Denkmaltopographie Frankfurt (Oder), Bd. 3, 2002, S. 351 ff.

(gekürzt) Die Kirche steht nördlich einer platzartig erweiterten
Straßenkreuzung im südlichen Teil des Dorfes auf dem plateauartig
erhabenen, baumbestandenen Kirchhof, der im Westen und Süden von einer
teilweise aus Feldstein bestehenden Mauer eingefasst wird. Es handelt sich
um den am wenigsten veränderten Kirchhof in den eingemeindeten
Frankfurter Dörfern, da er nicht allein in der Fläche erhalten ist, sondern auch
seinen alten Baumbestand besitzt und eine Reihe historischer Grabmäler
zeigt, darunter mehrere, z. T. umgestürzte spätklassizistische Stelen-
Grabmäler aus Sandstein, ferner neugotische Gusseisenkreuze, etwa für
Karl Friedrich Gielisch (1808-85). Im Mittelalter gehörte die Kirche zur Sedes
Frankfurt, seit 1573 zur Inspektion Frankfurt. Im Mittelalter scheint sie eine
Mater mit vier Pfarrhufen gewesen zu sein. 1563 wurde die Pfarrstelle mit
dem Diakonat von St. Georg in Frankfurt verbunden. Das Patronat lag bis
1706 anteilig bei den Besitzern von Kliestow, danach beim Rat der Stadt
Frankfurt.
Die Kirche besteht aus rechteckigem Schiff und einem eingezogenen,
ungefähr quadratischem Westturm. Das Schiff besitzt eine Außenhaut aus
sorgfältig bearbeiteten, sauber geschichteten Feldsteinen. Die untersten
Lagen sind durch Verwendung größerer Steine als Sockel gekennzeichnet.
Der Fugenmörtel war ursprünglich nach unten geglättet. Die im Bereich des
Südportals gut erhaltene Quaderung durch erhabene weiße Bänder gehört
zu einer zweiten mittelalterlichen Fugenfassung. An der Ostseite wurde die
ursprüngliche Dreifenstergruppe aus hohen, sehr schmalen Öffnungen mit
konischen Laibungen und spitzbogigen Laibungskanten freigelegt. Zwei
ähnliche, weniger tief herabreichende Fenster auch an der Südseite. Das
dortige Portal besitzt ein abgestuftes spitzbogiges Gewände mit Kämpfern
aus Platte und Kehle. Diese Merkmale wie auch der annähernd quadratische
Querschnitt des flachgedeckten Innenraums sprechen für eine Datierung in
die zweite Hälfte des 13. Jh. Der Westgiebel scheint ursprünglich sichtbar
gewesen zu sein, da seine Westseite eine Mauerschale aus sorgfältig
bearbeiteten Feldsteinen besitzt, während er zum Dachraum hin kleinere,
kaum oder unbearbeitete Steine zeigt.
Der im 15. oder frühen 16. Jh. vorgesetzte Turm besteht im unteren Teil aus
unregelmäßigem Feldsteinmauerwerk mit stellenweiser Verwendung von
Backstein. Außen an der Südseite sowie im Inneren sind flachbogige
Nischen ausgespart. Anders als in Booßen oder Güldendorf wurde der
Kliestower Turm als vom Schiff unabhängige Konstruktion begonnen. Seine
Ostmauer sollte einem kräftigen Bogen westlich des Schiffsgiebels aufsitzen
(sichtbar im ersten Turm-Obergeschoss). Nach Vollendung dieses Bogens
scheint der Bau liegengeblieben und erst in der zweiten Hälfte des 16. Jh.
weitergeführt worden zu sein (horizontale Baufuge unterhalb der Decke des
ersten Turm-Obergeschosses). Das Mauerwerk besteht ab dieser Zäsur aus
Backstein in unregelmäßigen Läufer- und Binderlagen (Format ca. 28-28,5 x
13-14 x 8-9 cm). Die ausgenischte Ostmauer des Turmoberteils fußt im
wesentlichen auf dem Westgiebel des Schiffs und nur mit den seitlichen
Vorsprüngen der Nische auf der Mauerkrone des Turmunterteils. Die schon
in der spätmittelalterlichen Bauphase angelegten Nischen in der Nord-, West-
und Südwand erhielten flachbogige Abschlüsse über Kämpferabsätzen.
Oberhalb der Decke zum zweiten Geschoss ist der Turm innen und außen
mit hohen, geschossübergreifenden Flachbogennischen versehen, deren
Laibungen innen konisch verlaufen und außen abgefast sind. Im oberen Teil
enthielten diese Nischen ursprünglich je zwei große flachbogige
Schallöffnungen über schlanker Mittelstütze und im Bogenfeld einen kleinen
Okulus. Oberhalb eines karniesförmigen Gesimses schließt der Turm mit
zwei steilen, einander durchdringenden Satteldächern zwischen
Renaissancegiebeln. Deren mehrzonige Gliederung besteht aus Pilastern,
verkröpften Gesimsen, seitlichen Volutenspangen und flachem bekrönenden
Dreiecksgiebel (vgl. das 1945 zerstörte Haus Große Oderstraße 31B in
Frankfurt). Indiz für die Zeit der Turmvollendung war die ehemals vorhandene
Glocke von 1612. Während der Glockenstuhl jünger sein dürfte, scheint die
wandparallele Konstruktion aus Ständern, Rähmen, aufgeblatteten Riegeln
und Streben im Glockengeschoss auf die Renaissance-Bauphase
zurückzugehen. Auch das Kreuzsatteldach enthält trotz umfangreicher
Auswechslungen noch immer mutmaßlich originale Substanz. Hinsichtlich
der Verwendung von Andreaskreuzen innerhalb des Mittellängsverbandes
erinnert die Konstruktion an das Schiffsdach. Auch die sehr steile
Dachneigung ist beiden gemein (Turm: ca. 65°; Schiff: ca. 60°). Für eine
Erneuerung des Schiffsdaches in der zweiten Turmbauphase spricht ferner
das karniesförmig profilierte Traufgesims (Format ca. 29 x 13-13,5 x 7,5-9
cm). Da die östliche Abwalmung des Daches nachträglich erfolgte, besteht
die Möglichkeit, dass auch das Schiff ehemals mit einem Renaissancegiebel
abschloss. Die Dachkonstruktion besteht aus Sparren mit Windverband,
liegendem Stuhl mit Spannriegeln und aufgeblatteten Kopfstreben sowie zwei
Kehlbalkenlagen mit einem dazwischen eingezogenen, aufwendigen
Mittellängsverband. Zu unbestimmter Zeit erhielt das Schiff an der Südseite
zwei, an der Nordseite vier größere Flachbogenfenster (die halbkreisförmigen
Öffnungen unter den westlichen Fenstern der Längsseiten wohl 19. Jh.).
Spätestens bei einer für 1747 bezeugten Renovierung des Turms vermauerte
man dessen große Schallöffnungen. Bei einer Turminstandsetzung 1899
wurde das Mauerwerk ausgebessert und verankert, der Westgiebel aus
gelblichen Ziegeln neu aufgemauert. 1933 erhielten drei der vier Giebel eine
Zementschlämme und einen grüngrauen Anstrich. Die Gestaltung des
Westportals mit spitzbogiger Putzfasche und Kreuzblende im Bogenfeld
könnte auf diese Renovierung zurückgehen.
Die 1945 vorbereitete Sprengung des Turms unterblieb. Das Schiff war an
Dach und Decke beschädigt. Nach Behebung der unmittelbaren
Kriegsschäden 1949-50 erfolgte 1955 eine Renovierung des Innenraums.
1994 wurde das Dach instandgesetzt und neu eingedeckt. 1997 schlossen
sich Arbeiten an Turmdach, -giebeln und Glockenstuhl an. 1998-2001 erhielt
der Turm eine an der zweiten nachweisbaren Fassung orientierte
Farbgebung (Mauerflächen des Schafts und Rücklagen der Giebel weiß,
Eckquaderung und Gliederungen rot). Das Schiff wurde nach Abriss
neuzeitlicher Anbauten und Freilegung der vermauerten ursprünglichen
Fenster an der Süd- und Ostseite 2001 mit einer egalisierenden Schlämme
versehen.
Die wirkungsvoll platzierte Kliestower Kirche mit ihrem weithin sichtbaren
Turm besitzt hohe Bedeutung für das Ortsbild. Das rechteckige Schiff mit
seinem sorgfältig ausgeführten Feldsteinmauerwerk, der östlichen
Dreifenstergruppe und dem Südportal mit profilierten Kämpfern ist ein gutes
Beispiel frühgotischen Dorfkirchenbaus. Noch bedeutsamer ist der Turm mit
seinen reich gegliederten Renaissancegiebeln. Auftraggeberschaft und
Motivation dieses für eine Landkirche ungewöhnlich aufwendigen Bauteils
wären einer näheren Untersuchung wert. Interesse verdient der Turm auch
deswegen, weil es in Frankfurt seit der Zerstörung stilistisch vergleichbarer
Bürgerhäuser keine weitere Renaissancefassade mehr gibt. Das
qualitätvolle, ebenfalls überdurchschnittlich aufwendige Dachwerk des Schiffs
gehört im Frankfurter Raum zu den wenigen Denkmälern älterer
Zimmermannskunst.
Quellen: BLDAM, Registratur: Bestand IfD, Sign. 05.31.00, Objektakte FFO.
Kliestow. Kirche, 1952ff. – Tautenhahn, Gottfried, Gutachten über
untersuchte Holzbauteile der Kirche in Frankfurt a. d. O.-Kliestow auf Befall
holzzerstörender Organismen, bauliche Feststellungen und die daraus
abzuleitenden Maßnahmen. Schiff und Turm, 1993 (UDB). – Remenz, J.,
Glockengutachten, 1992 (UDB); Klemm, Bernhard, Dorfkirche Kliestow.
Sachbericht und Dokumentation. Restauratorische Bestands- und
Farbuntersuchung, 1997 (UDB).
Literatur: Spieker 1853, S. 3. – Bergau 1885, S. 306. – Andriessen 1909, S.
104f., 148-151. – Jung 1909, S. 31-33. – Andriessen 1918, S. 64f. – Bahr
1938, S. 26. – Bau- und Kunstdenkmale 1980, S. 234f. – Historisches
Ortslexikon, S. 220-223. – Rost 1994, S. 7, 74f. – Kirchen 1996. – Dehio
2000, S. 518. – Griesa 2000, S. 13, Abb. 3.