Dehio Brandenburg, 2012, S. 710 ff.

Ehem. Klosterkirche St. Maria. Großer kreuzförmiger Backsteinbau des 13.
Jh., bedeutender südl. Ausläufer der märkischen Backsteinbaukunst. Seit
1565 Pfarrkirche der Altstadt. 1981 der Stadt übergeben.
Baugeschichte
Eine Rekonstruktion des offenbar schleppenden und komplizierten
Bauverlaufs durch die eingreifenden Restaurierungsmaßnahmen von 1901–
06 erschwert. Beg. vermutlich um 1225/30 im Osten, die ältesten erhaltenen
Teile finden sich im Querhaus. Zunächst möglicherweise allein der Nordarm
mit etwas stärkeren Mauern und kleeblattförmiger Apsis als Anbau an die
ältere Pfarrkirche ausgeführt. Ein kurz darauf angelegtes basilikales Projekt
wohl bald wieder verworfen (südl. Kreuzarm). Nach tastenden Versuchen
und sukzessiver Erhöhung die Ostteile evtl. nach rheinischen oder
lombardischen Vorbildern mit Apsiden am gestreckten Chor und an den
Kreuzarmen um 1250–80 weitgehend einheitlich in gotischen Formen
ausgeführt. Urspr. ohne Gewölbe geplant, gegen E.13.Jh. Chor, Vierung und
östl. Langhausjoch einheitlich eingewölbt. In der 1.H.14.Jh. Fertigstellung des
einschiffigen Langhauses. Umgestaltung der Westfront zur repräsentativen
Schauwand E.15.Jh. – Nach Aufhebung des Klosters und vorübergehendem
Leerstand (1539 Brand) 1565 als Pfarrkirche der Altstadt hergerichtet; der
Teil westl. des Südportals ohne Gewölbe belassen, durch eine Trennwand
abgeteilt; ebenso die Kreuzarme. Umfassende Renovierung 1901–06,
Regotisierung des Innenraums, Errichtung des Dachreiters über der Vierung.
Seit den 1950er Jahren zunehmender Verfall, Sicherungsmaßnahmen seit
1979; schrittweise Rest. ab 2009, durch Sturm 2010 gravierende Schäden an
Westgiebel und Dach mit Abriss des Vierungsturms.
Außenbau
Die Ostteile weitgehend einheitlich: an Chor und Querschiff kräftige, glatt
aufsteigende Strebepfeiler, unter dem Traufgesims Kreuzbogenfries. Hohe
ungeteilte Lanzettfenster in höheren Spitzbogenblenden, die Fenster der
polygonal gebrochenen Apsiden von Chor und südl. Kreuzarm in doppelter
Blende. Die Apsis des älteren nördl. Kreuzarms im Unterteil leicht
dreipassförmig, darüber zur Hufeisenform verschliffen. Zwei Bänder von je
drei Fenstern, die unteren lanzettförmig, die oberen kleiner und fast
rundbogig, diese von der Erhöhung der Wände um 1280; gleichzeitig das
mittlere Fenster der unteren Reihe vergrößert, dort Maßwerkfüllungen
(Vierpässe) aus Sandstein. Die südl., von Strebepfeilern eingefasste
Querschiffsfront als Schaufassade gebildet; Backsteine durch Riefelung
bearbeitet. Seitlich verschoben spätgotisches Sandsteinportal, nachträglich
eingesetzt in ein größeres Spitzbogenportal mit Backsteinlaibung und
charakteristischer Gliederung des Portalbogens im Wechsel aus Sandstein
und Backstein, 2.H.13.Jh. Darüber zwei große Lanzettfenster, im Giebel
Dreiblendengruppe. Der polygonale Treppenturm 1576 als Zugang zu einem
Schülerchorangefügt. Über der Vierung hoher Dachreiter von 1901/06,
1991/93 saniert.
Das dreieinhalbjochige Langhaus schlicht. Flach gestufte Strebepfeiler mit
Pultdächern und Giebelblenden, im Oberteil wohl nachträglich verstärkt. Auf
der Südseite zweizonige Anordnung der Fenster wegender Nonnenempore.
Über der unteren Reihe Gitterfries, die oberen Fenster höher, dazwischen mit
Kreuzen gefüllte Kreuzblenden, in Sohlbankhöhe variierende doppelte
Röllchenfriese. Der Kreuzbogenfries unter dem Traufgesims wohl 1901–06
erneuert. Im zweiten Joch Rundbogenportal mit eingestellten Rundstäben in
Mauervorsprung, 1. H./M. 13. Jh., entweder Zweitverwendung oder aus
vorhandenen Formteilen später eingebaut. Die Langhausnordseite wegen
der hier ehem. angelagerten Klausur ungegliedert, im zweiten Joch von
Osten zu einer Loge führendes barockes Treppentürmchen, evtl. im Kern
alter Aufgang zur Nonnenempore. – In die reiche Westfassade Reste der
älteren Struktur mit mittlerem Treppenturm einbezogen; zweigeschossig
gegliedert durch zwei gleich hohe Register gereihter Spitzbogenblenden.
Zentral Sandsteinportal mit gedrehtem, kanneliertem Stabsockel und
Stabdurchschneidungen, rechteckig gerahmt von einem waagerecht die
gesamte untere Zone teilenden Kaffgesims (s. Marienkirche, Chor).
Hauptschmuck der Fassade der über breitem Rautenfries aufsteigende
originelle Treppengiebel, gegliedert durch ansteigende, teilweise
durchbrochene Spitzbogenblenden, dazwischen ein aus Rautenfriesen
gebildetes Kreuz. Die doppelten, mit Krabben besetzten Fialen urspr. von
Kreuzblumen bekrönt. Oktogonales massives Giebeltürmchen, konstruktiv in
ganzer Wandhöhe vorbereitet, sein Zwiebelhelm von 1901/06 (ehem.
Spitzhelm). An der Querschiffsnordwand die ehem. Sakristei, um 1240.
Urspr. Teil des östl. Klausurflügels, an der Außenwand noch ablesbar die
Zweischiffigkeit des ehem. anschließenden Raums. Im Obergeschoss je zwei
Rundbogenfenster nach Osten und Westen.
Innen
Die weitgehend einheitliche Raumwirkung auch Ergebnis der umfassenden
Rest. von 1901/06. Der zweijochige Chor reicher gegliedert, hier alle Details
aus Sandstein. Gestufte Wandvorlagen mit eingestellten Runddiensten zur
Aufnahme der Gewölberippen. Unter den Fenstern pro Joch zwei
Spitzbogennischen, darin jeweils Doppelarkade auf Sandsteinsäule mit
Knospenkapitell (1901/06 bis auf eins erneuert). Das Querschiff deutlich von
Brüchen und sukzessiven Planänderungen gekennzeichnet: die
längsrechteckige Vierung nicht vollständig ausgebildet, nur im Osten
Vierungsbogen auf Vorlagen, der Bogen zum Langhaus ruht auf Konsolen,
der nördl. Bogen schneidet glatt in die Wand und ist niedriger und schmaler.
Der querrechteckige nördl. Kreuzarm wandhaft ungegliedert, die Wände
nachträglich erhöht, vermutlich für Einbau der ersten Nonnenempore. Der
südl. Kreuzarm nach den ungenutzten Konsolen an den Vierungspfeilern
urspr. ebenfalls deutlich niedriger geplant. Die jetzt vermauerte
Spitzbogenöffnung mit Gurtbogen in seiner Westwand im Hinblick auf ein
basilikales Langhaus angelegt. An der Südwand Schülerchor des 16.Jh.,
1901–06 in Stein erneuert. – Auch an der Wölbung die wechselnden
Planungen ablesbar. Der nördl. Querschiffsarm urspr. flachgedeckt
(Kreuzgewölbe 1901/06), in der nördl. Nebenapside Halbkuppel. In der
Hauptapsis gratige Kalotte, in der südl. Nebenapsis dagegen fünfseitiges
Rippengewölbe auf Konsolen mit Knospen. Auch im südl. Kreuzarm früh eine
Wölbung vorbereitet (eingestellter Dienst mit Schaftring am südöstl.
Vierungspfeiler), dort aber erst im 15.Jh. ausgeführt. Bei Ausbau und
Erhöhung der Ostteile einheitliche Einwölbung von Chor, Vierung und östl.
Langhausjoch. Die Rippen sämtlich mit Birnstab, im Chor auch der
Gurtbogen schwach und mit Birnstabprofil, in Vierung und Langhaus schwere
rechteckige Gurtbögen. Im östl. Chorjoch Schlussstein mit Christuskopf, im
westl. Schlussring. Im Scheitel des westl. Vierungsbogens medaillonartig ein
thronender Christus um 1300. Seitlich tiefer die Evangelistensymbole von
Markus und Matthäus. Die Symbole von Johannes und Lukas im
Schlussstein des Vierungs- und des östl. Langhausgewölbes. – Das
Langhaus ungegliedert bis auf schwere Wandvorlagen zur Aufnahme der
Gurtbogen, zumindest das westl. Paar geht wie auch die Gewölbe der beiden
Westjoche auf die Rest. von 1901/06 zurück. Zwischen den
Obergadenfenstern Kreuzblenden mit eingesetzten Kreuzen. Das Langhaus
bis auf das Ostjoch urspr. von der Nonnenempore eingenommen, 1903 eine
Emporenstütze noch auf Höhe des Südportals ergraben. Offenbar bereits
1565 reduziert bei Abtrennung des westl. Langhauses, die Reste 1901/06
entfernt, gleichzeitig Errichtung der Orgelempore. Im zweiten Langhausjoch
erhöht verglaste Loge, 2.H.17.Jh., erschlossen durch eine Außenspindel.
Zugang durch ein Renaissanceportal in rundbogiger Ädikulaform, 2.V. 16.Jh.,
urspr. wohl hier Aufgang zur Nonnenempore. In der A. 20. Jh. abgeteilten
Westvorhalle Tür zur südl. Turmspindel mit reich gegliedertem
Sandsteingewände, wohl um 1480; innen kleeblattbogiger,
außenrechteckiger Sturz; die Stäbe der Laibung in kunstvollen
Überschneidungen verflochten. In der Apsis figürliche Glasmalereien, 1903
von F. Geiges, Freiburg i. Br., die Wappenfenster im Chor von A. Oetken,
Berlin, auf den auch die nur in Resten erhaltene Ausmalung der Kirche
zurückgeht. Sakristei (ehem. Brigittenkapelle), vom nördl. Kreuzarm
zugänglich, neben der flachbogigen Tür eingeritzt „1590“. Rest. 2009. Hoher
und schmaler Raum, zweijochig kreuzgratgewölbt, der Gurtbogen
dazwischen auf Konsolen der Zeit um 1240. Bauzeitlicher Blockaltar mit
Deckplatte. In der Südwand Kielbogennische.
Ausstattung
Bis auf Reste verloren. Bedeutendstes erhaltenes Stück der 1566 anlässlich
der Umwidmung zur Stadtkirche gestiftete Flügelaltar des H. Göding,
Braunschweig, jetzt in der Stadtkirche. Dort sowie in Burxdorf und Saxdorf
weitere Ausstattungsstücke. In der Klosterkirche nur der mittelalterliche
massive Altartisch; eine steinerne Mosesfigur, 1613 von W. Mönch aus
Torgau, ehem. Kanzelträger; weitere Reste der Kanzel ebenfalls in der
Stadtkirche (eingelagert); die Schnitzfiguren der Evangelisten vom
Kanzelkorb A.1980er Jahre entwendet. Triumphkreuzgruppe mit
lebensgroßen Schnitzfiguren, um 1500 (Kreuz und Balken wohl 1906). –
Weiterhin zahlreiche Grabsteine und Epitaphien, vielfach schwer beschädigt,
1906 neu angeordnet:
Mittelalterliche Ritzgrabsteine mit Majuskelumschriften, Nr. 2.–6. mit
ganzfiguriger Ritzzeichnung: 1. Um 1350, Relief eines Kreuzes auf dem
Weltenberg, deutsche Majuskelumschrift, der Name verstümmelt (Dersdo
von Dolgenitz?), 2. Pleban Johannes († 1357); 3. Propst Fabricius († 1480);
4. Propst Jacob Hartmann († 1423), alle Westwand nördl. Kreuzarm; 5. Bodo
v. Ileburg († 1476) in Rüstung; 6. für einen Ritter, wohl einen weiteren v.
Ileburg, A. 14. Jh., beide Westwand südl. Kreuzarm. – Mittelalterliche
Grabsteine mit ganzfigurigen Reliefs: für Otto und Johannes von Wettin
(†1357 bzw. 1376), Doppelgrabstein mit dem Relief beider Ritter; für Propst
Lutold († 1359), beschädigt, beide in der Nordapside; für Äbtissin Jutta (†
1351) und für Ritter Friedrich v. Maltitz († 1361), beide an der Südwand des
südl. Kreuzarms. – In der nördl. Nebenapside zahlreiche bürgerliche
Grabsteine des späten 16. und frühen 17. Jh., in der Regel ganzfigurig oder
in Halbfigur mit Schriftkartusche. – Sandsteinepitaphien: Fast die ganze
Höhe der Wandung des Apsisbogens der nördl. Nebenapsis nimmt das von
G. Schröter aus Torgau gefertigte und trotz seiner Verstümmlung
eindrucksvolle Epitaph für Frau Anna v. Hirsfeld (†1575) ein; im Hauptfeld
kniend die Verstorbene mit ihren Kindern, ein Vorhang öffnet den Blick in
eine perspektivische Straßenflucht, im Aufsatz Relief der Auferstehung.
Rechts neben der Apsis Epitaph für Diakon Paul Taucher († 1571), vor dem
Kruzifix kniend dargestellt in freier Landschaft, gerahmt von
laubwerkgeschmückten Pilastern. In der Südapsis stark beschädigtes
Epitaph für Jacob Harnitzsch († 1609), derzeit eingelagert, mit kunstvollen
manieristischen Reliefs: im Hauptfeld Jakobs Traum, im medaillonartigen
Aufsatz sein Kampf mit dem Engel (1611). Zugehörig eine Grabplatte mit
Brustbild.