Denkmaltopographie Potsdam-Mittelmark, Bd. 14.1, 2009, S. 406 ff.

Der spätgotische, im 18. Jh. erweiterte Kirchenbau steht östlich der
Dorfstraße auf dem seit ca. 1910 nicht mehr belegten Kirchhof. Seine Fläche
ist heute als Grünanlage mit Altbaumbestand (Linden, Eiche, Kastanien,
Fichte, Douglasien, Weymouth-Kiefer) und drei Grabsteinen ausgebildet. An
der Dorfstraße Denkmal für die Gefallenen beider Weltkriege.
Netzen war immer Mutterkirche; Tochterkirchen hatte es vor 1527 bis um
1690 in Michelsdorf, vor 1450 bis heute in Grebs und vor 1541 bis heute in
Nahmitz. Außerdem wird Prützke mitbetreut. Netzen war mit einer Pfarrhufe
ausgestattet (1375, 1541); dazu kamen verschiedene Abgaben, Krautgarten,
ein Bienenstock und Fischerei (1541). Das Patronatsrecht hatte bis 1244 der
Markgraf, 1244-1542 Kloster Lehnin, seither der Kurfürst bzw. Fiskus.
Die bereits 1190 vorhandene Kirche, über deren Aussehen nichts bekannt
ist, wurde im Spätmittelalter durch einen Neubau ersetzt. Zu unterscheiden
sind vier Hauptbauphasen: Ein gotischer Backstein-Saalbau wurde im
Spätmittelalter durch einen eingezogenen Westturm aus Mischmauerwerk
ergänzt. Im frühen 18. Jh. kam es zur Erhöhung und Verlängerung nach
Osten, womit die mittelalterliche Kirche in einem kastenartigen Putzbau
aufging.
Der Kernbau dürfte im 15. Jh. entstanden sein. In diese Zeit weist das
Schmuckmotiv der Rundblenden sowie die charakteristischen Profilierungen
der Portale und Nischen. Trotz des Wechsels zwischen verschiedenen
Ziegelformaten wirkt der Bau in sich einheitlich. Offenbar wurde aus
Kostengründen jeweils gerade verfügbares Material verbaut.
Einer zweiten mittelalterlichen Phase, wohl im frühen 16. Jh. gehört der Turm
an. Im Gegensatz zum reinen Backsteinmauerwerk des Schiffs bestehen
seine Mauern weitgehend aus Feldstein; nur für Ecken und Laibungen
fanden Backsteine Verwendung. Diese unterscheiden sich durch ihr flaches,
ins 16. Jh. weisende Format vom Kernbau.
Der barocke Ausbau erfolgte vermutlich im frühen 18. Jh. 1751/52 fanden
kleinere Reparaturen statt (u.a. die Verkleinerung der Schalllöcher im
Kirchturm), zwischen 1769 und 1771 kam es zu größeren Dach- und
Turmreparaturen, für 1794/95 sind erneut kleine Turmreparaturen überliefert.
Das Datum 1796 findet sich auf der Wetterfahne. Im frühen 19. Jh. entstand
schließlich der Turmabschluss. 1868-70 fanden Renovierungsarbeiten statt,
sie umfassten u.a. den Einbruch des Fensters auf der Turmnordseite und des
Durchgangs vom Turm zum Schiff (wohl Emporentür), das Ausbessern,
Schlämmen und Weißen von Turmhalle und Schiff, den Einbau der
gewundenen Treppe (im Turm) und von Emporenbänken, die Ausbesserung
des Fliesenbodens sowie den Ölfarbenanstrich von Emporen
(eichenholzartig), Bänken (eichenholzartig), Türen (außen eichenfarben,
innen weiß) und Fenstern (weiß); außerdem wurde der Kirchturm repariert.
Zu einer Instandsetzung des Äußeren durch Maurermeister G. Koeber aus
Lehnin kam es 1901. Denkmalwert wurde damals allein dem mittelalterlichen
Kernbau bescheinigt, dessen Backsteinmauerwerk zunächst freigelegt
werden sollte (so Baurat Koehler 1900). Schließlich erfolgte aber die
Erneuerung des Außenputzes und ein Anstrich, außerdem der Anstrich von
Tür und Fenstern sowie die Reparatur der Schieferdeckung des Turms und
des Schiffsdachs.
Die letzte Kirchenrenovierung erfolge 1934 (vgl. Inschrift über dem inneren
Westportal auf der Ostseite), dabei wurden die Inneneinbauten neu gefasst.
Am 11.2.1961 fand eine Besichtigung durch Kirchenbaurat Wendland statt,
der die Empfehlung aussprach, beim mittelalterlichen Teil den schadhaften
Putz ganz abzunehmen; geplant war die Erneuerung des Turmdachs aus
Zink. Damals befand sich das Innere der Kirche in gutem Zustand, nur der
Taufstein fehlte und sollte neu geschaffen werden. 1968 fehlte der
Außenputz weitgehend, danach fand ein Neuverputz der barocken Teile statt.
1998/99 wurde der Turmhelm saniert.
Es handelt sich um einen im Kern gotischen Backstein-Saalbau, der später
nach Osten verlängert und aufgestockt wurde und durch ein Satteldach mit
östlichem Vollwalm abgeschlossen wird. Auch der kräftige, eingezogene
Westturm auf leicht längsrechteckigem Grundriss stammt im Unterteil aus
dem Mittelalter.
Der Kernbau besteht aus Backsteinmauerwerk, meist in Läufer-Läufer-
Binder-Verband (nicht ganz regelmäßig), im unteren Bereich aus
ungewöhnlich großen Ziegeln (11-11,5 x 14 x max. 30,5 cm). Es folgen ein
Streifen mit etwas flacheren Ziegeln, dann wieder dickere. Über dem
eingetieften Friesband befand sich ursprünglich die Dachtraufe. In der Mitte
der Südseite befindet sich ein Spitzbogenportal mit profilierter Laibung aus
geschnittenen Backsteinen (Dreierbirnstab). Es wird rechts und links durch
hochsitzende Rundblenden mit Doppelwulstprofil flankiert. Darin sind Reste
von Wappenmalereien erkennbar. Bemerkenswert sind umfangreiche Reste
der Rotfassung. Auf der Nordseite gab es keinen Zugang. Die gotischen
Fenster müssen sich an Stelle der barocken befunden haben. Erhalten ist
auch das ursprüngliche Westportal (später Turm vorgebaut). Eine
flachbogige Öffnung mit Dreierbirnstabprofil wird durch einen Spitzbogen mit
Doppelwulstprofil überfangen. Die Spitze fiel im 18. Jh. dem Einbau einer
Zwischendecke in die einst hohe Turmhalle und dem Einbruch eines
Durchgangs zur Empore zum Opfer (wohl 1869). Außerdem wurde die
gotische Portalöffnung verkleinert. Aus dieser Zeit das zweiteilige,
aufgedoppelte Türblatt mit eisernen und hölzernen Langbändern.
Durch sein Mischmauerwerk mit kleinteiligem Findlingsmaterial und
Gebäudeecken sowie Laibungen aus Backstein unterscheidet sich der
eingezogene Westturm vom Kernbau. Mit 8,5 x 13,5 x 29 cm besitzen die
Ziegel auch andere Maße. Das kleine Südfenster hat Fasenprofil, darüber
vermauerte Reste einer größeren Fensteröffnung. Auffällig sind zwei sehr
große schwarze Steine, die im Westen und Süden wie bewusst präsentiert
vermauert wurden. Das verputzte Turmoberteil besteht aus einer Fachwerk-
Ziegel-Mischkonstruktion, im Kern eine dreifach verriegelte
Fachwerkkonstruktion mit schrägen Verstrebungen und Ziegelausfachungen
(1900 ist von Lehmfachwerk mit einem Stein starker äußerer Verblendung
die Rede) sowie äußerer Ziegelschicht (diese fehlt auf der Ostseite).
Abgeschlossen wird der Turm durch ein flaches Pyramidendach, dem ein
verschieferter achtseitiger Spitzhelm aufgesetzt ist (Schieferdeckung
erstmals 1859 in Akten erwähnt). In die Turmhalle gelangt man durch ein
Westportal, das innen in einer flachbogiger Nische sitzt. Die angewendelte
Turmtreppe auf der Südseite besitzt ein Traljengeländer von 1869. Durch
Einziehen einer Zwischendecke entstand das erste Obergeschoss mit
Zugang zur Empore, abgeschlossen wird es durch eine Holzbalkendecke mit
Unterzug. Darüber liegt das hohe Glockengeschoss, dessen Decke von zwei
Unterzügen in Ost-West- und einen in Nord-Süd-Richtung sowie freien
Kopfbändern und Spannriegeln gestützt wird, es besitzt kleine flachbogige
Schallöffnungen.
Für die östliche Erweiterung der Kirche benutzte man großformatige Ziegel
der abgebrochenen alten Ostmauer. Die großen flachbogigen
Holzsprossenfenster teilweise mit alten Verglasungen. Ein im Osten
abgewalmtes Dach mit leichtem Knick schließt den Bau ab. Das verzapfte
Dachwerk mit geringen Sparrenabständen ist eine liegende Stuhlkonstruktion
mit Dreiecksrähmen und ohne Abstand direkt unter den Kehlbalken
versetzten Spannriegeln sowie Hängewerk mit Spitzsäulen und
Überzugbalken. Auf der Süd- und Ostseite hat sich weitgehend die alte
Biberschwanzziegel-Doppeldeckung erhalten; durch die Dicke der Ziegel
entsteht eine stark plastische Wirkung.
Das Innere des Schiffs mit Boden aus quadratischen Tonplatten und
Putzdecke mit hoher Voute wird geprägt durch die Wandstruktur des
gotischen Kernbaues mit Nischen zwischen Wandpfeilern. Dieses System
wurde bei der Erhöhung und Verlängerung des Baues aufgegriffen; die
Nischen sind oben korbbogig abgeschlossen, darin liegen die großen
Flachbogenfenster. Zum mittelalterlichen Bau gehören die vier westlichen
Nischen; an Stelle der dritten auf der Südseite das Portal. Die Wandpfeiler
sind einfach, nur das östliche Pfeilerpaar ist unter Verwendung von
Formsteinen reicher ausgebildet, im Norden mit Viertelkreis-, im Süden mit
Fasenprofil; darin jeweils spitzbogige Nische (im Norden mit Doppelwulst-, im
Süden mit Dreierbirnstabprofil) sowie darüber Flachbogennische (Bogen mit
Fasenprofil, die südliche schmaler). Die Deutung der Nischen ist unklar, es
könnte sich um Standorte von Figuren gehandelt haben, auch Sakraments-
(Drescher 1968) oder Reliquiennischen (Dehio 2000) wurden vorgeschlagen.
Die östliche Erweiterung der Kirche zeigt je zwei schmalere Wandnischen.
Eine hölzerne Altarwand schließt den Ostteil des Raums ab. Beiderseits des
Altars befinden sich flachbogige Durchgänge, darüber eine Empore mit
vorgewölbter Brüstung.
Die aufgemalten Weihekreuze am ersten, zweiten und vierten Wandpfeiler
der Nord- sowie am vierten der Südseite stammen in der jetzigen Form wohl
von 1934.
Ausstattung
Kanzelaltar. Ca. Ende 18. Jh., vereint barocke mit frühklassizistischen
Elementen. Relativ schlichter Aufbau mit Sprenggiebel und Pilastern mit
Palmettenkapitellen; stark bauchiger fünfseitiger Kanzelkorb mit ovalen
Feldern, darin Bibelsprüche; polygonaler Schalldeckel mit kuppeligem
Abschluss und Strahlenkranz. Neufassung wohl 1934. Als Altartisch
schlichter Holzkasten.
Taufstein. Entwurf durch kirchliches Bauamt 1961 angekündigt; 1968
vorhanden. Schlichter runder Sandstein. Taufschale.
Orgel. 1907 von Alexander Schuke aus Potsdam unter Einbeziehung von
Teilen der Vorgängerin; diese vermutlich von 1823, 9 Register, 1 Manual und
Pedal; pneumatische Kegellade. Prospekt vielleicht von 1823. 1998 von der
Orgelbaufirma Schuke überarbeitet. Dreiteiliger Prospekt mit erhöhtem
Mittelteil, jeweils mit Palmettenabschlüssen; vegetabiles geschnitztes
Schleierwerk.
Gemeindegestühl. 19. Jh. [?]. In zwei Blöcken angeordnete Holzbänke mit
profilierten Wangen. Im Osten des Schiffs auf der Südseite zwei Stühle mit
gesägten Lehnen (wohl 18. Jh.).
Ostempore. 18. Jh. (Dehio). Hinter der Altarwand. Vorgewölbte Brüstung mit
schmalen Rechteckfeldern. Bemalung 1934 in Rokokoformen und meist
biblischen Sprüchen.
Westempore. 18. Jh. (Dehio). Dreiseitig mit abgeschrägten östlichen
Abschlüssen auf toskanischen Holzsäulen; Brüstungen mit Rechteckfeldern,
diese 1934 bemalt mit biblischen Sprüchen und Wappen von Reformatoren.
Vor den Fenstern Brettbalustergeländer.
Kronleuchter. Vielleicht barock (Drescher). Messing. Mit Kugel und acht
Armen für je drei Kerzen. Im 20. Jh. mit Schirmen elektrifiziert (vor 1968).
Epitaph für Andreas Schmidt (1739-1815) und seine Ehefrau Louise Gorgast
aus Brandenburg (+ 1802) sowie deren Sohn Johann Andreas Schmidt
(1784-1815). Sandstein. Mit Urnenrelief. Außen im vermauerten Südportal.
Gedenktafel für Gefallene der Befreiungskriege 1813-14. Bemalte Holztafel;
erhalten auch eine angehängte Medaille König Friedrich Wilhelms III. für
Verdienste um den Staat.
Glocken. Zwei Klangstahlglocken, 1922 (i und a) von der Firma Schilling und
Lattermann aus Apolda (a). Ersetzten eine Bronzeglocke von 1429 (i), die
1941 nicht mehr vorhanden war (a). Frei im Turm stehender hölzerner
Glockenstuhl.
Obwohl die Einbeziehung in den unförmigen Barockbau die Wirkung der
reizvollen gotischen Kirche beeinträchtigte, gehören die erhaltenen Reste
noch immer zu den bemerkenswerten Zeugnissen des Dorfkirchenbaues der
Region. Während sonst Feldstein- oder Mischmauerwerk vorherrschten,
zeichnet sich das Schiff der Netzener Kirche nämlich durch fast reines
Backsteinmauerwerk aus. Als bemerkenswerte Details blieben West- und
Südportal, die letzteres flankierenden zwei Rundblenden sowie innere
Wandpfeiler mit Nischen erhalten. Alle Öffnungen sind durch profilierte
Laibungen aus Formsteinen ausgezeichnet. Im Inneren präsentiert sich die
Netzener Kirche als harmonischer und stimmungsvoller, gut erhaltener
barocker Kirchenraum. Ein beeindruckendes Werk barocker
Zimmermannskunst ist das Dachwerk des Schiffs. Von großer Bedeutung
sind die auf weiten Teilen bewahrten alten Biberschwanzziegel
hervorzuheben, die durch ihre Dicke und schöne Färbung auffallen.
Quellen: A. Cante 2005, S. 137-143. BLDAM, Altakten IfD, Nr. 04/02/33, I
528 (1961); Objektakte Nr. 2.00-14/2065. DStA, Depositum Ephoralarchiv
Brandenburg Neustadt, BEN 144/114 (Bauten und Reparaturen an den
geistlichen Gebäuden. 1765-1822), BEN 148/102 (Glocken und Geläute.
1841-1922); Depositum Ephoralarchiv Lehnin, L-E 514/412 (Glocken. 1926-
1955), Depositum Pfarrarchiv Netzen, Net 3/32 (Kirchliche Angelegenheiten
Netzen, enthält u.a.: Visitationspredigt, Bauten und Reparaturen an der
Kirche, Inventar der Kirche, Kommunikantenlisten, neuer Kirchhof. 1814-
1912), Net 40/53 (Rechnungen der Kirchenkasse Netzen, 1721-1837); Net
42/55 (Rechnungen der Kirchenkasse Netzen. 1923-70), Net 55/31
(Anschaffung eines Stahlglockengeläutes und Verkauf der alten
Bronzeglocke von 1497 [sic!] in Netzen. 1922-23). Themel/Ribbe 1986
(Kirchenbücher), S. 381f.
Literatur: Wolff 1920, S. 92; Klünder 1951, S. 57, 62 und 67; Drescher 1968
(Erfassungskartei im BLDAM); Kurztopographie 1978, S. 50; Rohrlach 1977
(Ortslexikon), S. 282f.; Lohmann 1993 (Orgelerfassung); Vinken 2000
(Dehio), S. 692f.