Denkmaltopographie Potsdam-Mittelmark, Bd. 14.1, 2009, S. 265ff.

Der kapellenartige kleine Bau steht im nordwestlichen Teil des alten Dorfes.
Den als Rasenfläche gestalteten, seit 1935 nicht mehr belegten Kirchhof mit
einzelnen älteren Grabsteinen und einer Scheinzypresse schließt zur Straße
eine erneuerte Ziegelmauer ab.
Kemnitz scheint ursprünglich eine selbstständige Pfarre gewesen zu sein
(1601 erwähnt). Darauf weisen auch die vorhandenen Pfarrhufen, die
Zehnterhebung und die Tatsache, dass es zur Zeit der Visitation den
Charakter einer Mater vagans hatte. Um 1450 gehörte es als Tochterkirche
zu Phöben; kurz vor 1541 kam es zu Groß Kreutz. Dabei blieb es für
Jahrhunderte; seit 2004 wird es von Töplitz betreut. Im Mittelalter gehörte
Kemnitz zur Sedes Brandenburg (um 1450), vor 1573 kam es zur Inspektion,
1806 zur Superintendentur Brandenburg-Neustadt und 1924 zur
Superintendentur Lehnin. Kemnitz war mit einer Pfarrhufe ausgestattet
(1375), später mit zweien (um 1450, 1541, 1624). Das Patronatsrecht hatte
das Gut Kemnitz.
Die Umfassungsmauern der kleinen rechteckigen Saalkirche stammen aus
dem Spätmittelalter. Sie haben die für das späte 15. und frühe 16. Jh.
typische Form des Mischmauerwerks aus unregelmäßig versetzten
gespaltenen Feldsteinen und Backsteinmaterial. Sehr große Steine wurden
im Westen als Ecksteine verwendet; die östlichen Gebäudeecken und die
Laibungen der früheren Fenster bestehen aus 8,5-9 x 13,5-14 x 27,5-29 cm
großen Backsteinen.
Vermutlich ließ Friedrich von Görne die Kirche nach dem Dreißigjährigen
Krieg wiederherstellen. 1686 befand sie sich jedenfalls in gutem Stand;
damals waren lediglich Dachreparaturen nötig. 1704 und 1705 verzeichnen
die Kirchenrechnungen erneut Ausgaben zum Kirchenbau. 1747 wurde die
Kirche zusammen mit dem Dorf durch einen Brand zerstört. Für den
Wiederaufbau 1755-56 bewilligte König Friedrich II. eine Kollekte, da der
Gutswirtschaft das Geld fehlte. Damals wurden die Umfassungsmauern um
etwa einen Meter in Ziegelmauerwerk erhöht. Außerdem entstanden das bis
heute erhaltene Dach sowie der westliche Fachwerkturm (an Stelle des
zerstörten Vorgängers); eine erhaltene Inschrift nennt mit dem
Zimmergesellen Johann Gottfried Schneider einen der beteiligten
Handwerker. Spätestens zu dieser Zeit erhielten auch die Öffnungen ihre
jetzige Form.
1798 kam es mit Unterstützung des Patronatsherrn Adolph Ludewig von
Britzke zu einer »bedeutenden Reparatur der Kirche und des Thurms«. Bei
der Erneuerung des Turms 1837 durch Zimmermeister Schultze sen. aus
Lehnin wurde die barocke Kuppelhaube aus Kostengründen durch ein
einfaches Zeltdach ersetzt. Statt der früheren Holzschindelbedachung erhielt
es Ziegeldeckung. Im mittleren 19. Jh. wurde die Westseite des Turms in
Ziegeln erneuert. An Stelle des niedrigen alten Grabgewölbes unter der
Kirche entstand nach dem letzten Dorfbrand Ende des 19. Jh. auf der
Nordseite ein Erbbegräbnis der Familie von Brietzke (als letzter hier der am
8.2.1946 verstorbene, von der russischen Besatzung aus seinem Gut
vertriebene Hans von Brietzke beigesetzt). Da Mittel zur Dachreparatur
fehlten, wurde der neugotische Putzbau, nach Umbettung der Toten auf den
Friedhof 1983, abgerissen. Nach Reparaturarbeiten 1959 hatte sich der
bauliche Zustand der Kirche im Laufe der Zeit erheblich verschlechtert.
Wegen finanzieller Schwierigkeiten konnten 1996 zunächst nur vorbereitende
Untersuchungen und die statische Sicherung des stark gefährdeten
Fachwerkturms stattfinden (Wetterfahne). Die eigentlichen
Restaurierungsarbeiten erfolgten erst 2001-02. Unter Leitung von Aksel
Wolfram und Michael Nicolai wurden Turm und Dachwerk saniert, die
Westseite des Turms in Fachwerk wiederhergestellt, Fenster repariert und
das Innere instandgesetzt; die Außenmauern erhielten entsprechend der
Fassung des 18. Jh. eine rötliche Kalkschlämme.
Kleiner, relativ breiter Saalbau von nur 12,11 m Länge und 9,05 m (Westen)
bzw. 8,87 m (Osten) Breite, bestehend aus geschlämmtem Mischmauerwerk
und abgeschlossen durch ein im Osten abgewalmtes Satteldach mit
profiliertem Holztraufgesims und Kronendeckung aus alten
Biberschwanzziegeln. Eingebunden der quadratische, 17,06 m hohe
westliche Fachwerkturm mit Pyramidendach. Aus Fachwerk besteht auch der
westliche Giebel. Die Kirche besitzt barocke Korbbogenfenster, je eines im
Osten und Westen, drei auf der Nordseite und zwei im Süden. Statt des
westlichen ist hier das Portal mit aufgedoppeltem Türblatt angeordnet. In der
Ostseite gab es ursprünglich zwei Spitzbogenfenster mit Backsteinlaibung
(Reste vor Aufbringen der Schlämme erkennbar).
Das Innere mit verbretterter Decke besitzt eine meist in Weißtönen gefasste
vollständige Einrichtung. Im Norden der Ostwand flachbogige mittelalterliche
Sakramentsnische mit Angeln der nicht erhaltenen Tür. Der nach 1945 in
Beton erneuerte Fußboden erhielt bei der letzten Restaurierung einen Belag
aus rötlichen quadratischen Tonfliesen. Schiffsdach mit verzapfter liegender
Stuhlkonstruktion; nur in den Hauptgebinden Spannriegel (ohne Abstand
unter den Kehlbalken versetzt).
Ausstattung
Kanzelaltar. Wohl um 1756; Ergänzungen 1798 oder im frühen 19. Jh.
Schlichter Holzaufbau mit polygonalem Kanzelkorb, flankiert von dorischen
Pilastern; Aufsatz mit Palmetten dekoriert; auf dem Schalldeckel geschnitztes
Wappen der Familie von Britzke mit sechszackigem Stern. Altarschranken
mit Brettbalustern.
Taufe. Wohl 1878 (aus diesem Jahr die Zinn-Taufschale). Achteckig; Dekor
in neugotischen Formen.
Gestühl und Logen. Im Kern vermutlich im Zuge der Kirchenreparatur 1798
entstanden. Das einfache Gemeindegestühl in einem größeren nördlichen
und einem kleinen südlichen Block angeordnet; zwecks optimaler
Platzausnutzung selbst der Bereich bei den Emporensäulen mit Klappsitzen
versehen. Im Ostteil der Kirche entlang der Nord- und Südwand jeweils
logenartig umschrankter Sitzbereich. Ganz im Osten der Nordseite die
Patronatslage mit Brettbaluster-Abschluss, anschließend Bank der fünf
Hofbesitzer. Auf der Südseite beim Kanzelaufgang wohl der Pfarrersitz,
ebenfalls mit Balustergitter.
Westempore. Wahrscheinlich 1798 mit späteren Ergänzungen. Dreiseitig, auf
einfachen Holzsäulen ruhend; die beiden höheren in der Mitte der Westseite
stützen den Turm. Brüstung mit Rechteckfeldern, dazwischen durch oben
und unten gerundete Zierfelder geschmückte Pfosten. Vorspringender
Mittelteil der Westseite klassizistisch gestaltet; die Ecken mit schräggestellten
Pilastern und metallenen Palmettenaufsätzen ausgezeichnet (vgl.
Kanzelaltar), die jetzt kahle Brüstung ursprünglich mit stilisierter Lyra verziert.
Auf der Empore ältere Bänke, die hinteren erhöht.
Gefallenen-Gedenktafeln für Friedrich Kuhlmey (1897-1916) und Ernst
Nätebusch (1922-42), an der Nordwand des Schiffs. Gerahmtes Gedenkblatt
für den 1870 gefallenen Andreas Ferd. Wilhelm Ruhmschüssel; am
Kanzelaufgang Gedenkblatt für die Gefallenen 1813-14 angebracht.
Glocke. 1933 von Radler aus Hildesheim (i) als Ersatz für eine 1917
abgegebene, 1755 von Christian Daniel Heintze aus Berlin gegossene
Glocke, die von Familie von Britzke geschenkt worden war.
Der als kleinste Dorfkirche der Zauche geltende Bau vertritt einen
kapellenartigen spätmittelalterlichen Typus. In ihrer auf den barocken
Wiederaufbau zurückgehenden Gestalt mit Fachwerkturm ist die Kirche
heute Wahrzeichen des Ortes. Das Innere bietet durch die vollständig
bewahrte Einrichtung des 18. und 19. Jh. das Bild eines bescheidenen und
anheimelnden ländlichen Kirchenraums. Verschiedene Zeugnisse erinnern
an die über zweihundert Jahre dauernde Prägung des Ortes durch die
Gutsbesitzerfamilie von Brietzke. Aufgrund der geringen Größe des Baues
musste durch ein ausgeklügeltes System verschiedener Bänke und anderer
Sitze für genügend Plätze gesorgt werden. Zugleich werden daran auch die
sozialen Unterschiede innerhalb der damaligen Dorfgesellschaft in einer
heute seltenen Weise nachvollziehbar.
Quellen: A. Cante 2005, S. 104-107; Themel/Ribbe 1986 (Kirchenbücher), S.
380. BLDAM, Objektakte Nr. 2.00-14/1661, Teil 1, darin: Wolfram/Nicolai,
Untersuchung der Kirche der Ev. Gemeinde in Kemnitz, Brandenburg 1994
(Abb. ! Grundriss) und Bokel, Birgit, Dorfkirche Kemnitz/ bei Potsdam.
Baugeschichtliche Forschung und Bauaufnahme, Typoskript Berlin 1995
(umfassend); Plansammlung 202803 (Ansicht, Grundriss, Schnitte) und
205260 (Aufnahme Details 1951); historische Fotos. DStA, Depositum
Ephoralarchiv Lehnin, L-E 514/412 (Glocken 1926-1955); Depositum
Pfarrarchiv Groß Kreutz, GrK 4/16 (Zur Geschichte von Kemnitz [1258]-
1931); GrK 23/77 (Kirchenbuch von Groß Kreutz und Kemnitz, enthält auch
Kirchenrechnungen von Kemnitz 1683-1763); GrK 75/46
(Kirchenrechnungsbuch von Kemnitz 1736-1830, 1836).
Literatur: Wolff 1920, S. 92; Kirchner 1927, S. 39f.; Methling 1943, S. 11;
Klünder 1951, S. 57-59 und 62; Eckardt 1974 (Erfassungskartei im BLDAM);
Kurztopographie 1978, S. 273; Rohrlach 1977 (Ortslexikon), S. 190f.;
Mehlhardt, Dieter, Kemnitz (= Märkische Dorfkirchen), in: Potsdamer Kirche
vom 2.12.1984, S. 8; Teikner 1984, S. 53; Angelow 2000, u.a. S. 17, 43-47,
55 und 113; Vinken 2000 (Dehio), S. 498.