Denkmaltopographie Potsdam-Mittelmark, Bd. 14.1, 2009, S. 445 ff.

Die Kirche steht innerhalb der westlichen Gehöftreihe auf dem noch heute
belegten Kirchhof, den eine ungewöhnlich aufwendig gestaltete Mauer des
19. Jh. umfriedet (Feldstein mit Abschluss aus roten Ziegeln und
Vierpassfries sowie Ziegel-Torpfosten).
Plessow war nach Klünder ursprünglich wohl eine selbstständige Pfarre mit
Tochterkirche in Zolchow, wurde aber bereits im 13. Jh. dem westlich
gelegenen Starjesar zugeordnet. Nachdem dieses Dorf infolge einer
Zerstörung aufgegeben worden war, unterstellte der Brandenburger Bischof
Plessow 1287 der Pfarre von Plötzin. Dessen Tochterkirche blieb es über
Jahrhunderte, kam 1959 zu Derwitz und wird seit 1998 wieder von Plötzin
betreut. Seit 1959 ist Neu Plötzin eingekircht. Im Mittelalter gehörte Plessow
zur Sedes Brandenburg (um 1450), kam vor 1573 zur Inspektion, 1806 zur
Superintendentur Brandenburg-Dom und 1924 zur Superintendentur Lehnin.
Plessow war mit einer Pfarrhufe ausgestattet (1375, 1541), außerdem
gehörte der Kirche u.a. ein Kohlgärtlein, eine Wiese und eine wüste
Kossätenstelle (1541). Das Patronatsrecht hatte das Gut Plessow.
In den neugotischen Saalbau mit polygonaler Apsis und abgerücktem
Westturm wurden nach Bergau Reste des mittelalterlichen Vorgängers
einbezogen. Ihre heutige Gestalt erhielt die Kirche auf Kosten des
Patronatsherrn Hans von Rochow. Über die »Errichtung des Thurmes« und
die »Renovation dieser Kirche« 1866-70 unterrichtet eine Inschrifttafel innen
über dem Südportal; nach den Akten fanden die wesentlichen
Baumaßnahmen 1867-69 statt.
1947/48 erfolgten die Umgestaltung der Grablege der von Rochows im
Zwischenbau zu einer offenen Vorhalle und die Umbettung der Zinnsärge auf
den Friedhof. Bei der Renovierung 1964-65 wurden Schieferdeckung,
Wandpaneele und Fußboden ausgebessert, Ausstattungsstücke restauriert
und das Innere nach Entfernung der alten Fassung neu gestrichen. Im Ostteil
der Kirche beseitigte man die Herrschaftsloge auf der Nord- und das
Pfarrergestühl auf der Südseite (hatten jeweils hölzerne Brüstungen);
stattdessen entstand eine neue Eisenschranke zum Schiff und wurden die
alte Herrschaftstür im Nordosten vermauert sowie die Kanzel im Südosten
auf den Boden gestellt und Teile des Kirchengestühls und der Wandpaneele
beseitigt. Die letzte Instandsetzung erfolgte 2003-04 in Eigenleistung der
Gemeinde (dabei u.a. Tonnenwölbung und Holzpaneele restauriert).
Auch wenn ältere Mauern einbezogen wurden, so ist die Kirche in ihrer
jetzigen Erscheinung doch ein ganz und gar neugotischer Bau. Das
rechteckige Schiff besitzt im Osten eine Apsis mit dreiseitigem Schluss.
Westlich erhebt sich, etwas abgerückt, ein stattlicher Turm. Von den mit
Feldsteinen verblendeten Mauerflächen heben sich durch gelbliches
Ziegelmaterial Staffelgiebel, Ecklisenen, darauf ansetzende, die Giebel
flankierende Fialtürmchen sowie Turmstrebepfeiler und der hohe Turmaufbau
ab. Das reichprofilierte Südportal in flachbogiger Rahmung besteht aus rotem
Sandstein. In Anpassung daran erhielten die aus Kunststein bestehenden
Fenstergewände und Rundbogenfriese von Schiff und Apsis sowie am
Westgiebel des Turmunterbaues einen roten Anstrich. Die Fenster haben
reich profilierte Gewände; im Schiff schließen sie flachbogig (drei im Norden,
zwei sowie Portal im Süden), in der Apsis dreieckig. Der quadratische
Turmunterbau reicht bis zur Traufhöhe des Schiffs und wird durch geböschte
Strebepfeiler (westliche schräggestellt) mit Fialaufsätzen eingefasst. Über
dem rundbogigen Westportal finden sich ein Wappenrelief der Familie von
Rochow und im Giebel eine kleine Maßwerkrosette aus rotem Sandstein. Der
achteckige, dreigeschossige Turmschaft besitzt gliedernde Gesimse und
schlanke Rundbogenöffnungen, die in Dreiecksgiebeln endende oberste
Etage spitzwinkelige Schallöffnungen. Ein achtseitiger Spitzhelm bildet den
Abschluss. Ebenso wie Schiff und Apsis hat er Schieferdeckung. Zum
insgesamt aufwendigen Erscheinungsbild tragen auch die Zink-Aufsätze der
Eckfialen, die bauzeitlichen Türen mit reichen Beschlägen und die
Holzmaßwerke der Fenster bei.
Das Kircheninnere ist ein geräumiger Saal mit flacher Holztonnenwölbung
und innen korbbogigen Fensternischen. Längsrechteckige neugotische
Blendmaßwerkfelder schmücken die Tonnenwölbung, der hölzerne Gurte mit
Hängezapfen und Maßwerkzwickeln unterlegt sind. Umlaufende
Wandpaneele mit Maßwerkfeldern und Holzlasuranstrich fassen Schiff und
Apsis zusammen. Von den vorherrschenden neugotischen Formen weicht
der an Renaissancearchitektur erinnernde profilierte rundbogige Apsisbogen
ab. Eigenwillig sind die Apsisfenster, deren dreieckige Abschlüsse in die
Kalotte einschneiden (reich profilierte Kämpfergesimse). Sie besitzen eine
Verglasung in Gelb und Blau, die Schiffsfenster gelbe Rahmungen (2000
erneuert). Den Fußboden des Schiffs bedecken sechseckige Fliesen. Im
Bereich des um drei Stufen erhöhten Ostteils befanden sich bis 1964 im
Süden das Gestühl für Pfarrer und Kirchenälteste sowie neben dem
Südportal der Küstersitz, auf der Nordseite die Herrschaftsloge der
Gutsbesitzerfamilie (dazu Klappsitze für die Dienerschaft), die eine separate
Eingangstür im Norden der Ostmauer des Schiffs besaß (1964 mit Feldstein
vermauert, innen als Nische erhalten). Unter dem Altarbereich lag das
Erbbegräbnis der von Rochows, bei dessen Öffnung 1831 noch Trümmer
zahlreicher Särge sowie das gut erhaltene Schild Daniels II. von Rochow
(1586-1656) mit Familienwappen und Initialen »D.v.R.« gefunden wurden
(Wernicke 1929, S. 265). Nach dem Kirchenausbau diente der Zwischenbau
zum Turm als Grablege der Familie von Rochow, vom Schiff erreichbar durch
die erhaltene Eingangstür.
Ausstattung
Auf dem neuen Altartisch Altarkruzifix, Holz geschnitzt, sowie zwei
ungewöhnlich reichgestaltete Altarleuchter, Berliner Eisenkunstguss des 19.
Jh., mit neugotischem Maßwerkschmuck und aufgelegten Weinlaubranken.
Taufe. Zierlicher oktogonaler Holzständer mit neugotischer Gliederung.
Kanzel. Polygonaler hölzerner Korb; die Brüstung mit neugotischen
Blendmaßwerkfeldern. 1965 auf den Boden gestellt, unter Beseitigung der
zierlichen polygonalen Stütze und des Aufgangs mit Brüstung ähnlich dem
Kanzelkorb.
Orgel. 1760 von Gottlieb Scholtze, einem bedeutenden Schüler von Joachim
Wagner, der auch als Holzbildhauer und Schnitzer tätig war. 9 Register, 1
Manual und Pedal; mechanische Schleiflade. Fünfteiliger Prospekt mit
erhöhtem vorschwingenden Mittelteil, die Seitenteile spornartig vortretend;
reiche ornamentale Gestaltung in Rokokoformen, u.a. Aufsätze, Konsolen
und Wangen. 2000 Generalreparatur durch Ulrich Fahlberg aus Eberswalde
(i).
Gemeindegestühl. Wohl um 1870; 1965 reduziert. Angeordnet in zwei
Blöcken. Außerdem einzelne Stühle des späten 19. Jh. im Chorbereich
erhalten sowie ein kleiner schreibpultartiger Tisch mit Schubfächern.
Westempore auf achteckigen Holzstützen; Brüstung polygonal vortretend.
Truhe. 18. Jh. Durch Kassetten gegliedert und mit eisernen Langbändern
überzogen.
Epitaph für Hans XIV. von Rochow (1596-1660), kursächsischer Obrist und
kurbrandenburgischer Kammerherr, Erbherr auf Stolpe (= Stülpe), Zolchow
und Kleistow, Hauptmann des Amtes Lehnin (i); hatte ab 1639 als erster der
Linie Plessow als Hauptwohnsitz gewählt, wo er ein neues Herrenhaus
errichten ließ. Sandstein mit grauem Anstrich. Über einem Unterbau mit in
Ohrmuschel-Ornamentik gerahmter Inschrifttafel das ganzfigurige
Reliefbildnis des Verstorbenen in Rüstung (Helm und Handschuhe zu seinen
Füßen), vor schmaler, durch Pilaster und abschließendes Gesims gerahmter
Muschelnische stehend. Auf den Pilastern acht Wappen; am halbrunden Feld
des oberen Abschlusses Allianzwappen von Rochow und von Brösicke,
umgeben von üppigem Ornamentwerk in Formen des Ohrmuschelstils.
Gedenktafel für Gefallene des Ersten Weltkriegs. Marmor. In der Grufthalle.
Gedenktafel für Rochus von Rochow. 1943 gefallen. Holz, bemalt. In der
Grufthalle.
Kleinere Bronzeglocke. 1475 (i am Hals). 70 cm Durchmesser. Kleine Reliefs
an Hals bzw. Flanke (Kruzifix, Christophorus).
Große Bronzeglocke. 15. Jh. 89 cm Durchmesser. Mit Schmuckzier und
Inschrift am Hals. Beide Glocken vermutlich zusammengehörend. Auch
Glockenstuhl aus der alten Kirche übernommen. Nicht erhalten eine Glocke
von 1777.
Turmuhr. Altes Uhrwerk erhalten, aber nicht mehr in Funktion.
Die bis 1870 auf Kosten des Rittergutsbesitzers von Rochow aufwendig
neugestaltete Plessower Kirche ist ein Beispiel für das Engagement eines
Patronatsherrn beim Kirchenbau. Der auch als Grablege der Familie
gedachte Bau wurde als Wahrzeichen des Ortes aufgewertet, vermutlich
auch eine Reaktion auf königlich geförderte Bauprojekte in der Potsdamer
Umgebung. Die Kirche erhielt eine durchaus eigenwillige neugotische Gestalt
mit Anklängen an den sog. Tudorstil. Auffällig ist die Vielfalt der zum Einsatz
kommenden Materialien: Feldstein und gelbliche Ziegel, dazu Details aus
Zinkguss, Sandstein und Putz, sowie Deckungen mit Schiefer. Trotz kleinerer
Veränderungen nach 1945 blieb das Kircheninnere weitgehend in der Gestalt
des 19. Jh. erhalten. Es wird durch wertvolle ältere Ausstattungsstücke
bereichert, u.a. Glocken des 15. Jh., die Orgel des 18. Jh. und das Epitaph
für Hans XIV. von Rochow, mit dem der Ausbau Plessows zum Rittersitz
verbunden ist, das mit seiner üppigen Ornamentik im Ohrmuschelstil zu den
Hauptwerken der Skulptur des 17. Jh. in der Region zählt.
Quellen: A. Cante 2005, S. 153-155; Themel/Ribbe 1986 (Kirchenbücher), S.
379. BLDAM, Fotosammlung, Aufnahmen u.a. 1951 und vor 1945. BLHA, Pr.
Br. Rep. 2 A, Regierung Potsdam, Abt. II, Kirchen- und Schulwesen, Kreis
Zauch-Belzig, Nr. 1928 (Unterhaltung der Kirchen-, Pfarr- und Schulgebäude,
die Kirchensitze und die Schulverwaltung, 1811-1936). DStA, Depositum
Ephoralarchiv Lehnin, L-E 514/412 (Glocken. 1926-1955); Depositum
Pfarrarchiv Plötzin, Pl 86,1/100 (Rechnungen der Kirchenkasse Plessow
1865-1910) und Pl 98/82 (Belege über Bauten und Reparaturen an der
Kirche von Plessow 1965, 1970 [auch 1969]).
Literatur: Bergau 1885, S. 568f. (Text A. Körner); Wolff 1920, S. 93;
Wernicke, Gerhard, Plessow, in: Brandenburg 7 (1929), S. 265; Klünder
1951, S. 57, 61f. und 67; Eckardt 1967 (Erfassungskartei BLDAM);
Kurztopographie 1978, S. 276; Rohrlach 1977 (Ortslexikon), S. 324-326;
Lohmann 1993 (Orgelerfassung); Vinken 2000 (Dehio), S. 772; Schoof,
Helmut, Unser Kirchlein in Plessow, in: Blütenstadt Werder 2008, S. 143f.