Denkmaltopographie Potsdam-Mittelmark, Bd. 14.1, 2009, S. 252 ff.

Der im Kern mittelalterliche, später nach Osten erweiterte Kirchenbau steht
im Zentrum des Ortes auf dem bis heute belegten Kirchhof. Ursprünglich
befand sich die Kirche mitten auf der angerartigen Dorfstraße; heute ist nur
noch der südlich vorbeiführende Arm der Straße vorhanden. Östlich stehen
vor dem Kirchhof eine markante, vermutlich 1871 gepflanzte Eiche und das
Denkmal für die Gefallenen des Ersten Weltkriegs, ein Obelisk mit Relief
eines Stahlhelms.
Jeserig war um 1450 Tochterkirche von Gollwitz. Seit dem späten Mittelalter
ist es, bis heute, selbstständige Pfarre. Tochterkirchen gab es zunächst in
Wida, dann zeitweilig in Gollwitz (zwischen 1459 und kurz vor 1541), nach
der Reformation stattdessen in Trechwitz, vor 1721 bis 1959 in Damsdorf und
seit 1948 in Schenkenberg. Heute umfasst der Pfarrsprengel neben Jeserig
auch Deetz, Schenkenberg und Trechwitz. Im Mittelalter gehörte die Kirche
zur Sedes Brandenburg (um 1450), vor 1573 kam sie zur Inspektion, 1806
zur Superintendentur Brandenburg-Neustadt und 1924 zur Superintendentur
Lehnin. Jeserig war mit drei Pfarrhufen und Wiesenland (1541), später mit
zwei Pfarrhufen (1624) ausgestattet. Dazu kam eine Hufe in Wida (1460). Als
erster evangelischer Pfarrer wirkte hier Adam Hertzog. Das Patronatsrecht
hatte bis 1542 das Zisterzienserkloster Lehnin, 1542-58 der Kurfürst und
danach das Gut.
Zwar wird das äußere Erscheinungsbild der Kirche durch die barocke
Umgestaltung und den neobarocken Turmaufsatz bestimmt, die Längswände
des Schiffs und der Unterbau des querrechteckigen Westturms mit ihren 1,14
m dicken Mauern gehen aber auf das Mittelalter zurück. Das Mauerwerk
besteht aus kaum bearbeiteten, aber lagenweise versetzten Feldsteinen und
Ziegelbruch. Ganz im Westen der Südseite am Übergang zum Turmbereich
wurde die aus ca. 10 x 13,5 x 30-31 cm großen Backsteinen bestehende
Laibung eines Portals mit gedrückt spitzbogigem Abschluss freigelegt.
Spuren eines weiteren Südportals sind unter dem zweiten Fenster von
Westen erkennbar. Ursprünglich dürfte das Schiff auf jeder Längsseite drei
Fenster besessen haben. Im Inneren ist der Turm zum gleichbreiten Schiff
durch einen großen Spitzbogen geöffnet (seine Spitze von der neuzeitlichen
Empore überschnitten). Aufgrund der geringen Schiffsbreite ist es
unwahrscheinlich, dass die Kirche einen eingezogenen Chorteil besaß
(Hinweis von Theo Engeser). Sie vertrat also den Bautyp des Rechtecksaals
mit querrechteckigem Westturm (vgl. z.B. Berlin-Buckow). Als Bauzeit ist die
erste Hälfte des 14. Jh. anzunehmen.
Der dreiseitige Ostschluss mit deutlich schwächeren Mauern (aus 7,5-8 cm
dicken Ziegeln) geht auf die Kirchenerneuerung des 18. Jh. zurück. Diese
erfolgte 1738-39 unter dem Patronat des Ehrentreich Adolph von Rochow
und seiner Ehefrau Marie Elisabeth geb. von Britzke (in nicht erhaltener
Turmknopfurkunde dagegen 1731 angegeben). Später wurde die Nachricht
vom Ausbau irrtümlich auf einen kompletten Neubau der Kirche bezogen.
Einige Zeit danach entstand der Anbau im Osten der Nordseite mit
Patronatsloge (Ziegel 7-7,5 x 14,5 x 25 cm); in der Bekmann-Umfrage wird er
1741 datiert.
Bei einem vom Pfarrhaus ausgehenden Dorfbrand wurde 1812 auch die
Kirche in Mitleidenschaft gezogen. 1813-16 erfolgte ihr Wiederaufbau durch
Maurermeister Meyer aus Golzow, Zimmermeister Bendel aus Brandenburg
und Tischlermeister Meissner aus Lehnin. Landbaumeister Krüger aus
Brandenburg hatte die Pläne revidiert. Dabei wurden der oberster Teil der
Schiffsmauern erneuert, ein neues Dachwerk aufgesetzt, die Mauern
einheitlich verputzt, neue Sprossenfenster angefertigt sowie die
Herrschaftsloge ausgebessert. 1819 erhielt auch der Turm einen neuen
Abschluss, entworfen wohl von Krüger, ausgeführt durch Zimmermeister
Bendel. Über dem rechteckigen mittelalterlichen Unterbau entstand ein von
Pultdächern flankierter quadratischer Aufsatz aus verblendetem Fachwerk
mit Kantenlisenen und abschließendem Spitzhelm.
Bei einer Kirchenrestaurierung 1864 kam es zum Einbau der Westempore.
1877 wurden der Nordanbau mit der Patronatsloge umgestaltet und die
darunter befindliche Gruft zugemauert. Eine Neugestaltung der
Kanzelaltarwand besorgte 1902-03 Zimmer- und Maurermeister Borchardt
aus Brandenburg. Es entstanden die Ostempore mit Orgel und darunter
gelegener Sakristei. Materialien der abgebrochenen alten Querwand, Kanzel,
Treppe und Altar wurden wiederverwendet.
Ein Blitzeinschlag am 5. Juli 1905 zerstörte das gesamte Holzwerk des
Turms, die Schieferpyramide und die Glocken; das Glockengeschoss stürzte
herab; Schäden erlitten auch Teile des Schiffsdachs, des Gestühls und der
Westempore. Der Wiederaufbau erfolgte 1907 durch Maurermeister F. Jacob
aus Lehnin nach einem im Jahr zuvor von Kreisbauinspektor Schierer aus
Brandenburg vorgelegten Entwurf. Damit war eine Renovierung der
gesamten Kirche verbunden. Neben einer Reparatur der Dächer von Schiff
und Nordanbau, Putzerneuerungen und Neuanstrich des Inneren entstanden
nach Abbruch der Reste des alten Turmoberteils und Neuaufmauerung der
oberen Teile (unter Verwendung alten Materials) ein neues Glockengeschoss
sowie die neobarocke Turmhaube; auch das Turminnere wurde umgestaltet
(Einbau neuer Zwischenböden und Treppen). Über die Kirchenerneuerung
unterrichtet eine Inschrift im ersten Obergeschoss des Turms (Nordseite):
»AD: 1907 ist der am 5. VII. 1905 von Blitz und Brand halbzerstörte Turm
über den Granitmauern neu erbaut u. d. Kirche erneuert. Patronat: Herren
von Rochow. Baumeister Schierer. Pastor Reishaus. Älteste Bertz Henkel
Säger Wolter«.
Nach einer als nicht gelungen bewerteten Instandsetzung des Äußeren 1934
(neuer Putz und Anstrich) war 1937 eine umfassende Renovierung der
Kirche geplant. Sie kam wegen des Zweiten Weltkriegs nicht zustande. Erst
1953-54 erfolgte die Renovierung des Inneren unter Leitung des kirchlichen
Bauamts. Bei der Sanierung 2004-05 unter Leitung von Wilfried Ziem wurden
das Mauerwerk trockengelegt, Hausschwamm bekämpft, Dachdeckung und
Putz erneuert, Fenster aufgearbeitet bzw. nachgefertigt sowie das Äußere
neu gestrichen; das Innere erhielt eine neue Raumfassung und ein neues
Gestühl.
Beschreibung: Der langgestreckte, verputzte Saalbau besitzt einen
dreiseitigen Ostschluss, einen im unteren Teil feldsteinsichtigen
querrecheckigen Westturm von gleicher Breite sowie einen Anbau im Osten
der Nordseite. Die Gesamtlänge beträgt 22,5 m, die Breite 7,45 m. Das
Erscheinungsbild der Kirche wird nicht unwesentlich durch den neobarocken
Turmabschluss bestimmt.
Das Schiff mit einfacher Putzgliederung durch Ecklisenen, Fensterfaschen
(darunter ehemals schlichte Putzfelder) und profiliertem Traufgesims.
Belichtung durch große schmale Flachbogenfenster (vier im Süden und zwei
im Norden); im Osten teilweise zugesetzte Rechteckfenster (innen ebenfalls
flachbogig). Fledermausgaube im östlichen Segment des abgewalmten
Dachs. Der durch ein Satteldach abgeschlossene Nordanbau besitzt
schlichte, an das Schiff angepasste Putzfassaden.
Der untere Teil des Westturms zeigt noch das mittelalterliche
Feldsteinmauerwerk, der obere besteht aus verputztem Ziegelmauerwerk. Im
Bereich des unregelmäßigen Übergangs noch die Ansätze der
mittelalterlichen Schallöffnungen erkennbar, zwei im Westen, je eine im
Norden und Süden. Über kräftigem Gesims folgt das neobarocke
Glockengeschoss mit je zwei flachbogigen Schallöffnungen, Zifferblättern,
breiten Ecklisenen und auf allen Seiten in der Mitte ausschwingendem
Abschlussgesims. Das kupfergedeckte Mansardwalmdach durch
sechsseitigen Dachreiter mit geschweifter Haube bekrönt. – Zugang durch
Westportal von 1907 mit Vordach. Turmhalle ursprünglich durch großen
Spitzbogen zum Schiff geöffnet (später zugesetzt). Die reizvolle gewendelte
Treppe mit Brettbalustergeländer von 1907 führt zu emporenartigem Einbau
in Höhe der Westempore des Schiffs; dieser ruht auf reich geschwungenen,
beschnitzten Stützen und Konsolen. Das aus gespaltenen Findlingen
bestehende, überschlämmte Turmmauerwerk springt über dem Erdgeschoss
zurück und weist auf eine im Mittelalter andere Geschosseinteilung hin (auch
im zweiten Obergeschoss ein solcher Rücksprung).
Kirchenschiff im Inneren mit einfacher Bretterdecke und Fußboden aus
quadratischen Tonfliesen. Der polygonale Ostteil durch Altarwand mit Kanzel
und Orgelempore abgetrennt, diese verbrettert und mit marmorierend
bemalten Pilastern geschmückt. Dahinter Sakristeiraum. Im Westen weit in
den Raum vorspringende Empore. Der innen zum Schiff geöffnete
Nordanbau mit einfachem Gestühl durch eine zweite Empore unterteilt, die
auf quadratischen Holzstützen mit abgefasten Ecken ruht (entsprechende
Stützen auch unter dem Decken-Unterzug); Zugang über eine Wendeltreppe
im Nordteil. Die unter dem Nordanbau gelegene Rochowsche Gruft 1877
zugemauert. – Über dem Schiff verzapftes Dachwerk mit dünnen Sparren
und einheitlicher doppelt stehender Stuhlkonstruktion, geschaffen beim
Wiederaufbau 1813-14 durch Zimmermeister Bendel aus Brandenburg. Das
Dach des Nordanbaues mit Firstpfetten-Konstruktion und Bohlen statt
Kehlbalken.
Ausstattung
Altar, Kanzelwand und Ostempore. Der neue Altar vor der hölzernen
Kanzelwand, die den Ostteil des Schiffs als Sakristei abschließt; darüber
Orgelempore mit abgestufter Brüstung. Die verbretterte Wand durch Pilaster
mit marmorierender Bemalung gegliedert; beiderseits des Altars
Türöffnungen mit vergitterter Durchfensterung. Geschaffen 1902 von
Zimmermeister Borchardt unter Verwendung von Materialien der
vorhandenen Kanzelwand von 1813/16; von Tischlermeister Carl Müller aus
Brandenburg 1907 bereichert durch Verzierungen und Pfeilerbekrönungen
auf der Orgelbrüstung. Der kleine polygonale, unten konisch zulaufende
Kanzelkorb (1834 vorhanden) mit rundbogigem Zugang eingebunden in die
hölzerne Wand.
Taufe. 1902. Holz; achteckig, auf zierlichem Ständer. Messing-Taufschale
der ersten Hälfte des 16. Jh., eine Beckenschlägerschüssel mit Relief der
Verkündigung, umgeben von gotischer Minuskelinschrift.
Orgel. 1902-03 von Alexander Schuke aus Potsdam. Auf der Ostempore. 6
Register, 1 Manual und Pedal; pneumatische Kegellade. Der dreiteilige
Prospekt in spätklassizistischen Formen mit erhöhtem Mittelteil vielleicht von
1864.
Pfarrerstuhl. 1792. Aus Holzbrettern mit Lehne und Armstützen.
Westempore. 1864; wohl später verändert. Auf Toskanischen Säulen ruhend;
weit nach Osten vorgezogen.
Epitaph für Friedrich Ehrentreich von Rochow (1722-71), kgl. Leutnant und
Erbherr. An der Südwand des Schiffs. Das steinerne Denkmal 1814 mit
schwarzer Ölfarbe angestrichen. Auf sargartigem, girlandengeschmücktem
Sockel Marmorkartusche in Rokokoformen mit Inschrift, rechts trauernder, an
Urne gelehnter Putto, links liegen Helm, Liktorenbündel und Schwertgriff.
Bestattung des Verstorbenen im Gewölbe vor dem Altar.
Gedenktafel für Carl Berz und Carl Schadenberg, Gefallene 1813-15 aus
Jeserig. Einfache Tafel. Im zweiten Turm-Obergeschoss.
Gedenktafel für Gefallene 1870/71. Im zweiten Turm-Obergeschoss.
Glocke. 1922 (i), Firma Schilling & Lattermann aus Apolda; Klangstahl.
Ersetzte zwei 1907 von C. Voss & Sohn aus Stettin gegossene
Bronzeglocken.
Die im Zentrum des alten Dorfes stehende Kirche ist nicht nur das älteste
erhaltene Gebäude von Jeserig, sondern auch dessen Wahrzeichen. Mit dem
nach einem Brand 1907 errichteten neobarocken Turmabschluss bekam die
Kirche einen neuen, markanten Akzent. An die Familie von Rochow, die als
Gutsbesitzer und Patronatsherrn lange Phasen der Ortsentwicklung
mitprägten, erinnert insbesondere das bemerkenswerte Rokokoepitaph für
Friedrich Ehrentreich von Rochow.
Quellen: A. Cante 2005, S. 94-103; Themel/Ribbe 1987 (Kirchenbücher), S.
380. BLDAM, Akten Provinzialverband, Lkr. Brandenburg, Nr. 45 (1906-37)
und Objektakte Nr. 2.00-14/509 (mit Grundriss des Büros Wilfried Ziem,
Abb.). DStA, Depositum Ephoralarchiv Brandenburg Neustadt, BEN 144/114
(Bauten und Reparaturen an den geistlichen Gebäuden 1765-1822) und BEN
148/102 (Glocken und Geläute 1841-1922 [eigentlich bis 1925]); Depositum
Ephoralarchiv Lehnin, L-E 514/412 (Glocken 1926-1955); Depositum
Pfarrarchiv Jeserig, J 23/59 (Zur Geschichte der Parochie Jeserig, enthält:
Kurzer Überblick bis 1907, Extrakte aus Visitationsabschieden 1575 und
1715, Glocken und Orgeln 1844-1917), J 213/94 (Rechnungen über
Einnahmen und Ausgaben beim Wiederaufbau der abgebrannten Kirche in
Jeserig 1813-1816), J 214/92 (Der Wiederaufbau der 1812 abgebrannten
Kirche in Jeserig, in specie der Bau des Turmes, enthält auch
Entwurfszeichnungen, 1818-1826 [eigentlich 1813-1827]), J 216/P 706-707
A2, »Kirche zu Jeserig« (Längsschnitt, Grundriss, Querschnitt durch Schiff
und Nordanbau, Kanzelaltarwand, wohl 1834); J 217/19 (Bauten und
Reparaturen an der Kirche zu Jeserig, enthält auch Inventar, wie z.B. Orgel
und Glocken, Wiederaufbau des Turmes, Versicherung, 1900-1918), J
220/22 (Der Aufbau des Kirchturmes der Kirche zu Jeserig 1907) und J
221/21 (Kostenzusammenstellung, betrifft Instandsetzungsbau der Kirche zu
Jeserig 1908 [eigentlich 1905-1908]).
Literatur: Fidicin 1860, S. 27; Kieser 1941, S. 62 (Bekmann-Umfrage);
Klünder 1951, S. 57, 62 und 67; Drescher 1968 (Erfassungskartei im
BLDAM); Rohrlach 1977 (Ortslexikon), S. 174f.; Kurztopographie 1978, S.
42; Lohmann 1993 (Orgelerfassung); Vinken 2000 (Dehio), S. 471.