Denkmaltopographie Spree-Neiße, Bd. 16.1, 2012, S. 284 ff.

Die Kirche hat ihren Standort auf der Südseite der in Ost-West-Richtung
verlaufenden Mulknitzer Dorfstraße, die in Nähe der Kirche als alte
Dorfstraße nach Norden abzweigt. Eine Kirche in Mulknitz wird bereits für
das Jahr 1670 erwähnt, in der Literatur die Ausstattung einer in das 18. Jh.
datierten Fachwerkkirche beschrieben. Der heutige Kirchenbau steht etwas
zurückgesetzt zwischen Straße und dem südwestlich gelegenen Friedhof.
Östlich ist das ältere, jedoch überformte Pfarrgehöft aufgeführt, dessen
westlicher Stall wegen des Kirchenbaus abgebrochen werden musste.
Westlich der Kirche erstreckt sich unbebautes Wiesengelände.
Der heutige Kirchenbau wurde 1927/28 nach Plänen von Curt Steinberg
südöstlich der möglicherweise 1816/17 entstandenen und 1930
abgebrochenen Fachwerkkirche errichtet. Der Wunsch, den sehr
bescheidenen und maroden alten Fachwerkbau durch eine neue Kirche zu
ersetzen, entstand bereits vor dem Ersten Weltkrieg. Ein Gutachten des
Regierungs- und Baurates Büttner aus dem Jahre 1913 unterstützte diesen
Wunsch mit der Empfehlung, die alte, viel zu große Kirche nicht wieder
herzurichten, sondern zugunsten eines Neubaus auf Abbruch zu verkaufen.
Ende Februar 1915 übersandte das Königliche Konsistorium der Provinz
Brandenburg in Berlin die von Curt Steinburg gefertigten Entwürfe der
Gemeinde. Das Kriegsgeschehen und die nachfolgende Inflation
verhinderten jedoch vorerst die Umsetzung der Pläne. Dem einstimmigen
Beschluss eines Neubaus am 20.4.1927 folgte dann eine zügige Umsetzung
mit der Grundsteinlegung am 29.5.1927, dem Richtfest am 3.9.1927 und der
Einweihung am 4.11.1928. Die Entwürfe von 1915 sahen noch eine
aufwendigere Gestaltung mit offener Vorhalle, zweigeteiltem Turm,
Kanzelkonstruktion über dem Altar und Hufeisenempore vor. Die Planung
kam nun etwas abgewandelt und vereinfacht zur Ausführung, die der
Bauunternehmer Willi Mrose aus Weißagk übernahm, während Curt
Steinberg die Bauleitung innehatte.
Am Ende des Zweiten Weltkrieges wurde das in farbigem Glas gefertigte
Altarfenster zerstört. Seit 1993 löst das Glasbild »Himmelfahrt« von Helge
Warme die zwischenzeitlichen Provisorien ab. Im Herbst 1976 erhielt die
Mulknitzer Kirche ein vom Diakonischen Werk in Stuttgart gespendetes
elektrisches Geläut.
Nordöstlich des alten Friedhofsgeländes in Nord-Süd-Ausrichtung errichteter
Putzbau über niedrigem rotbraunen Ziegelsockel. Gliederung durch einfache
Putzbänder und Lisenen, Belichtung durch stichbogige Fenster. Satteldach
mit südlichem Walm, Dachdeckung aus roten Biberschwanzziegeln.
Straßenseitige Eingangsfassade durch eingezogenen Turm über
quadratischem Grundriss mit kupferner (ehemals ziegelgedeckter)
Glockenhaube, Kugel und Kreuz dominiert. Der über eine kleine geziegelte
Treppe erreichbare Haupteingang von schräg geschnittenen Gewänden
eingefasst. Das Portal von dezentem, barockisierendem Stuckdekor aus
Blüten- und Rankenwerk geziert. Bauzeitliche Holztür mit Rautenmuster,
darüber querrechteckiges Oberlicht mit bekrönendem Stuckkreuz. Blickfang
der Eingangsseite die ebenfalls als neobarockes Stuckrelief aus
Akanthuslaub gestaltete Turmuhr mit Uhrwerk der »Gebr. Meister /
Großuhrenfabrik Berlin, Niederschönhausen«.
Kircheninneres in Vorhalle mit östlich anschließendem Sakristeiraum und
Saal gegliedert. Die flache Holzbalkendecke des Vorraums mit reicher
Akanthusmalerei, der Saal mit hölzernem Gestühl von einer spitzbogigen
hölzernen Tonne überfangen. Diese mit illusionistischen Kassetten- und
gotisches Maßwerk andeutenden Malereien gefasst, neben ornamentalen
Feldern verschiedene Motive (Evangelistensymbole, Taube, Gottesauge,
Christusmonogramme, Lamm Gottes u. a.). Nördlich angeordnet hölzerne
Empore mit Säulenbrüstung. Auf der Empore in historischem Gewand neue
Orgel von 1982, die 1876 in die alte Fachwerkkirche eingebaute Orgel der
Sorauer Firma Heinze ersetzend. Im Südosten die wie der Fußboden aus
dunkelbrauner Eisenklinkerkeramik bestehende polygonale Kanzel, verziert
mit Evangelistensymbolen, Christusmonogrammen und geflügelten
Puttenköpfen. Altar um einige Stufen erhöht; Südfenster durch ein profiliertes
Gewände mit Dornenmalereien eingefasst, wohl ebenfalls aus dem Jahr
1993 stammend. Das Dach als offene Hängewerkskonstruktion mit zwei
mittleren, stark profilierten Hängesäulen und zugehörigen Spannbalken
ausgeführt.
Ausstattung
Kanzel. Bauzeitlich über polygonalem Grundriss ausgeführte
Eisenklinkerkeramik, Entwurf Curt Steinberg, modelliert von der Firma
Heinrich Mekelburger, Berlin, gestiftet von der Ziegeleiabteilung der Ilse-
Bergbau AG.
Taufe. Hölzerner polygonaler Taufständer mit Taufschale aus Zinn (»M. S.
1748«).
Orgel. 1982 aus der Werkstatt Ulrich Fahlberg (Eberswalde) unter
Wiederverwendung eines barocken, aus Muskau stammenden Gehäuses mit
Gitterwerk und Rocaillen, vermutlich von der Zittauer Orgelbauerfamilie
Tamitius im 18. Jh. gefertigt.
Grabplatten. Eine Grabplatte an der Eingangsfassade westlich des Portals,
zwei Grabplatten im Kirchenvorraum, eine davon für Johann Heyden,
gestorben 1707.
Glocken. Zwei Stahlglocken, die größere mit Inschrift »Jauchzet dem Herrn
alle Welt / Für die neue Kirche zu Mulknitz 1929 / gegossen vom Bochumer
Verein«, die kleinere »Seid fröhlich in Hoffnung«, eichenlaubbekränzt,
Glockengießerei Ernst Schilling, Apolda 1925.
Die Kirche ist seit Jahrzehnten geistiges und religiöses Zentrum des Dorfes.
Aufgrund ihrer Entstehungs- und Nutzungsgeschichte sowie ihres Standortes
kommt ihr ortsgeschichtliche Bedeutung zu. Baugeschichtliche Bedeutung
besitzt sie zudem als Werk des Architekten, Malers und Graphikers Curt Carl
Ernst Steinberg, dessen wissenschaftliche Würdigung noch aussteht.
Steinberg schuf vornehmlich in der Zeit zwischen den beiden Weltkriegen
zahlreiche Kirchenbauten und war für eine noch erheblich größere Zahl von
Instandsetzungen verantwortlich. Die Mulknitzer Kirche stellt einen noch
seiner frühen Schaffensphase verpflichteten, zugleich einem Dorf
angemessenen und bescheidenen Bau dar. Stilistisch ist die in ihrer
Substanz weitgehend unverändert überkommene Kirche durch früheren
Epochen entlehnte Details (Turmhaube, Stuckdekor, Spitzbögen) noch einer
eklektizistischen Handschrift verhaftet, die sich vermutlich auch aus einem für
ländliches Bauen typischen Konservatismus herleitet. Ähnliches gilt auch für
das Innere der Kirche, wo mit der barockisierenden Empore und der die Gotik
aufgreifenden Deckenbemalung historistische Akzente in den sonst
schlichten Kirchenraum gesetzt werden. Andererseits sind durch den sehr
reduzierten Einsatz von Bauschmuck bereits zeitgenössische Tendenzen der
Neuen Sachlichkeit ablesbar. Von verschiedenen Beispielen
(Auferstehungskirche in Rathenow, Kirchen in Gräfenthal, Spechtsbrunn,
Perleberg) weiß man, dass Steinberg nicht nur für die reinen
Architekturentwürfe verantwortlich zeichnete, sondern auch Decken- und
Wandmalereien entwarf, die er zum Teil selber ausführte. Inwieweit
Steinberg auch auf die Deckengestaltung der Mulknitzer Kirche Einfluss
hatte, ließ sich bisher nicht ermitteln. Hervorhebenswert ist die aufwendige
Kanzel der Berliner Firma Mekelburger aus Eisenklinker-Keramik, laut
Inschrift aus der nahegelegenen Großräschener Grube Ilse. Die Ziegel-,
Klinker- und Keramikproduktion der Grube Ilse verzeichnete aufgrund ihres
hohen Qualitätsniveaus seit ihren Anfängen 1871 einen stetigen Anstieg und
Ilse-Erzeugnisse waren bald, insbesondere nach dem Ersten Weltkrieg,
weltweit gefragt. Die Mulknitzer Kanzel ist jedoch kein Einzelstück, so lassen
sich Kirchenausstattungen derselben Firma in verschiedenen anderen
Kirchbauten Steinbergs finden, darunter die Taufe von 1927 in der
Frankfurter St. Georgenkirche. Beide Stücke, die Mulknitzer Kanzel und die
Frankfurter Taufe, finden sich wiederum in identischer Form in der 1930/31
nach Steinbergs Entwurf errichteten Treptower Bekenntniskirche.
Am Rand des Braunkohleabbaus gelegen, bildet die Mulknitzer Kirche eines
der topographisch letzten baulichen Objekte jenseits des Kohlebeckens
zwischen Forst und Cottbus. Durch ihre Baumasse und Höhe bestimmt sie
nicht nur das Ortsbild, sondern ist weithin – vor allem von der B 112 im
Norden – sichtbar. Insofern besitzt sie auch erhebliche städtebauliche
Bedeutung.
Quellen und Literatur: BLHA, Rep. 6 B Sorau, Nr. 667 (Kirchen-, Pfarr- und
Schulbauten zu Mulknitz 1846-52, 1885); Pfarrarchiv Mulknitz;
Kunstdenkmäler 1939, S. 136f.; Hanke, Wolfgang, Dette, Johannes, Gott
loben ist unser Amt. Die Forster Orgeln, ihre Erbauer und ihre Organisten in
Geschichte und Gegenwart, Forst (Lausitz) 2005, S. 79-83; Mulknitzer
Forschungen 2009, S. 9-30, 103-106.