Denkmaltopographie Potsdam-Mittelmark, Bd. 14.1, 2009, S. 187 f.

Der neugotische Ziegelbau steht westlich des Kietzes, in auffallender
nördlicher Randlage zum Dorf, inmitten des noch heute genutzten Kirchhofs.
Er bildet gewissermaßen ein »Scharnier« zwischen Glindower Dorfstraße
und Kietz. Glindow hatte schon sehr früh eine Kirche. Um 1450 wird sie als
Mutterkirche genannt; von etwa 1690-1868 war sie Tochterkirche von Werder
und dann wieder Mutterkirche von Petzow. Glindow war mit vier Pfarrhufen
ausgestattet. Die Patronatsrechte hatte bis 1542 das Zisterzienserkloster
Lehnin, danach der Kurfürst bzw. der Fiskus. Heute gehört die Gemeinde
Glindow zum Pfarrsprengel Werder.
Die Kirche entstand 1852/53 nach einem Entwurf Friedrich August Stülers,
auf der Grundlage eines vorangegangenen Entwurfs von August Carl Soller
und unter Einbeziehung der Seitenwände des Vorgängerbaus. Die
spätgotische, ungefähr ins 15. Jh. zu datierende Dorfkirche (Turmknopf-
urkunde) war 1710 einem Brand zum Opfer gefallen und unter Einbeziehung
des stehengebliebenen Mauerwerks als Feldsteinbau mit Fachwerkturm
wieder aufgebaut worden. Nachdem der Turm bereits 1843 wegen
Baufälligkeit abgetragen worden war, kam es 1849 zu Neubauplänen, da die
Kirche für die stark angestiegene Zahl der Gemeindemitglieder zu klein
geworden war. Einen ersten Entwurf legte Regierungsbaumeister Christian
Heinrich Ziller vor, es folgte ein Gegenentwurf von Soller im Rundbogenstil,
schließlich beauftragte König Friedrich Wilhelm IV. August Stüler mit einem
Entwurf auf der Grundlage des Sollerschen. Stüler entschied sich für
neugotische Formen und einen geraden Chorabschluss. Zu den von Soller
übernommenen Ideen gehört der vor einem Staffelgiebel stehende Turm mit
flankierenden polygonalen Treppentürmchen. 1852 wurde Ziller mit der
Ausführung der Arbeiten beauftragt, die er in Absprache mit Stüler
durchführte. Mit einbezogen in den Neubau wurden, auf ausdrücklichen
Wunsch des Königs, die Seitenwände des Vorgängerbaus, die noch auf die
mittelalterliche Kirche zurück gingen. 1853 wurde die Kirche eingeweiht.
Zahlreiche Ausstattungsstücke – darunter der Altartisch und eine Taufschale
aus Messing – sind Geschenke des Königshauses.
1962-64 fand eine Instandsetzung und Umgestaltung des Kircheninneren
nach Plänen von Kirchenbaurat Winfried Wendland statt, wobei mit der
Ausstattung relativ schonend umgegangen wurde. Der Kirchenraum
einschließlich Empore und Wandvertäfelung wurde weiß überstrichen, die
ursprünglich hinter dem Altar stehende Kanzel an die Nordwand an die Stelle
des nördlichen Sakristeieinbaus versetzt (die Sakristei in den südlichen
Einbau verlegt) und der Altar weiter nach hinten gerückt. Außerdem wurde
eine über dem Altar auf den Putz gemalte Kriegerehrung aus dem Ersten
Weltkrieg übermalt und durch eine Gedenktafel für die Gefallenen beider
Kriege (Standort im Turmvorraum) ersetzt.
1990/91 wurde der Dachstuhl komplett als leichte Lattenkonstruktion
erneuert; die Dachdeckung erfolgte entsprechend der alten Deckung mit
Biberschwanzziegeln in Kronendeckung. Bei der anschließenden, 2003
abgeschlossenen Sanierung des Innenraumes wurde die ursprüngliche
Farbfassung der Wände wie auch der hölzernen Einbauten wieder
hergestellt.
Saalbau in neugotischen Formen, mit schlankem, quadratischem
vorgesetzten Westturm und gerade abschließendem Chor. Im unteren Teil
des Schiffes das Feldsteinmauerwerk des mittelalterlichen Vorgängers
erhalten, der obere Teil aus gelben Joachimsthaler Ziegeln. Die Längswände
mit je sieben spitzbogigen Fenstern mit abgetrepptem Gewände. Der in vier
Stockwerke gegliederte Westturm vor einen Staffelgiebel platziert und von
polygonalen Treppentürmen flankiert (diese schon im Sollerschen Entwurf
vorgesehen); auf der Westseite Spitzbogenportal mit abgestuftem Gewände
und Tür in neugotischen Formen; Glockengeschoss mit drei spitzbogigen
Öffnungen, darüber Giebelwand mit Dreifenstergruppe, über der sich der
schlanke ackteckige Helm erhebt (1981 durch Blitzschlag beschädigt, 1985
wiederhergestellt). Die Chorwand mit reichem, das Dach überragendendem
Staffelgiebel in Anknüpfung an die märkische Backsteingotik.
Innen im Turmuntergeschoss kleiner Vorraum mit Sterngewölbe und
Ziegelfußboden mit Sternenmuster. Das Kirchenschiff von flacher
Holzbalkendecke abgeschlossen, die Schalbretter im Fischgrätenmuster
angeordnet. Die Schiffswände durch Pilaster gegliedert; Ziegelfußboden aus
roten quadratischen Ziegelplatten, in die kleine gelbe Ziegel eingefügt sind.
Seinen unverwechselbaren Charakter erhält der Kirchenraum durch die
vollständig bewahrte hölzerne neugotische Ausstattung (nur der Standort der
Kanzel verändert), unter der vor allem das Holzpaneel des Altarraums
hervorzuheben ist. Seit der letzten Sanierung erscheinen die Einbauten
wieder in ihrem ursprünglichen Holzimitations-Anstrich, die Paneele im
Chorraum und die Emporenbrüstungen haben ihre aufgemalte
Maßwerkgliederung wieder erhalten.
Ausstattung
Altartisch. 1852, Geschenk Friedrich Wilhelm IV.( a), Holz, von vier Säulchen
mit Kapitellen getragene Tischplatte; dahinter ursprünglich die Kanzel. Zwei
Kanzel. 1852, neugotisch. Ursprünglich hinter dem Altar, 1962 an der
Nordwand des Chores versetzt, dabei verändert.
Taufständer. 1852, Geschenk Friedrich Wilhelms IV. (a), oktogonaler
hölzerner Standfuß und Aufsatz mit neugotischen Ornamenten.
Emporen. 1852, Holz. Dreiseitig umlaufend, auf polygonalen Holzstützen; die
Westempore ungewöhnlich tief. Geschlossene Brüstung mit Rechteckfeldern,
aufgemalte maßwerkartige Gliederung (bei letzter Sanierung nach Befund
erneuert).
Kirchengestühl. 1852, Holz. Anordnung in zwei Blöcken.
Sakristei-Einbau. Auf der Südseite, 1852, Holz, neugotisch.
Orgel. 1853, von Orgelbauer C.E. Gesell, Potsdam. 8 Register, 1 Manual,
Pedal, mechanische Schleiflade. Orgelprospekt neugotisch. 1884 »Reparatur
und Verbesserung« durch Carl Eduard Gesell, Potsdam, 1973 grundlegende
Überholung durch den Plauer Orgelbaumeister Wolfgang Nußbücker.
Zwei Glocken. 1873, C. Voß, Stettin; 1964, Franz Schilling Söhne, Apolda
(die 1925 angeschaffte Bronzeglocke, gegossen von der Linke-Hofmann-
Lauchhammer-AG, musste 1942 abgegeben werden)
Harmonium, im Chorraum der Friedhofskapelle. Wohl um 1900, Inschrift
»Emil Müller, Harmonium-Fabrik Werdau i.S.«.
Mit ihrer schlanken Turmspitze stellt die Glindower Dorfkirche nicht nur eine
weithin sichtbare Landmarke dar, mit ihrem dekorativen, an die Tradition der
märkischen Backsteingotik anknüpfenden Ostgiebel ist sie für eine Dorfkirche
auch außergewöhnlich aufwendig gestaltet. Sie steht im Kontext der
Bemühungen König Friedrich Wilhelms IV., die Landschaft um Potsdam
durch bauliche Maßnahmen aufzuwerten. Gleichzeitig ist sie ein
anschauliches Beispiel für die Traditionsverbundenheit der romantischen
Planungen unter dem Einfluss des Königs, auf dessen direktes Eingreifen die
Einbeziehung der Mauern des mittelalterlichen Vorgängers zurückgeht und
der viele Ausstellungsstücke stiftete. Bemerkenswert ist, dass die dekorative
Wirkung mit einfachen, dem Status einer Dorfkirche angemessenen Mitteln
und nahezu ohne Verwendung von Formsteinen erzielt wurde. Eine
Besonderheit ist die vollständig erhaltene Stülersche Ausstattung in
neugotischen Formen.
Quellen: A. Cante 2005, S. 55-63. BLDAM, Altakte IfD, 0412, 18-21 (1947-
61); Objektakte Nr. 2.00-14/1653. DStA, Depositum Pfarrarchiv Glindow, G1
238/169 (1851-1909); G1 247/238 (1852-1911, 195); G1 250,1/365 (1954-
72); G1 250,5/359 (Turmknopf, 1852, 1906, 1953); G1 252/239 (Orgel, 1852-
1904); G1 254/240 (Glocken, 1893-1943).
Literatur: Fidicin 1860, S. 18; Andrich 1903; Kieser 1938, Nr. 20, S. 1
(Beckmann-Nachlass 1741); Rohrlach 1977 (Ortslexikon), S. 132; Kitschke
1983, S. 77f. und 159; Lohmann 1993 (Orgelerfassung); Börsch-Supan/
Müller-Stüler 1997, S. 148 und 595f.; Vinken 2000 (Dehio), S. 361.