Denkmaltopographie Uckermark, Bd. 18.1, 2016, S. 222 ff.
Der Kirchhof liegt im Ortszentrum, südöstlich der zentralen
Straßenkreuzung. Wohl seit dem Mittelalter war Crussow Mutterkirche
(Bistum Cammin, Sedes Angermünde), wurde aber erst 1543 erstmals als
solche erwähnt. Seit 1970 gehörten die Tochterkirchen Stützkow und
Dobberzin zu Crussow, seit 1971 auch Stolpe. Vom 15. Jh. bis 1650
unterstand die Kirche dem anteiligen Patronat der Familien v. Buch und v.
Aschersleben, später übten es die jeweiligen Gutsbesitzer aus. Unklar ist, ob
das St. Annen-Patrozinium der Kirche mittelalterlichen Ursprungs ist.
Baugeschichte
Die Kirche wurde in der 2. Hälfte des 13. Jh. als Feldsteinbau, bestehend
aus Schiff und eingezogenem Rechteckchor errichtet. Das im Bekmann-
Nachlass (vgl. Wolff 1917) als Baudatum genannte Jahr 1256 ist nicht
belegbar, ebenso wenig die Nachricht, das Crussower Gotteshaus sei ein
Wallfahrtskirche des Klosters Chorin gewesen. Für das Jahr 1619/20 sind
Umbau- und Renovierungsarbeiten belegt, darunter die Anlage einer Gruft
für die Familie v. Buch (zerstört) und die Herstellung eines Türmchens auf
dem Ostgiebel. 1660 und 1680 gab es nicht näher bekannte
Erneuerungsarbeiten im Inneren. 1730 wurde an die Westseite der Kirche
eine stattliche vierstufige Turmanlage aus Fachwerk angefügt; den Entwurf
dazu fertigte ein Baumeister Beckmann, der auch die Ausführung leitete.
Den oberen Abschluss bildete ein schmuckvoller mehrgeschossiger
Turmaufsatz mit geschweiften Hauben, Laterne und abschließendem
Spitzhelm. Ein Blitzschlag führte 1827 zu kleineren Brandschäden.1864
wurde das Innere der Kirche umfassend renoviert; dabei stieß man auf ältere
Wandmalereien mit den zwölf Aposteln. Um 1930 ist der Einbau einer
Leichenhalle im Turm vermerkt und 1934 eine Instandsetzung des Turms.
Nach 1945 verfiel die Kirche zusehends, der markante, weithin sichtbare
Turmaufsatz musste 1967 wegen Baufälligkeit abgetragen werden. Altar und
Kanzel wurden um 1970 nach Biesenbrow ausgelagert, das Gestühl
abgebrochen und zur Abtrennung des Chores verwendet. Bei den
nachfolgenden Ausgrabungen im Kircheninneren traten neben der Gruft aus
dem Jahre 1619 diverse mittelalterliche und neuzeitliche Bestattungen ans
Tageslicht. 1983 begann die schrittweise Instandsetzung der Kirche, dabei
kam es u. a. zum Rückbau und zur grundlegenden Umgestaltung des
Westteils. Die Schiffsgiebel und die mittelalterliche Dachkonstruktion des
Chores wurden ersetzt, die drei Ostfenster durch farbige Glasmalereien von
Winfried Wolk neugestaltet. 1988 konnte das Bauwerk wieder geweiht
werden. Die letzte Instandsetzung erfolgte im Jahre 2003.
Beschreibung
Im Kern schlichte Saalkirche mit Rechteckchor aus regelmäßigem
Feldsteinmauerwerk (Gesamtlänge 27 m, Breite des Schiffs 12 m). Auf der
Chorsüdseite legen Abplatzungen einen Brandschaden nahe. Seit den
1980er Jahren ist das Schiff mit dem verbliebenen unteren Turmteil unter
einem gemeinsamen Satteldach vereint. An den Längsseiten von Schiff und
Chor je drei schmale, weitgehend bauzeitlich erhaltene Fenster mit
Rundbogen-Abschluss und schrägen Gewänden. Die Ostseite des Chores
durch typische Dreifenstergruppe akzentuiert, der Giebel darüber mit kleiner
Kreuzöffnung in der Spitze sowie bekrönendem Giebeltürmchen aus
Backstein (dieses ursprünglich von 1620, jüngst erneuert). An der Nordseite
des Schiffs ein zugesetztes Spitzbogenportal, an der Südseite ein weiteres,
heute als Eingang dienendes Spitzbogenportal. Am Chor ehemals im
Norden kleine Pforte (vermutlich zur einst vorhandenen Sakristei), an der
Südseite ein zugesetztes Rundbogenportal (Priesterpforte). Im Westen das
bauzeitliche zweistufige Spitzbogenportal erhalten, aber durch den jüngeren
westlichen Turmvorbau verstellt. Der jetzige Westteil unter Verwendung des
barocken Turmkerns (Fachwerkwände) in Breite und Höhe des Schiffs
massiv mit schmalen Rechteckfenstern aufgeführt, der Westgiebel mit
Fensterband und Verbretterung versehen. Das westliche neogotische
Spitzbogenportal mit gestuftem Backsteingewände wohl von der Erneuerung
1864. In der südlichen Turmseite moderner Treppenhauseinbau, der einen
Gemeinderaum im Zwischengeschoss und einen weiteren im Obergeschoss
erschließt. In der von Norden begehbaren Turmseitenhalle blieb die
Fachwerkwand des Turmanbaus von 1730 sichtbar sowie an der Ostseite
vortretende Wartesteine der westlichen Schiffswand.
Im Westteil des Schiffs liegt die Winterkirche unter einer modernen, massiv
ausgeführten breiten Westempore, die in den Raum hineinragt und diesen
so verkürzt. Den Übergang zum verhältnismäßig langen Chor vermittelt ein
spitzbogiger Triumphbogen. Der Chor von insgesamt drei mal drei schmalen
langen Rundbogenfenstern durchlichtet. Ziegelfußboden mit erhöhtem
Chorbereich komplett erneuert, ebenso die Balkendecken in Chor und Schiff.
Der Raumeindruck durch die fehlende Ausstattung und veränderte
Westsituation versachlicht und von den drei abstrakt gestalteten
Farbfenstern im Chor bestimmt.
Ausstattung
Das spätgotische Altarretabel und die barocke Kanzel heute in der Kirche
von Biesenbrow, das Patronatsgestühl von 1620 abgetragen.
Moderne schlichte Ausstattung mit Altarmensa und Lesepult.
Altarkruzifix. 1. Hälfte 19. Jh. Eisenguss, schwarz gebrannt, mehrteilig,
vermutlich aus der Königlich Preußischen Eisengießerei Berlin (evtl. auch
späterer Nachguss). Feingliedrige Christusfigur aus Bronze. Am Sockel
vergoldeter Ähren- und Weinkranz als Symbole der Eucharistie, darüber
Schlange und Totenkopf am Kreuz.
Taufe. 19. Jh. In historistischen Formen über vier Löwenfüßen
Balusterschaft und viereckige Kuppa mit Deckel. Aus der abgebrochenen
Dorfkirche in Stolpe, zwischenzeitlich in der dortigen Friedhofskapelle.
Tafelbild »Sinn des Lebens«. 1988 von Winfried Wolk (Leipziger Schule).
Triptychon, Öl auf Leinwand. Im quadratischen Mittelfeld gestürzter Jesus
und Simon von Kyrene, in den schmaleren Seitenfeldern die Darstellung
eines Geld zählenden Mannes mit Tod bzw. eines Trinkers.
Glocke. In freistehendem eisernen Glockenstuhl auf dem Friedhof, südlich
der Kirche. Gegossen 1514 von Joachim Mei aus Stettin. Bronze. Inschrift in
gotischen Minuskeln und trennende Sonnenräder. Auf der Flanke sechs
Reliefs menschlicher Figuren mit langen Stäben, vermutlich
Pilgerdarstellungen.
Bedeutung
Der frühgotische Granitquaderbau mit dem langen Rechteckchor erscheint
für eine Dorfkirche recht groß. Möglicherweise besteht hier ein direkter
Zusammenhang mit der beachtlichen Hufenzahl der Crussower Feldmark.
Die überlieferte Annahme, es habe sich bei diesem Gotteshaus ehemals um
eine Wallfahrtskirche gehandelt, lässt sich nicht durch schriftliche Quellen
belegen. Noch bis in die jüngste Vergangenheit bildete die Kirche mit ihrem
markanten barocken Turm eine hohe, weithin sichtbare Landmarke.
Angesichts des leer geräumten Kircheninneren besitzen das als künstlerisch
qualitätvoll einzuschätzende Tafelbild und die raumprägenden
Glasmalereien von Winfried Wolk besonderes Gewicht. Letztes am Ort
verbliebenes Zeugnis der vorreformatorischen Ausstattung ist die Glocke
von 1514.
Quellen: EPH-SUP Prenzlau, A.4.9. Crussow I.148 Pfarre und Kirche
Crussow und Stützkow 1926-1941, A.4.9. Crussow I.150 Einbau einer
Leichenhalle in die Crussower Kirche 1929-30; ELAB 14/7685
Kirchenbauten zu Crussow 1927-1938; VfHK Ang, Fotosammlung; HM Ang,
Zeichnung der Kirche 1929; BLDAM, Akten Provinzialverband Brandenburg
Ldkr. Angermünde, Nr. 5; BLDAM, Denkmalkartei IfD, Erfassung Eichler
1965 und 1974 sowie Fotosammlung.
Literatur: KDM 1934, S. 370-72; Heubner 2000, S. 33; Dorfverein Crussow
(Hg.), 750 Jahre Crussow, 2001; Dehio 2012, S. 221; Friske 2014, S. 86-88.