen Feldsteinbasilika mit
Westquerturm und unbekanntem Chorschluss aus dem 2. V. 13. Jh. nur die
Ostwand des 1838/39 abgetragenen Turms mit den vermauerten
Spitzbogenöffnungen zu den Seitenschiffen erhalten. Fensterreste in der
Feldsteinwand über den nördl. Mittelschiffsarkaden (im Dachstuhl) deuten
auf einen wiederum basilikalen Umbau wohl um 1300 hin, bei dem das
flachgedeckte Mittelschiff auf annähernd die heutige Breite erweitert und im
Osten ein gewölbter Backsteinchor mit7/12-Polygonalschluss errichtet wurde.
Der spätgotische Neubau beg. 1.H.15.Jh. vermutlich mit einer Erweiterung
nach Norden durch die Errichtung der beiden nördl. Hallenseitenschiffe, nach
M.15.Jh. mit dem Umgangschor fortgesetzt und durch die Öffnung der nördl.
Mittelschiffswand zu den beiden nördl. Seitenschiffen weitergeführt; auch die
Nordsakristei am Chor gehört dieser Bauphase an. 1485/90 Errichtung des
südl. Seitenschiffes und der Süd-Kapelle. Im Chorumgang 1988 eine
Weiheinschrift von 1479 aufgedeckt, über der östl. Mittelschiffsarkade im
Norden eine Inschrift von 1519, die Petrus Hinr[icus] von Luckov als
vollendenden Meister nennt und sich auf die Mittelschiffswölbung sowie den
Ost-Giebel der Sakristei beziehen könnte. Der gedrungene quadratische
Westturm aus Backstein 1846 nach Entwurf von Bauinspektor Butzke
errichtet, gleichzeitig die Kirche durch J. Manger rest. Weitere
Restaurierungen 1975 bis in die 1990er Jahre. Baugestalt
Der Außeneindruck sehr einheitlich, durch die Unterschiede zwischen Nord-
und Südseite nicht gestört. Die Langhausnordseite auf hohem
Feldsteinsockel mit stark vortretenden, mehrfach gestuften Strebepfeilern.
Die einzelnen Joche des äußeren nördl. Seitenschiffs unter
Quersatteldächern mit schlichten Giebeln, gegliedert von fünf flachen, in
kurzen Fialen endenden Streben. An Südseitenschiff und Chor dagegen sehr
flache, auf zwei Drittel der Höhe eingezogene Strebepfeiler. Alle Fenster mit
einfachem, vierbahnigem Stabwerk und wechselndem Gewändeprofil, auf
Sohlbankhöhe ein kurzes, umlaufendes Kaffgesims. Im Norden und am Chor
der Trauffries einfach verputzt, im Süden ein Maßwerkfries mit Fischblasen.
Das gestufte Rundbogenportal aus Feldstein im Ostjoch des nördl.
Seitenschiffs unter Verwendung von Material des Vorgängerbaus;
Spitzbogenportale mit profiliertem Gewände beiderseits im Westjoch und im
Südanbau. Dieser von hohem Ziergiebel mit drei Reihen einander
überschneidender Kielbogenblenden bekrönt, über der Giebelschräge
gestufte Fialaufsätze. Ähnlich die Sakristei mit Zierrippengiebel; beide mit
Bezug auf den Marktplatz.
Innen.
Verbindung einer asymmetrischen Langhauslösung mit im 15.Jh. in Mark und
Altmark geläufigen Chorumgangs- und Pfeilerformen. Der außergewöhnlich
weite Innenraum geprägt durch die Farbfassung um 1520: Gegensatz
zwischen hellen Pfeilern und dunkelroten Gewölberippen. Im Mittelschiff
Sterngewölbe, in den nördl. Seitenschiffen einfache Sternformen, im
Südseitenschiff Netzgewölbe. Die geraden Chorjoche kreuzrippengewölbt, im
innen drei-, außen fünfseitigem Umgang Wechsel von Kreuz- und
Dreistrahlgewölben. Die unregelmäßigen Pfeiler der nördl.
Mittelschiffsarkaden beim Durchbruch der ehem. Hochschiffwand zu den
Nordseitenschiffen entstanden. Der für nördl. Scheid- und südl.
Langhausarkaden in leicht unterschiedlichen Einzelformen verwendete
Pfeilertyp mit achteckigem Kern und Halbrundvorlagen zu allen Seiten schon
in der Marien- (um 1270/80) und der Nikolaikirche (um 1380 und 1.H. 15.Jh.)
in Berlin benutzt. Im Gegensatz dazu folgen die runden Chorpfeiler mit je
zwei, im Polygon vier gedrehten Dienstvorlagen einem aus Stendal,
Tangermünde und St. Gotthard in Brandenburg bekannten Pfeilertyp. Auch
die raumhohen Wandnischen zwischen den nach innen gezogenen
Strebepfeilern an Südwand und Chor in Tangermünder Kirchen anzutreffen.
– Ausmalung um 1520. (1975/90 erneuert) mit Fugennetz aus doppelten
schwarzen Strichen auf weißem Grund für Pfeiler und Vorlagen, farbig
gefassten Kapitellen und Konsolen sowie rotbraunen Rippen. Im
Chorgewölbe zarte Blütenmalerei. Darunter in den nördl. Seitenschiffen und
im Chor ältere Fassungen und Wandmalereien aufgedeckt, die die frühere
Fertigstellung dieser Bauteile belegen. Im dritten Joch von Westen an der
nördl. Langhauswand monumentales Christophorusbild, A.15.Jh. In breiter
Wandnische über der Tür zum Südanbau Geißelsäule mit Darstellung des
guten und schlechten Gebets, nach 1500. Anbauten. Im Südanbau schönes
Sterngewölbe auf fratzenhaften Konsolen in den Raumecken. Darüber der
sog. „Mönchschor“ mit großer Spitzbogenöffnung zum Schiff, die Brüstung
ein Formsteingitter. Das Gewölbe rautenförmig auf parallelen Birnstabrippen,
die mittlere Raute nochmals durch Parallelrippen unterteilt. Die farbige
Raumfassung mit roten Fensterrahmungen und Vorlagen, z.T. gequadert, vor
weißer Wand, 1978/79 nach alten Resten wiederhergestellt, der ältesten
Chorfassung entsprechend. – In der Sakristei vier Kreuzrippengewölbe von
tauförmig gedrehter Mittelsäule getragen, als Kapitell ein Laubstab; die
Birnstabrippen z. T. auf Blattkonsolen, die Schlusssteine mit zierlichem
Maßwerk. An der Ostwand gemauerter Backsteinaltar mit gespitzten
Kantstäben in seitlichen Kehlen, 3.V. 15.Jh. In der Südwand Schranknische,
die Türen aus Holzgitter mit Eisenbeschlägen, 16./17.Jh.; Wandnische mit
eisenbeschlagener Tür. Im Obergeschoss (seit 1584 sog. „Schülerchor“), das
sich in zwei ungleich großen Spitzbögen zum Chorumgang öffnet, zwei
Kreuzrippengewölbe. Die Brüstung 1846 nach dem Muster des
„Mönchschors“ ergänzt.
Ausstattung
Im Chor der gemauerte Backsteinaltar mit seitlichem Sepulchrum. Darauf
großer, qualitätvoller Schnitzaltar, um 1520, mit vier inneren beweglichen und
zwei äußeren feststehenden Flügeln sowie bekrönendem filigranen
Gesprenge, einer der bedeutendsten spätgotischen Altäre der Mark; wohl
Berliner Werkstatt. Die szenischen Malereien der Flügel und der Predella aus
dem Umkreis L. Cranachs d. Ä., in Schrein, Flügeln und Gesprenge
Skulpturen und aufwendige Schnitzereien. Im zweizonigen Mittelschrein
oben die von seitlichen Posaunenengeln begleitete Marienkrönung, unten
große Skulpturen der hll. Laurentius, Nikolaus, Johannes d.T. und
Constantius in rankenverzierten Nischen. In den Flügeln je zwölf
Heiligenfiguren dreireihig angeordnet. Im reich verschlungenen Gesprenge in
zwei Geschossen die Skulpturen Christi zwischen Petrus und Paulus, über
ihren Baldachinen der hl. Georg zwischen Andreas und Jakobus. Auf der
Predella vier gemalte Szenen aus der Nikolauslegende. In der ersten
Wandlung zeigt die Mitte 16 Bilder aus der Leidensgeschichte Christi, die
Flügel je acht Bilder aus Marienleben und Kindheit Jesu. In geschlossenem
Zustand erscheinen in gleicher Bildanordnung 32 Wunderszenen und
Martyrien verschiedener Heiliger. In den Wandnischen des Chorumgangs die
Mensen der Nebenaltäre. Am Umgangspfeiler links des Hauptaltars
gemauertes Sakramentshaus, um 1480, unter Verwendung eines älteren
Schreins, der eingebaute hölzerne Schrank mit schönen eisenbeschlagenen
Türen, darüber gemaltes Schweißtuch der Veronika; die äußeren Türblätter,
A. 15. Jh., gegen 1500 in vier Felder eingeteilt und übermalt: oben das
Christuskind mit dem Kreuz über dem Kelch stehend, von Maria angebetet
(gegenüber), unten Petrus und Paulus. An der Nordseite des
Sakramentshauses in lanzettförmiger Nische zwei Wandmalereien:
Schmerzensmann, darüber im fialenbekrönten Aufsatz Gregorsmesse, beide
um 1480. Hölzerne Kanzel, 1609; auf dünner Stütze mit Engelshermen, am
polygonalen Korb Ohrmuschelwerk und toskanische Ecksäulchen, in den
Muschelnischen Skulpturen der vier Evangelisten und Christi (um 1400)
sowie eine spätgotische Madonna (um 1470), auf dem kronenartig
durchbrochenen Schalldeckel der wiedergeborene Phönix. Großer
pokalförmiger Taufstein mit polygonaler Kuppa (hinter dem Altar), 14./15.Jh.
Farbig gefasste Holztaufe, 1606, die breite achteckige Kuppa mit
Ecksäulchen und Muschelnischen auf Hermenbüsten und Voluten. Der
turmartige Deckelaufsatz aus zwei offenen Arkadengeschossen, als
Bekrönung Beschlagwerkspangen und Pelikan. Ausdrucksvolle hölzerne
Triumphkreuzgruppe, 3.V.15.Jh., auf Laubkonsolen über kielbogigem
Sprengwerk, das krabbenbesetzte Kreuz in Medaillons mit den
Evangelistensymbolen endigend, die Skulpturen fast lebensgroß. Seitlich auf
dem Balken (inschriftlich 1490) eine kleinere Jakobusskulptur (nicht
zugehörig). Chorgestühl, A.17.Jh., an der Südseite Bürgermeisterstuhl, E.
16. Jh., in den Rundbogenfeldern zwischen kannelierten korinthischen
Säulen schöne Intarsien; im Mittelfeld perspektivische Architektur, an der
Schmalseite Tür in Ädikularahmung mit ionischen Säulen; an der hohen
Sitzwange Löwenmaske und Engelsherme, außerdem zwei ältere
Kopfstücke vom A. 16. Jh. mit männlichem Halbporträt und Bernauer
Wappen daran wiederverwendet. Entsprechend an der Nordseite
Diakonatsstuhl, A.17.Jh., mit reichem Beschlagwerk, sich verjüngenden
Pilastern und kannelierten quadratischen Freipfeilern. Das Gestühl des 16.
und 17. Jh. fast vollständig erhalten, das 1676 dat. Kastengestühl im Schiff
mit Aufsatz aus Knorpelwerk und Ranken. Zwei Sitzlauben, 1.H.17.Jh. (mit
Blendbögen zwischen kannelierten Pilastern) und um 1700 (mit gewundenen
Säulchen). Beichtstuhl mit ovalen Spruchkartuschen, dat. 1729.
Ehem.Sakristeitür, A.16.Jh. mit schmiedeeisernen Beschlägen. Im äußeren
nördl. Seitenschiff und an der nördl. Westwand hölzerne Emporen, 1614 als
„Tuchmacher-“, „Schuster-“ und „Knechtechor“ auf z.T. gewundenen Stützen
errichtet. An der Brüstung 75 auf Leinwand gemalte Ölbilder aus dem Alten
Testament. Die Orgelempore 1864 umgebaut, an ihren Seitenbrüstungen ein
Teil der Bilder wiederverwendet; die Orgel von 1572 (jetzt im „Schülerchor“)
durch eine neugotische ersetzt. Unter der Orgel eine Zwischenempore des
18.Jh., der sog. „Bürgerchor“. Darunter Opfergeldtruhe, 16./17.Jh.
Sitzmadonna unter Baldachin, gefasstes Holz, um 1510/20. Zwei schöne
kniende Leuchterengel aus Holz, um 1520. Gefasstes hölzernes Altarkruzifix,
1.H. 16.Jh. An der Ostwand des Nordseitenschiffs qualitätvolles
Sandsteinrelief, Christus am Ölberg, um 1400, farbig gefasst, im Hintergrund
gemalte Gefangennahme und Stadtlandschaft. Darüber bemerkenswertes
Holzrelief der Geißelung Christi, 1591, Buchsbaum. Im „Schülerchor“: Zwei
hölzerne Skulpturen der hll. Margarete und Stephanus, um 1500. Drei große
und drei kleine Musikengel von verschiedenen Orgeln, wohl E.16.Jh. bzw. A.
17. Jh., dazu eine geschnitzte Wange und Pfeifen von einem älteren
Orgelprospekt. Altarbehang, 2.H.15.Jh., gemusterter Seidendamast
italienischer Herkunft mit gesticktem französischem Wappen und Kruzifix des
16.Jh., dazu ein älterer Fürleger (Borte) mit Stickerei und Applikation 14./15.
Jh. In den Wandnischen des Chorumgangs unter den Fenstern: Tafelbild der
Auferstehung Christi, M.16.Jh. Zwei Gemälde, Abendmahl und
Auferweckung der Tochter des Jairus 17./18.Jh. Vier Pastorenbildnisse von
1710, 1741, 1744 und 1833. Von ehem. 20 Totenkronen drei reich gestaltet
und mit qualitätvollem Gehäuse sowie sieben weitere, 1796–1851, 2004 rest.
Im Turmraum hölzernes Hausportal (ehem. Berliner Str. 13), um 1750.
Grabmäler und Epitaphien
Chorumgang. Großes gemaltes Wandepitaph der Familie M. Rüchker, dat.
1607, mit Ölgemälde des Abendmahls; links daneben säulengerahmtes
Epitaph der Familie J. Belinck, dat. 1618, mit Gemälde der Gefangennahme
Christi, beide mit der knienden Stifterfamilie im Vordergrund. Epitaph für
Andreas Schultheiß († 1540) und Familie, gesetzt 1561, das zugehörige
Gemälde Christus als Sieger, dat. 1558, jetzt getrennt aufbewahrt. Brustbild
des segnenden Christus mit gläserner Weltkugel, vom Epitaph Bartholomäus
Rundt, gesetzt 1602. Hölzerne Gedenktafel für Thomas Werwyck († 1521),
mit der knienden Stifterfamilie. Figurengrabstein einer Frau Anna († 1597).
Vier Inschriftgrabsteine: Michael Polack († 1675), Dorothea Damen († 1596)
(beschädigt) und Anna Damen († 1597) sowie für vier Kinder von Tobias
Seiler, gesetzt 1731. – In der Südkapelle zwei Grabsteine für Georg Mauß (†
1666), mit kleinem Georgsrelief, sowie für Daniel Schultze und Frau († 1677
bzw. 1678), mit Rankenreliefrahmen und kleinem Danielsrelief. – An der
Außenwand des Südseitenschiffs ein Grabstein mit draperiehaltenden Putten
für Benjamin Hiltener und Frau († 1719 bzw. 1725) und zwei
Inschriftgrabsteine für Bartholomäus Schultze und Frau, dat. 1701, und
Johann Hübner und Frau († 1705 bzw. 1712).