Denkmaltopographie Uckermark, Bd. 18.1, 2016, S. 136

In West-Ost-Ausrichtung auf dem Martinsplatz. Die Angermünder »altlutherische«
Gemeinde war nach ihrer Gründung 1822 seelsorgerisch zunächst von Berlin,
später dann von Stettin aus betreut worden. 1848 erhielt sie erstmals einen
eigenen Pfarrer. Unter diesem begannen 1853 die Planungen für ein Gotteshaus;
das Grundstück dazu erwarb man preiswert vom Magistrat. Wer als entwerfender
Baumeister fungierte ist unbekannt. Die Kirche wurde am 10. Dezember 1854
feierlich geweiht. Sie bot Platz für 200 Besucher. 1912 erhielt der Kirchensaal eine
Orgel und 1929 der Chorraum farbig gestaltete Glasfenster zum Thema Geburt
und Auferstehung Christi. Im Zweiten Weltkrieg kam es zu Schäden am
Kirchendach und zur Zerstörung der Glasfenster. 1968/69 wurde der Innenraum
modernisiert, u. a. durch Austausch des Altars und Übertünchung der
ursprünglichen Ausmalung. 2000-03 erfolgten umfangreiche Sanierungsarbeiten.
Kleines Bauwerk im Stil der Neogotik. Errichtet über Feldsteinsockel als turmloser
roter Sichtziegelbau mit eingezogenem Chorpolygon an der Ostseite und
Satteldach. Die Ansicht der Längsseiten bestimmt von je drei spitzbogigen
Maßwerkfenstern in gestuftem Gewände sowie breitem Ziegelfries entlang der
Traufzone. Betonung der Gebäudeecken durch Lisenen mit pfeilerartigen
Aufsätzen. Gestalterisch hervorgehoben die westliche Giebelseite, dort über
spitzbogigem Eingangsportal mit zweiflügeliger Eingangstür ein dreifach gestufter
Schaugiebel, reich durch Spitzbogenblenden gegliedert und durch kleinen
Pfeileraufsatz sowie bekrönendes Metallkreuz abgeschlossen. An der Ostseite das
Chorpolygon ebenfalls mit zweibahnigen Spitzbogenfenstern, unterhalb davon
zusätzlich Zwillingsblenden; der Ostgiebel des Saals ähnlich wie der Westgiebel
gestaltet.
Im Inneren hinter kleinem Vorraum der Kirchensaal. Bestimmend für den
Raumeindruck ist das sichtbar belassene Dachwerk aus Dreiecksbindern mit
maßwerkartigen Füllungen und gedrechselten Hängesäulen. Die einheitlich weiß
getünchten Wände zusätzlich durch spitzbogige Wandnischen gegliedert, der
Boden mit Ziegeln belegt. Im Osten hinter Triumphbogen der Chorraum,
überfangen von gotisierendem Gratgewölbe. Im Westen hölzerne Orgelempore der
Bauzeit mit gefelderter Brüstung. Die Kirchenbänke als Blöcke beiderseits des
Mittelgangs aufgestellt. Alle Prinzipalstücke modern ersetzt. An älterer Ausstattung
nur erhalten die Orgel mit neogotischem Gehäuse, 1912 hergestellt von der Firma
Barnim-Grüneberg (Stettin), außerdem ein gusseisernes Kruzifix von ca. 1855
sowie ein Leuchterpaar und einige liturgische Gerätschaften der 2. H. 19. Jh.
Die Martinskirche entstand neun Jahre nach der kirchenrechtlichen Anerkennung
der altlutherischen Konfession (1845), gehört also zu den frühesten Kirchenbauten
dieser Glaubensrichtung. Damaligen amtlichen Vorgaben entsprechend mussten
deren Gotteshäuser möglichst schlicht gestaltet werden; sie durften weder einen
Turm noch eine Glocke besitzen. Durch das rote Ziegelmaterial und den Rückgriff
auf Stilelemente der märkischen Backsteingotik verstanden es die Auftraggeber
dennoch, den sakralen Zweck des Gebäudes deutlich werden zu lassen. Einige
Stilmerkmale, wie etwa das sichtbare, in die Raumwirkung einbezogene Dachwerk,
verweisen auf eine Vorbildwirkung von Kirchenbauten Friedrich August Stülers.

Quellen: BLDAM, Denkmalkartei IfD, Erfassung Eichler 1966.
Literatur: Ackermann, Jörg, Die Martinskirche in Angermünde, in: Angermünder
Heimatkalender 2000, S. 77-79; Dehio 2012, S. 25; Bugenhagen, Jorinde, Die
altlutherischen Kirchen im Land Brandenburg, in: Brandenburgische
Denkmalpflege Jg. 21/2012, Heft 2, S. 7-27.