Denkmaltopographie Frankfurt (Oder), Bd. 3, 2002, S. 332 ff.

Die Kirche steht in der Ortsmitte auf einer zur Berliner Straße hin abfallenden
Anhöhe. Auf dem um 1887 aufgelassenen Kirchhof im Süden erinnert das
Relief eines lagernden Soldaten mit Schwert und Kranz, Rest eines
Denkmals von 1920, an die Gefallenen des Ersten Weltkriegs.
Erwähnt wird die Kirche zuerst 1317, als Markgraf Waldemar Dorf und
Patronatsrecht an die Stadt Frankfurt übertrug. Im Mittelalter gehörte Booßen
zur Sedes Frankfurt, seit 1573 zur Inspektion Frankfurt. Das zwischenzeitlich
den Gutsbesitzern zugefallene Patronat ging mit dem Erwerb des Gutes
durch den Frankfurter Rat, schrittweise zwischen 1532 und 1621, wieder an
diesen über. 1600 war die Pfarrstelle mit Pfarrhaus, Baumgarten und vier
Hufen ausgestattet. 1743 sind zusätzlich zwei Kirchenhufen bezeugt.
Baugeschichte und Beschreibung Die Kirche besteht aus querrechteckigem
Westturm, quadratischem Schiff, langgestrecktem eingezogenen Ostteil mit
geradem Schluss und zwei Annexen an dessen Nord- und Südseite. Über
die Beschaffenheit des Außenmauerwerks sind wegen des 1988-89
erneuerten glatten Putzes keine sicheren Aussagen möglich. In den
Kunstdenkmälern Lebus ist von mit Backstein untermischtem
Feldsteinmauerwerk die Rede, doch bleibt offen, auf welchen Bauteil sich
dies bezieht. Den ältesten Bestand bilden die Mauern des Ostteils, deren
Abmessungen darauf hin deuten, dass es sich ursprünglich nicht um einen
Chor, sondern um eine kleine Saalkirche handelte. Unregelmäßigkeiten am
Westende der Nordwand dürften als Abbruchspur der ehemaligen
Westmauer zu deuten sein. Das Fehlen eines Chorbogens und massiven
Giebels zwischen dem breiteren West- und dem schmaleren Ostteil spricht
ebenfalls für einen Anbau des ersteren an den letzteren. Bemerkenswert ist
schließlich, dass der Ostteil Zugänge sowohl im östlichen Teil der Nordseite
als auch im westlichen Teil der Südseite besitzt. Ersterer, heute Sakristeitür,
könnte ursprünglich Priesterpforte gewesen sein, der südliche, dem später
eine Vorhalle vorgelegt wurde, mag der Gemeinde gedient haben. Das
außen spitzbogig überfangene Südportal schließt innen mit einem
Dreiecksbogen, einer besonders in der zweiten Hälfte des 13. Jh.
verwendeten Form (vgl. Seitenportale von St. Nikolai in Frankfurt). Kein
Fenster ist in der ursprünglichen Form erhalten. Der querrechteckige
Westturm gibt sich in Grund- und innerem Aufriss als Bau des 15. oder
frühen 16. Jh. zu erkennen. Im Unterschied zu hochmittelalterlichen
Dorfkirchentürmen ist seine Breite geringer als die des Schiffs, dem er
asymmetrisch, nur im Norden fluchtend, vorsteht. Ostseitig setzt der Turm
den westlichen Kirchgiebel voraus. Das Mauerwerk beider Bauteile besteht
an der Innenseite aus Feldsteinen sehr unterschiedlichen Formats mit
Auszwickungen aus Ziegelbruch. Die Mauerstärke des Turms ist von innen
durch große, flach- bzw. gedrückt rundbogige Nischen mit
Backsteinlaibungen verringert. Im Mauergeviert des Turms steht eine teils als
Geschoss-, teils als Stockwerksbau ausgeführte, hölzerne Innenkonstruktion,
die nicht überall mit der Nischengliederung harmoniert. Die Verblattungen
der Hölzer im älteren unteren Teil des in mindestens zwei Phasen
entstandenen Tragwerks deuten darauf hin, dass jener spätestens im Zuge
eventueller Wiederaufbauarbeiten nach dem Dreißigjährigen Krieg, wenn
nicht doch bereits im Zusammenhang mit dem Turmbau errichtet wurde. Der
obere, verzapfte Teil der Konstruktion, das aus kleinformatigen Ziegeln
bestehende Mauerwerk des Glockengeschosses und das abschließende
Walmdach dürften dem 18./19. Jh. angehören. Wohl Anfang des 16. Jh.
wurde der Nordseite des Ostteils eine östlich mit diesem fluchtende,
ungefähr quadratische, innen mit einer tief ansetzenden massiven Tonne
eingewölbte Sakristei angebaut. Ihr Nordgiebel ist mit einer dreiachsigen
Blendengliederung und auf den Schrägen mit kleinen Absätzen versehen.
Die anspruchslose rechteckige Vorhalle an der Südseite des Ostteils stammt
aus jüngerer Zeit. Ob die Kirche 1636 tatsächlich bis auf die
Umfassungsmauern zerstört wurde, bedarf der Klärung, denn West- wie
Ostteil besitzen Dachwerke mit mittelalterlichen Merkmalen. Beim
Schiffsdach handelt es sich um eine verblattete Konstruktion aus Sparren,
Sparrenknechten, Kehl- und Hahnenbalken sowie großen Kreuzstreben (z.
B. Chordachwerk der Klosterkirche Zinna, 1338 (d)). Der doppelt stehende
Stuhl dürfte ebenso wie die aufgenagelten Windrispen nachträglich
eingebracht worden sein. Das nicht begehbare Dach des Ostteils besteht
aus Sparren, Kehl- und Hahnenbalken. Ob die Aussteifung der Gespärre
durch kreuzweise geführte, jedoch nicht überkämmte Streben zum
ursprünglichen Bestand gehört, bleibt offen. Ein Zusammenhang mit dem
Einbau der jetzigen rundbogigen Holztonne des Ostteils erscheint denkbar,
doch könnte dieser auch bereits im Mittelalter eine ins Dach hineinragende
Decke besessen haben (vgl. Kirche in Güldendorf). Das mit der Tonne
harmonierende Lünettenfenster im Ostgiebel stammt aus dem 19. Jh. Das
Kircheninnere wurde mehrfach durchgreifend umgestaltet. 1671 erhielt es
eine Barockausstattung, zwei Jahrhunderte später wurde der barocke durch
einen neugotischen Altar ersetzt, eine Kanzel im flachgedeckten Westteil
aufgestellt und wohl auch der Ostteil mit Emporen an den Längsseiten
versehen. Die Emporen an der West- und Nordseite des Westteils, wohl um
1871, stehen auf Pfeilern mit ionischen Kapitellen. Schlichte
Maßwerkbrüstung. Unter dem Ostende der Nordempore stehen zwei
unterschiedliche ältere Stützen, vielleicht aus dem 16. Jh. 1961/62 entfernte
man die meisten Teile dieser Einrichtung.
Inmitten des stark veränderten Ortsbildes erfüllt die erhöht platzierte Kirche
eine wichtige Funktion als traditioneller Bezugspunkt.
Architekturgeschichtliches Interesse verdient sie als ländliches Beispiel einer
sukzessive »gewachsenen« Kirche (in dieser Hinsicht vergleichbar mit der
ungleich größeren und aufwendigeren Frankfurter Marienkirche). Der Turm
ist ein bemerkenswertes Zeugnis für die retrospektiven Tendenzen innerhalb
der Spätgotik. Die vielleicht mittelalterlichen, spätestens im 17. Jh.
geschaffenen Dachwerke gehören nach den Zerstörungen des Zweiten
Weltkriegs zu den wenigen verbliebenen Denkmälern älterer
Zimmermannskunst im Frankfurter Raum. Das Inventar umfasst mit der
Sakristeitür, dem Kruzifixus, den Altargemälden, der Gusseisengrabplatte
und der Orgel eine Reihe achtbarer Stücke unterschiedlicher Epochen und
Gattungen.
Quellen: BLDAM, Registratur: Bestand IfD, Sign. 05.31.00; Objektakte FFO.
Booßen. Kirche, 1957ff.
Literatur: Spieker 1853, S. 3. – Jung 1909, S. 14-16. – Bau- und
Kunstdenkmale 1980, S. 234. – Historisches Ortslexikon, S. 32-36. – Rost
1994, S. 7, 76f. – Dehio 2000, S. 101. – Griesa 2000, S. 13, Abb. 3.