Dehio Brandenburg, 2012, S. 956 ff.

An erhöhtem, früher zentralem Standort. Unter Einbeziehung eines
spätromanischen Vorläufers errichtete spätgotische Backsteinhalle mit
Umgangschor, zwei Seitenkapellen und mächtigem Westturm.
Baugeschichte. Ein spätromanischer Backsteinbau um 1200 beg., gegen
M.13.Jh. fertiggestellt: kreuzförmige Pfeilerbasilika mit kurzem Schiff,
vermutlich quadratischem Chor mit Hauptapsis sowie querrechteckigem
Westturm; davon nur Teile des Querschiffs und der Apsiden erhalten. In
M.14.Jh. der Chor ersetzt durch Hallenumgangschor mit äußerem 7/12-
Schluss und dreiseitigem Binnenpolygon. Aus dieser Bauphase auch die
beiden Kapellen am geraden Chorjoch. 1517–62 Umbau des Langhauses
zur dreischiffigen vierjochigen Hallenkirche durch Meister A. Lindemann
(Inschrift am westl. Nordportal); dabei die Seitenschiffsmauern in die Flucht
der romanischen Kreuzarme gerückt. Der neugotische Westturm 1824–28
von C. W. Redtel errichtet anstelle des romanischen Querturms (ein
reicherer, 1821 von Schinkel gefertigter Entwurf nicht ausgeführt).
Umfassende Rest. 1904–07. – Die Kirche im April 1945 ausgebrannt, Verlust
der Chor- und der mittleren Langhausgewölbe, das Langhaus bis 1959
wiederhergestellt, das beschädigte Turmobergeschoss 1972 abgetragen.
1994–98 der Chor (ohne Binnenpfeiler und Wölbung) wiederaufgebaut.
2000/01 Turmaufsatz leicht vereinfacht rekonstruiert sowie 2009/10 die
Mittelschiffsgewölbe des Langhauses.
Das Äußere der vierjochigen Langhaushalle einfach; die Fenster vierteilig, in
Nord- und Südwand im zweiten Joch von Osten je ein Portal mit
flankierenden Kreisblenden. Im Mauerwerk des ersten östl. Jochs zeichnen
sich deutlich die Stirnseiten der spätromanischen Kreuzarme ab, gegliedert
mit Kreuzbogenfries und Deutschem Band. In diesem Joch je ein
Stufenportal mit rechteckiger Rahmung: das südl. rundbogig mit rechteckiger
Gewändestufung, das nördl. gedrückt spitzbogig mit Dreiviertelsäulen im
inneren Rücksprung, eines der Kapitelle als Knospenkapitell gebildet. Der
Chor im Außenbild weitgehend wiederhergestellt. Gegliedert durch
Strebepfeiler und große, urspr. dreiteilige Fenster. Unter dem Hauptgesims
Maßwerkfries. Die auf die Breite des alten Langhauses berechneten
Choraußenwände setzen im Scheitel der romanischen halbkreisförmigen
Nebenapsiden an. Die Nahtstelle verdeckt durch Chorwinkelkapellen: südl.
Andreaskapelle (Sakristei), ein unregelmäßig achtseitiges Polygon mit
flachen Eckstreben und steilem massiven Pyramidendach; nördl.
Marienkapelle (Vorhalle), rechteckig mit Halbkreisschluss nach Norden;
gestuftes Spitzbogenportal, das Obergeschoss mit reicher
Blendenarchitektur zwischen fein profilierten Pfeilern 1907, das Kegeldach
urspr. massiv. Quadratischer Westturm mit getreppten Eckstrebepfeilern und
spitzbogigen Öffnungen, urspr. von vier Geschossen und mit spitzem Helm,
frühes Beispiel der Neugotik.
Innen. Weiträumige Halle mit reich profilierten Arkaden auf je drei kräftigen
Rundpfeilern und entsprechenden Wandpfeilern, geschmückt mit spiralförmig
ansteigenden Bändern aus Glasursteinen; die Längs-und Westwände der
Seitenschiffe durch segmentbogige Nischen gegliedert. Als östl. Abschluss in
den Seitenschiffen die spätromanischen Nebenapsiden, im Mittelschiff der
rundbogige Triumphbogen erhalten, sein Unterzug heute auf Konsolen
zurückspringend. Die achtteiligen Rippengewölbe mit Scheitelsternen des
Mittelschiffs rekonstruiert; in den Seitenschiffen Parallelrippengewölbe (in
den westl. Jochen nach 1945 erneuert), im Ostjoch jeweils Sterngewölbe. –
Vom Chor nur die Außenmauern wiederhergestellt mit je zwei flachbogigen
Nischen unter den Fenstern; die ehem. Umgang und Binnenchor trennenden
Achteckpfeiler und die mit Heiligen bemalten Gewölbe verloren. Chorfenster
1997–2000 von G. Henschel. – In der polygonalen Andreaskapelle
Rippengewölbe auf tiefsitzenden Konsolen.
Ausstattung. Dreigliedriges Flügelaltarretabel (urspr. Hochaltar) um 1380,
aus Kiefernholz; rest. 1922/25. Im Schrein fünf Schnitzfiguren von vornehmer
Auffassung und Komposition, Maria zwischen vier weiblichen Heiligen,
vermutlich den Virgines capitales (Dorothea, Margaretha, Barbara? und
Katharina), wohl unter mitteldeutschem, vermutlich Magdeburger Einfluss. In
den Zwickeln der bekrönenden, klar gezeichneten Wimperge gemalte Engel.
Auf den Flügelinnenseiten in Temperamalerei sechs Apostel von einem wohl
böhmisch beeinflussten Meister (vgl. Predella des sog. Böhmischen Altars im
Dom zu Brandenburg). Großes Ölgemälde mit Christus vor dem Hohen Rat,
um 1700, wohl von einem niederdeutschen Maler (ein ähnliches Ölgemälde
in der Kirche von Stölln). Qualitätvolles Altarbild der Darbringung im Tempel,
1779 von Chr. B. Rode. Epitaph für Stadtschreiber Andreas Nesen und
Ehefrau Anna, 1571, Tafelbild mit dem Gleichnis vom barmherzigen
Samariter und ältester Rathenower Stadtansicht über Inschriftkartusche; auf
dem Predellenbild die Familie des Verstorbenen beiderseits neben dem
Salvator kniend. Spätromanischer vergoldeter Silberkelch, prächtige,
vermutlich niedersächsische Arbeit. Die gravierten Rundschilde der Kuppa
thematisch auf die Reliefmedaillons am Fuß bezogen. Bronzeglocke mit
Inschiftband, um 1400. – Außen an der Nordwand vier zusammengehörige
Sandsteinepitaphien, M.18.Jh., mit reichem Rocailleschmuck und Putten.