Denkmaltopographie Potsdam-Mittelmark, Bd. 14.1, 2009, S. 162 ff.

Der neugotische Sichtziegelbau mit dem weithin sichtbaren spitzen Turm
steht im südlichen Teil des alten Geltower Dorfkerns, inmitten des auf einer
kleinen Erhebung direkt über dem Havelufer gelegenen Kirchhofs. Im
Mittelalter war Geltow eigene Pfarre, nach der Reformation wurde es von
Werder mitbetreut. Ab 1772 war es wieder Mutterkirche mit der
Tochterkirche Eiche, seit 1870 Schwesterkirche von Caputh. Eingekircht ist
Neu-Geltow. Geltow besaß zwei Pfarrhufen. Die Patronatsrechte hatte die
Gutsherrschaft bzw. der Landesherr. Geltow war mit zwei Pfarrhufen
ausgestattet.
Die Kirche entstand 1885-87 nach einem Entwurf von Baurat Emil Gette,
dem eine Ideenskizze des Kronprinzen, des späteren Kaisers Friedrich III.,
zugrunde lag. Sie ersetzte eine Fachwerkkirche, die 1727 anstelle eines
Vorgängerbaus aus Feldstein errichtet worden war und 1755 einen massiven
Turm bekommen hatte. Pläne zum Umbau der alten Kirche hatte es bereits
1843-47, im Zuge der Bestrebungen König Friedrich Wilhelms IV. zur
Verschönerung der »Insel Potsdam«, gegeben; die in diesem
Zusammenhang angefertigten Entwürfe von Persius (1844) und Stüler
(1846) nach Ideen des Königs waren jedoch nicht zur Ausführung
gekommen.
Zum Neubau kam es erst auf Initiative des Kronprinzen Friedrich (III.) und
seiner Gemahlin Victoria. Als Vorbild für den Grundriss sollte die von
Friedrich besonders geschätzte Kirche in Terlan (Tirol) dienen (von ihr
übernommen der polygonale Chorschluss, das einseitige Seitenschiff und
der asymmetrisch an dieses anschließende Turm); auf Vorstellungen des
Kronprinzenpaares gehen ferner die Verwendung glasierter Ziegel, die
mehrfarbigen Dachsteine und die Ausgestaltung des Inneren zurück. 1885
wurde Gette mit dem Entwurf beauftragt, Projektleiter in der Regierung
waren Regierungsrat v. Pelkowski und Regierungs- und Baurat Lorenz, die
Konstruktionszeichnungen fertigte Regierungsbaumeister Lamy an. Zu einer
Planänderung kam es nochmals 1885: der ursprünglich auf der Südseite
vorgesehene Turm wurde mit dem Haupteingang auf die Nordseite verlegt.
Bis November 1885 waren die Fundamente aus Rüdersdorfer Kalkstein
fertig, im Juni 1886 war Grundsteinlegung, im September 1886 wurde das
Schiffsdach aufgerichtet und 1887 erfolgte die Ausgestaltung des Inneren,
ebenfalls unter direkter Einflussnahme des Kronprinzenpaares. Die
Tischlerarbeiten fertigte der Potsdamer Tischlermeister E. Schulz an (der
auch die Kirchen in Berlin-Steglitz und Golm ausgestattet hatte), die
Malerarbeiten der Berliner Maler Klinker. Nach Gettes Tod (1887) führte
Kreisbauinspektor Eduard Saal die Bauarbeiten zu Ende. Die Einweihung
fand am 22.12.1887 statt. – Bemerkenswert ist, dass die Verantwortlichen im
Ministerium mehrmals auf eine Vereinfachung des Entwurfes drangen, u.a.
wandte man sich gegen die vom Kronprinzenpaar gewünschte malerische
Belebung der Fassaden.
In DDR-Zeit erfolgten diverse Renovierungsarbeiten (1950 Instandsetzung
der Kirchenfenster, 1954/55 Einbau einer Winterkirche unter der
Westempore, 1973 dort die Schablonenmalerei überstrichen, in den 1980er
Jahren nochmalige Arbeiten an den Fenstern sowie am Turm und am Dach).
1993/94 wurde eine Schwammsanierung in Dach- und Glockenstuhl
durchgeführt. Die letzte umfassende Sanierung erfolgte 1999-2005. Dabei
wurden Turm (1999), Dach (2000-02) und Fassade (2003) instandgesetzt;
die Arbeiten im Inneren (2004/05) umfassten u.a. die Vergrößerung der
Winterkirche (Einbeziehung des Raums unter der Nordempore), den Einbau
einer Fußbodenheizung und die Restaurierung der Wandfassung.
Malerischer, asymmetrisch angelegter roter Sichtziegelbau, belebt durch
grün glasierte Ziegel, Formsteine und Maßwerk. Hauptschiff mit polygonalem
5/8-Chorschluss; schmales und kürzeres nördliches Seitenschiff. Diesem
östlich angefügt ein Turm mit hoch aufragendem achtseitigen Spitzhelm,
bekrönt von Knauf und Wetterfahne; im Turm Hauptzugang zur Kirche,
östlich davon Sakristeianbau. Auf der Westseite Vorbau mit Nebenzugang
und von außen zugänglicher Bahrenkammer, darüber Fensterrose (die nicht
den Innenraum, sondern den Dachboden belichtet). Der Baukörper vielfältig
gegliedert durch Strebefeiler und breite, spitzbogige Maßwerkfenster;
Maßwerke sowie Portal- und Fenstereinfassungen aus Formsteinen.
Bemerkenswert die Vielfalt und die Polychromie des Materials: Dachdeckung
aus bunt (braun, grün, rot und gelb) glasierten Dachpfannen, der Turm mit
hell- und dunkelgrauem Schiefer gedeckt. Die Form-, Glasur- und
Dachziegel von der Firma Röhrs aus Hannover.
Der Kirchenraum bestehend aus einer von einem Kreuzrippengewölbe
überspannten Halle, an die ein kurzes nördliches Seitenschiff mit Empore
angefügt ist; im Westen Orgelempore (unter den Emporen jetzt
Winterkirche). Der Chorbereich durch auf Kopfkonsolen ruhende Dienste
gegliedert. Der Raumeindruck wird von der einheitlichen, naturholzfarben
lasierten Ausstattung im Tudorstil, von der nahezu vollständig überlieferten
Ausmalung (2004/2005 restauriert) und dem Fußboden aus gemusterten
Mettlacher Fliesen bestimmt (Villeroy und Boch); unter den Bänken
einfaches Ziegelpflaster. Die Sakristei (in der Nordost-Ecke) mit
Ziegelfußboden und Holzbalkendecke.
Im Turmuntergeschoss Eingangshalle mit Aufgang zu den Emporen
(Steintreppe mit schmiedeeisernem Geländer), von dort aus Aufgang zum
Turm (Holztreppe mit dunklen Holzgeländer).
Das Dachwerk als Pfettendach mit Hängewerk und Querverstrebungen.
Die Pfeiler (zwischen Haupt- und Seitenschiff) und die Gewölberippen aus
rot geschlämmten Sichtziegeln. Ausmalung durch den Berliner Maler Klinker
nach Vorgaben der Kronprinzessin. Die Wandflächen im unteren Bereich
durch gemalte Balustrade und Schablonenmalerei mit kreisförmigen
Blattornamenten in unterschiedlichen Mustern belebt; auf Wunsch des
Kronprinzen die beiden Engel im Chor dargestellt. Bleiglasfenster in
geometrischen Mustern mit polychromer Umrahmung, angefertigt in der
Werkstatt der Witwe des Hofglasmeisters Heidkamp, Potsdam.
Ausstattung
Altar. 1887; Sandsteinplatte auf Sandsteinsäulen mit Kapitellen, zwischen
den Säulen Ziegelausmauerung. Leuchterpaar, 1726, Zinn, C.S. Meyran,
Potsdam.
Taufe. Bauzeitlich, in neugotischen Formen, wohl Zinkguss.
Kanzel. 1887, von Tischlermeister E. Schulz aus Potsdam. Reich
ornamentierter Kanzelkorb in historischen Mischformen, lasiert und mit farbig
abgesetzten Fasen versehen.
Orgel. 1887. Orgelwerk von Orgelbaumeister C.E. Gesell, Potsdam. 10
Register, 2 Manuale, Pedal, mechanische Schleiflade. Prospekt von
Tischlermeister E. Schulz und Hofmaler Borchmann; in Form eines
Wimpergs mit krabbenbesetzten Fialen.
Relieftondo, Porträt Kaiser Friedrich III, an der südlichen Chorwand.
Inschrifttafel zu Stiftung, Bau und Einweihung der Kirche, an der südlichen
Chorwand. 1888, weißer Marmor.
West- und Nordempore. Bauzeitlich, von Tischlermeister E. Schulz. Auf
kräftigen Konsolen, die Brüstung kassettiert und mit zinnenartigem
Abschluss. Unter beiden Emporen jetzt Winterkirche eingebaut.
Gemeinde- und Emporengestühl. 1887, von Tischlermeister E. Schulz. Die
Wangen mit unterschiedlichen Blattverzierungen. Erhalten auch die
bauzeitlichen Stühle in der Sakristei.
Gedenktafel für die Gefallenen des Ersten Weltkrieges (im
Emporenaufgang).
Glocken. Drei Glocken aus Klangstahl, 1919 (zwei der drei 1887 von Gustav
Collier gegossenen Bronzeglocken mussten 1914 abgegeben werden, die
dritte wurde 1923 verkauft).
Turmuhr. Gestiftet 1900 vom Fechterverein Geltow, Instandsetzungen
1989/99 (dabei die Zifferblätter ausgetauscht).
Die Geltower Kirche, bereits von den Zeitgenossen als »Zierde in der
romantischen Landschaft« (Turmknopfurkunde) gewürdigt, gehört zu den
bemerkenswertesten neugotischen Landkirchen der Region. Ihr markanter
Turm ist von vielen Stellen der Gewässerlandschaft um Werder weithin
sichtbar und wirkt als einprägsame Landmarke. Mit Glasurziegeln,
Formsteinen und Maßwerk für eine Dorfkirche ungewöhnlich aufwendig
gestaltet, ist sie Zeugnis für die direkte Einflussnahme des
Kronprinzenpaares auf das Baugeschehen und steht im Kontext der
Bemühungen des Hohenzollernhauses (das den Bau auch finanziell
unterstützte), die Landschaft um Potsdam durch gärtnerische und bauliche
Maßnahmen aufzuwerten, die auch im späten 19. Jh. ihre Fortsetzung
fanden.
Quellen: A. Cante 2005, S. 49-54. BLDAM, Objektakte Nr. 2.00-14/986 (I-III).
BLDAM, Plansammlung, BLHA, Pr. Br. Rep. 2A: Regierung Potsdam, Abt. II:
Kirchen und Schulwesen, Kreis Osthavelland, Nr. 752, Nr. 753, Nr. 755.
Literatur: Fontane (1870), Ausg. 1989, S. 459-465; Zentralblatt der
Bauverwaltung 16 (1892), S. 166f.; Rohrlach 1977 (Ortslexikon), S. 128;
Kurztopographie 1978, S. 270; Kitschke 1983, S. 74-76 und 159; Geliti-
Geltow 1993, S. 55; Lohmann 1993 (Orgelerfassung); Vinken 2000 (Dehio),
S. 355.