Dehio Brandenburg, 2012, S. 316 ff.

Sehr große, urspr. gewölbte Hallenkirche aus Backstein mit fünfschiffigem
Langhaus, Querschiff, Umgangschor und westl. Doppelturmfassade. Das
mächtige Chordach charakteristischer Bestandteil der Stadtsilhouette. Ehem.
der „räumlich bedeutendste Bau der Mark Brandenburg“ (Georg Dehio). 1945
stark zerstört; Wiederaufbau 1980–2008.
Baugeschichte
Entstanden in mehreren Bauphasen. Bauarchäologische Befunde deuten auf
mindestens einen (wohl basilikal geplanten) Bau aus Feldstein vor der
Stadtrechtsverleihung 1253; Der heute in Langhaus und unterer
Westturmfront weitgehend erhaltene Bau urspr. eine dreischiffige,
kreuzrippengewölbte Hallenkirche mit dreijochigem Langhaus und
ausladendem Querhaus, 1300 erwähnt; danach der Westbau zweitürmig
erhöht. Reste eines Chors aus dem 13. Jh. nach Grabungsergebnissen im
Bereich der Südmauer des späteren Umgangschors erhalten. – Eine der
frühesten Backsteinkirchen der Mark, in Material; Gestalt und Größe
abweichend von den Pfarrkirchen der askanischen Gründungsstädte des
13.Jh. Grundriss, Hallenschema und Pfeilerform legen westfälischen Einfluss
nahe. Die Zweiturmfassade dann möglicherweise vermittelt aus dem
niedersächsischen Umkreis des erzbischöflichen Kathedralbaus in
Magdeburg. Der Hallenumgangschor errichtet wohl in 1350/60er Jahren
(Kreuzaltarweihe 1367) vermutlich nach Parler-Plan der Hl.-Kreuz-Kirche in
Schwäbisch-Gmünd (1351 beg.); frühes Beispiel im norddeutschen
Backsteingebiet und vielleicht erstes seiner Art im Land Brandenburg. Bald
danach Anbau der polygonalen Eingangshalle am nördl. Querschiff.
Wahrscheinlich nach Chorfertigstellung das Langhaus in 1370er Jahren
fünfschiffig erweitert durch die asymmetrischen äußeren Seitenschiffe.
1521/22 der ältere Chorsüdanbau durch zweigeschossigen Nachfolger
(Sakristei und sog. Martyrchor) ersetzt. Rest. und Bausicherung 1828–30
nach Einsturz des Südturms 1826;1922–25 Rest. des Äußeren. Nach
Zerstörung im April 1945 Sicherung der Ruine, 1980 Rest. beg. in teilweise
reduzierten Formen, 1995–98 Eindachung. Rekonstruktion der Chorgewölbe
2004 zum Einbau der 2002 rückgeführten Chorglasfenster. Einbau der rest.
Chorfenster 2005–2007.
Außenbau
Die Doppelturmfront in den unteren drei Geschossen angelegt als blockhaft
geschlossener Querriegel mit Feldsteinquadersockel. Über dem
spitzbogigen, fünffach abgestuften, zweiachsigen Westportal mit
Maßwerkgitter (vielleicht um 1300, 1925 erneuert) in Rechteckrahmung ein
von Zwillingsblenden flankiertes Spitzbogenfenster; an den Schmalseiten bis
in Schiffshöhe ebensolche Blendgliederungen. Die Westfront nach
Planwechsel um 1300 über umlaufendem Gesims-band mit zwei
quadratischen Türmen weitergeführt (Südturm 1826 eingestürzt und
abgetragen). Der quadratische Nordturm durch Gitterfriese in
Geschosswürfel gegliedert, im ersten Freigeschoss reiche Maßwerkblenden
mit erhaltener Fassung (überputzt und rekonstruiert), vergleichbar dem
Maßwerk der Klosterkirche von Chorin. Die drei oberen Geschosse
mitabschließendem Zinnenkranz und kupfergedeckter Spitze erst im späten
14. und 15.Jh. aufgesetzt, gestalterisch deutlich abgesetzt durch urspr.
engobierte Weißfassung mit roten Gliederungen (Schachbrettmuster), um
M.15.Jh., 2003 rest. Der mächtige Baublock des Langhauses geprägt durch
die fünfschiffige spätgotische Erweiterung. Die Langfronten mit abgetreppten
Strebepfeilern und großen vierteiligen Fenstern, im Süden altertümlich von
kleinen Lanzettfenstern in schmalen Spitzbogenblenden begleitet
(Angleichung an die Fensteranordnung der frühgotischen Halle?). Als oberer
Wandabschluss umlaufendes Sägeschnittband; darüber zur Kaschierung der
Dächer des Kernbaus auf der Nordseite zweigeschossige, mit fensterartigen
Rechteckfeldern und Wimpergreihen gegliederte Giebelwand als ehem. zum
Markt gewandte Schaufassade, die Putzflächen urspr. bemalt (1966
eingestürzt, 1983/84 rekonstruiert). Ähnlich, aber weniger plastisch die
Giebelwand der Langhaussüdseite, hier ein metallener Nimbus (1925
rekonstruiert) einer urspr. Reihe von Heiligenfiguren als Rest einer ehem.
reichen Gesamtfassung der Südseite auf Backstein, u.a. Fenster von
Krabben gerahmt, um 1400. In Anlehnung an die Langhausgiebel die westl.
Schildgiebelwand von 1927 gestaltet. An der südwestl. Ecke polygonaler
Treppenturm, daneben Pforte mit reich profiliertem Gewände aus Backstein,
an einem Strebepfeiler Kreuzigungsrelief mit Stifterfigur (1.H. 15.Jh.?). Im
Nordwesten ein kleineres, mit Fialen und Krabben geschmücktes
Kalksteinportal, darüber in Blendfeldern Reliefs aus Sandstein: Pietà mit
Stifterpaar und hl. Georg zu Pferd (2.H. 14.Jh.?), über der Scheitelfiale
Baumeisterbüste; wohl nicht am urspr. Ort. Der südl. Querhausarm im
Zusammenhang mit dem zweigeschossigen, dreijochigen Sakristeianbau
1524 um ein Joch verlängert, Portal und Maßwerkfenster 19.Jh. Die
Querhausgiebel unter den Dächern der Anbauten und Erweiterungen
erhalten. Von der polygonalen Eingangshalle verdeckt der Nordgiebel mit
einer Reihung von drei Wimpergen mit Maßwerkrosetten, an den trennenden
Pfeilern senkrechte Vierpassfriese, M. 14. Jh., Befunde bauzeitlicher reicher
Polychromie; unterhalb des Giebelansatzes ein älterer Plattenfries mit
Lilienrelief (auch an den Langhauswänden; ähnlich an der Klosterkirche
Lehnin, um M.13.Jh.) und ein kleeblattbogiger Blendenfries mit Resten
figürlicher Bemalung (Heiligenbüsten), diese noch 13. Jh. Der Giebel
korrespondierte räumlich und stilistisch mit der Südfassade des Rathauses.
Die Nordvorhalle am Querhausarm in repräsentativer Kapellenform wohl bald
nach 1367; formal dem Chor verwandt, unterschiedlich die glatten Schrägen
der Fensterlaibungen. Im Scheitel des Polygons aufwendige Portalanlage als
neuer Haupteingang der Kirche in der Achse zum Rathaus; angeblich mit
Inschrift 1376. Das Figurenportal aus Sandstein unter baldachinartigem
Kreuzrippengewölbe einmalig in der Mark. In Kreisblenden über dem Portal
die Wappen des Kaisers, Böhmens und Brandenburgs, Anlass für die
Portalausstattung wohl die Bestätigung sämtlicher Stadtrechte durch Kaiser
Karl IV. 1376. Das Figurenprogramm böhmisch beeinflusst, auf die Epiphanie
hinweisend. Skulpturen dagegen bisher stilistisch nicht eindeutig bestimmt,
vielleicht z. T. noch aus dem wittelsbachischen Kreis rheinpfälzischer
Hofwerkstätten Kaiser Ludwig des Bayern und dessen Sohn, dem
brandenburgischen Markgrafen Ludwig: im Gewände qualitätvolle Figuren
des Moses, König David und zwei Propheten, im Bogenscheitel Büste des
segnenden Christus, 3.V. 14.Jh.; nicht zugehörig die beiden überlängten
Figuren seitlich des Portalbogens, Maria und Verkündigungsengel, ihre
Fußplatten die Konsolen deutlich überragend. Die vollplastisch ausgeführte
Madonna auf der Kreuzblume der Scheitelfiale (Vergoldungsreste auch auf
der verdeckten Rückseite nachgewiesen) sowie die ihr seitlich zugeordneten
Heiligen Drei Könige (3.V. 14.Jh.) ebenfalls für eine andere Aufstellung
gearbeitet. Auch der Schmerzensmann rechts des Portals und Simson als
Löwenbezwinger wohl für einen anderen Standort bestimmt. Zu Programm
und Bau gehören fünf Reliefs an den Strebepfeilern des Polygons, darauf
vier Apostel, Johannes d.T. und Wappen, offenbar Stiftungen der
Bürgerschaft. Der schlicht gegliederte Chor mit kräftigen Strebepfeilern, die
unterhalb eines umlaufenden Gitterfrieses enden; die Fenster dreigeteilt mit
profiliertem Gewände. An der Scheitelwand des Polygons bauzeitliche
plastische Wimpergrahmung. Darin fragmentarisch erhaltene dreiteilige
Wandmalerei, um 1510/15 (freigelegt, rest. und verglast 1990–99),
Kreuzigung zwischen Anbetung der Heiligen Drei Könige und Heiliger Sippe
sowie Stiftergruppe der Familie Wins.
Innen
Weiträumiges Hallenlanghaus von großartiger Raumwirkung, das trotz der
Anbauten von der ersten, dreischiffigen Halle mit quadratischen
Mittelschiffsjochen, längsrechteckigen Seitenschiffsjochen und Querhaus
weitgehend bestimmt wird. Die mächtigen Kreuzpfeiler mit ein- und
vorgestellten Runddiensten im Charakter spätromanisch, zum Teil zerstört
und neu aufgeführt; der südwestl. Vierungspfeiler16.Jh. aus statischen
Gründen ummantelt. Die mittelalterlichen Hochgewölbe (urspr. Kreuzrippen)
insgesamt eingestürzt, das Innere jetzt überspannt von modernem offenen
Dachstuhl aus Holz von K. Betzner (St. Marien, Beeskow). Das nördl. äußere
(spätgotische) Seitenschiff von nahezu doppelter Breite mit drei fast
quadratischen Jochen; ehem. reiche Stern- und Netzgewölbe. Das südl.
Seitenschiff etwas schmaler, kreuzrippengewölbt. – Im gestreckten
dreijochigen und dreischiffigen Hallenchor achteckige Pfeiler mit dünnen
Eckdiensten (vgl. St. Petri, Lübeck), die südl. Pfeilerreihe vereinfacht wieder
aufgebaut. Der Umgang nach außen siebenseitig, zum Binnenchor dreiseitig
geschlossen. Die Gewölbe 2004 mit dreistrahligem Springgewölbe im
Umgang rekonstruiert. Sandsteinportal zur Sakristei mit aufwendigem
Schulterbogen, 1521/22. – Die urspr. Raumfassung 1982 an der Südseite
freigelegt, im Chor 2005–2007 die Erstfassung rekonstruiert: kräftig farbige
Architekturglieder im Kontrast zu weißen Flächen. – Die mittelalterlichen
Glasmalereien der drei mittleren Chorfenster im 2. Weltkrieg ausgelagert,
1945–2002 in russischer Verwahrung, dort 2001 z.T. rest. Bedeutendster
geschlossener Bestand mittelalterlicher Glasmalerei in Brandenburg, um
1360/70; durch Schinkel 1828–30 in drei östl. Fenstern unter Verwendung
von Resten weiterer Fenster eingesetzt, dabei vermutlich urspr. Bildabfolge
verändert, diese bei Rest. 2005–07 stellenweise rekonstruiert. Typologische
Gegenüberstellung des Passionsgeschehens mit alttestamentlichen Szenen
im Scheitelfenster sowie ein Genesiszyklus im nördl. und eine
Antichristlegende im südl. Endzeitfenster. Brillanz der mittelalterlichen Farben
Rot, Blau, Gelb erhalten, von besonderer Strahlkraft das Grün im
Scheitelfenster; vermutlich aus einer Werkstatt mit mehreren Malern,
böhmisch beeinflusst; stilistisch ähnlich Reliefs am Taufbecken (St. Gertraud)
und Ritzzeichnungen der Glocke von 1371 (nicht erhalten) sowie zeitgleiche
Glasmalereien der Marienkirchen in Mühlhausen und Krakau. Die
Antichristlegende auch populär im Umkreis Kaiser Ludwigs des Bayern. In
ihrer umfassenden Darstellung einmalig in monumentaler Glasmalerei
Europas (vgl. Notre-Dame, Paris). Sieben neue Chorfenster von H. Burger,
Berlin, ergänzen seit 2006/07 zugunsten harmonisierter Lichtwirkung in freier
Interpretation der mittelalterlichen Fenster den Raum. Das Turminnere stark
gestört und mehrfach verändert. Im Untergeschoss des Nordturms hohes
dreiteiliges Bandrippengewölbe, der steile Raum im 16.Jh. unterteilt durch
den Einzug eines tiefer liegenden Sterngewölbes. Eine ältere Empore (13.
Jh.) im Bogen zwischen Turmhalle und Schiff mit Einzug eines weiteren
Sterngewölbes, dat. 1544, erneuert. Die nördl. von zwei
blendengeschmückten und mit Maßwerk bemalten urspr. Trennwänden (um
1300) noch erhalten. Die unter Anleitung von Schinkel durchgeführte farbig
gefasste Stuckausgestaltung der Halle, u. a. mit neugotischer
Blendengliederung der Wände und pflanzlichem Dekor an Pfeiler- und
Dienstkapitellen, kriegszerstört. Die oberen Turmgeschosse nach 1826 und
nach 1945 durch Anker und Mauerverstärkungen in der Turmhalle gesichert,
Einbauten aus Holz. Zugang zu den Obergeschossen und zur Westempore
durch je eine urspr. Wendeltreppe im Mauerwerk der Nordost- bzw.
Südostecke. An der Ostseite des Turmbaus in halber Höhe des Schiffs ein
Laufgang in Resten erhalten. In der Nordvorhalle flachbogige Blendnischen
unter den Fenstern, Schildbögen an der Querhauswand und achtstrahliges
Gewölbe. Über dem Nordportal monumentales Wandgemälde einer
Mondsichelmadonna, flankiert von zwei Hll. unter Baldachinarchitektur,
böhmisch, wohl noch 14. Jh., 1997–99 rest. – Unter der Eingangshalle ein
kryptenartiger, über Mittelstütze rippengewölbter Raum mit Wandnischen,
möglicherweise urspr. zur Aufbewahrung von Reliquien, später (1516) mit
liturgischer Funktion. Sakristei und Martyrchor über Mauerteilen einer tiefer
liegenden Chorseitenkapelle aus dem 13. Jh. zweigeschossig ausgebaut in
M.14.Jh. Dreijochige Sakristei mit Sterngewölbe, an den Schlusssteinen dat.
1521/22, mit farbiger floraler Malerei des 16.Jh., rest. 1985. Die Schildbögen
der alten Chorseitenkapelle freigelegt. Im Obergeschoss der steilräumige
sog. Martyrchor (Raum für die Frankfurter Synode, theologische
Disputationen der Universität), urspr. zum Chorraum mit drei hohen Bögen
geöffnet, seit 1925 mit Zugang vom Querschiff über eine Treppe.
Sterngewölbe mit 1985 rest. Farbfassung und Figürchen als
Gewölbekonsolen. Die obersächsisch beeinflusste Rippenfiguration, Malerei
und nach innen gezogene Strebepfeiler des Sakristeianbaus verwandt dem
bis 1520 umgebauten Hallenlanghaus der ehem. Franziskanerkirche. Die
meisten erhaltenen Teile der ehem. reichen und wertvollen Ausstattung seit
1980 in der Gertraudenkirche. An der Ostwand der nördl. Vorhalle sog.
Reliquienschrein (Ostiarium) in der Art eines Sakramentshauses, Sandstein,
um 1400; als Abschluss Fialenturm, Unterbau aus Säulenstumpf und
Stufenpostament. – Im Martyrchor Sandsteinrelief der Marienkrönung, um
1500, gefasst, im südl. Querhaus aufgefunden. In der Sakristei ausgestellt
zwei qualitätvolle Konsolköpfe, 2.H. 14.Jh.?, Sandstein. Epitaph der Familie
Abraham Dietrich Schröder von 1737 (südl. Seitenschiff), im gebrochenen
Giebel Wappen und Pelikan; seit 1830 vermauert, um 1995 freigelegt.
Ebenso das Erbbegräbnis für Coelestin Hoffmann v. Greiffenpfeil und seine
Frau, 1688 (Raum mit Kreuzgewölbe im Untergeschoss des Nordturms), mit
biblischen Szenen bemalte Umrahmung, links brennender Dornbusch, rechts
Christus mit den Jüngern. Erbbegräbnis , E.17.Jh. (inneres südl.
Seitenschiff), zweiachsige reich geschmückte Nischenarchitektur aus Stuck
mit Wandmalerei (Moses, Christus) in flachbogiger Kalotte. – Neben der
Nordvorhalle sog. „Mittel Glocke“, 1423 oder 1426.