Dehio Brandenburg, 2012, S. 904 ff.
Königliche Sommerresidenz zu Füßen des Pfingstbergs am Heiligen See.
Hauptschöpfung Friedrich Wilhelms II., der als Kronprinz bereits 1783 ein
zentral am Seeufer gelegenes Landhaus mit Weingarten erworben hatte.
Nach Regierungsantritt 1786–96 Erweiterung des verfügbaren Geländes bis
zum Jungfernsee durch sukzessive Landzukäufe, 1787 Beginn der Arbeiten
an Schloss und Park, wahrscheinlich unter konzeptioneller Mitwirkung F. W.
v. Erdmannsdorffs.
Marmorpalais. Bedeutendes Zeugnis des preußischen Frühklassizismus und
der zeitgenössischen Palladiorezeption; charakteristisches Beispiel für den
Stilwandel nach dem Tod Friedrichs d. Gr. – Auf in den See ragendem
künstlichen Uferplateau erbaut 1787–91, Spätwerk K. v. Gontards, ab 1789
vollendet von C. G. v. Langhans d. Ä., der die Innengestaltung prägte. 1797
von M. Ph. Boumann d.J. um zwei Seitenflügel erweitert; die Flügel innen
erst 1843–49 von F. L. Hesse ausgebaut. 1882–1913 Sommersitz der
deutschen Thronfolger. Seit 1926 Schlossmuseum, nach 1945 als
Offizierskasino und Armeemuseum genutzt. 1988–2006 umfassende
bauliche Instandsetzung und Rest., seit 2006 alle Räume wieder museal
zugänglich.
Außenbau. Zweigeschossiger kubischer Kernbau über quadratischem
Grundriss mit zentralem, über das Dach hinausgeführtem Treppenschacht
als Sockel für ein rundes Belvedere; seine abgetreppte Kuppel älterer
Potsdamer Tradition verpflichtet (s. Militärwaisenhaus, Rathaus). Die flächig
gegliederten roten Ziegelfassaden nobilitiert durch den Einsatz
unterschiedlicher, farblich delikater Marmorsorten für Architekturglieder und
Bauplastik. Die drei Mittelachsen auf allen Seiten durch eine blaugraue
Marmorverkleidung wirkungsvoll abgesetzt, im Erdgeschoss mit toskanischen
Pilaster- und Säulengliederungen, im Obergeschoss an drei Seiten
verknapptes Palladiomotiv. An der Seeseite säulengetragener Balkonvorbau.
Die Bauplastik dem klaren architektonischen Gerüst eingeordnet, entworfen
von Chr. B. Rode, ausgeführt von den Gebr. Wohler, J. Eckstein und D.
Schumann (teilweise durch Kopien ersetzt). Über den Obergeschossfenstern
Relieffelder mit köstlichen Puttenszenen – Allegorien der Elemente, der
Jahreszeiten, der Fischerei und der Landwirtschaft –, an der Laterne des
Belvedere Holzreliefs, ebenfalls mit Putten. Als Abschluss vergoldeter
Puttenfries von E. Jury, seine bekrönende in Kupfer getriebene Puttengruppe
(1945 zerstört) 1994 rekonstruiert. Beiderseits des Haupteingangs
Marmorvasen mit Geniendarstellungen von B. Cavaceppi. – Die
eingeschossigen, symmetrisch den Vorhof begrenzenden Seitenflügel durch
Viertelkreissegmente mit dem Hauptbau verbunden. Die Hofseiten als
Kolonnadengänge gestaltet unter Verwendung von Säulenschäften der
damals demolierten Marmorkolonnade Knobelsdorffs im Rehgarten des
Parks von Sanssouci. Auf den Rückwänden Freskenzyklus der
Nibelungensage, um 1847 nach Entwürfen von C. W. Kolbe d. J. ausgeführt
von Ossowsky. Über den Fenstern Rhein- und Donaulandschaften von K.
Lompeck.
Innen. Gontards Raumeinteilung des Kernbaus, abgeleitet aus der
gleichmäßigen Gliederung der Grundfläche in drei mal drei Quadrate, folgt
dem palladianischen Grundschema für eine regelmäßige Villa, das 1725 von
Lord Burlington in Chiswick neu definiert worden war. Westeingang,
Haupttreppe sowie einzelne Erdgeschossräume von Langhans neu
konzipiert. Die zentrale Raumfolge in der Hauptachse des Erdgeschosses
durch elegante, farblich nuancierte Stuck- und Marmorarbeiten
herausgehoben, ausgeführt wesentlich von C. Ph. Sartori d. J. Im Zentrum
das belichtete und zum Vestibül durch vier gekuppelte Säulen geöffnete
Treppenhaus. Dahinter der etwas tiefer liegende, dreiteilige Grottensaal mit
vier wandhohen Spiegelpfeilern und naturalistischen Muschel- und
Pflanzenmotiven aus lackiertem Metall und Stuck. Die seitlichen Kabinette
von Langhans durch Hermenpilaster abgeteilt; die Plafondgemälde mit
Meeresthemen bereits 1793 mit allen anderen Erdgeschossdecken erneuert.
Hauptbild Entführung der Amphitrite durch Poseidon von Chr. B. Rode. In
den Kabinetten Eroten mit Meeresattributen von B. Verona. – Parallel zur
Hauptachse die Wohnräume des Königs, denen ähnlich gestaltete
Salonräume im Obergeschoss entsprechen. Kontrastreicher, auf
Mannigfaltigkeit zielender Einsatz von edlen Seiden-, Lack-, Furnier- und
Marmoroberflächen; vorwiegend dekoriert im arabesken, daneben auch im
„etruskischen“ Stil. Im Schreib- und Schlafkabinett kostbar furnierte
Wandtäfelungen von J. G. Fiedler und Freudemann Höhepunkte der reichen
klassizistischen Ausstattung die Marmorverkleidungen der Kamine auf
beiden Etagen, die Erdmannsdorff in Rom bei C. Albaccini, L. Cardelli, P.
Finelli und G. Raffaelli in Auftrag gab, sowie das reiche Mobiliar aus der
Werkstatt von D. Hacker und J. E. Eben.
Die Räume im Obergeschoss zum Rundgang verbunden, das Orientalische
Kabinett, das sog. Garderobenzimmer, die Braune Kammer, die Kammer „en
Camaieu“, das Landschaftszimmer sowie der die ganze Breite der Seeseite
einnehmende Konzert-und Festsaal wiederhergestellt. Dessen lichtblaue
Stuckmarmorwände von korinthischen Pilastern gegliedert, die seitlichen
Kompartimente nach dem palladianischen Motiv der „Sala di Quattro
colonne“ durch Säulenstellungen vom Hauptraum geschieden. Antikisierende
Reliefs und Supraporten mit Opfer- und Festszenen von J. G. Schadow. Das
Deckengemälde, Aeneas am Tiberufer, zerstört. Bedeutende Sammlung von
Kaminvasen aus Wedgewood-Keramik. Im Belvedere Deckenfries und
Erdteilsupraporten in Grisaillemalerei von J. G. Eckstein.
Die Seitenflügel erst 1845–47 von L. F. Hesse ausgestaltet, dabei die
geschwungenen Galeriewände zwischen Hauptgebäude und Flügelbauten
nach Vorbild der Vatikanischen Loggien mit Grotesken und italienischen
Landschaften bemalt. – Im Südflügel repräsentativer Ovaler Saal, gegliedert
mit korinthischen Säulen und Pfeilern. In den Ecknischen römische
Marmorbüsten (die umfangreichen Antikenerwerbungen Erdmannsdorffs für
das Marmorpalais seit 1830 in der Antikensammlung der Berliner Museen).
Im Hauptfeld der illusionistisch gemalten Scheinkuppel Helios und Aurora
von H. Lengerich nach G. Reni. In den benachbarten Räumen
Deckengemälde von A. v. Kloeber und B. Rosendahl. Ausgestellt u.a.
Mahagonimöbel von H. F. Kambly aus der Gotischen Bibliothek. – Die
Räume des Nordflügels mit Wandgemälden von A. v. Kloeber und
Supraportenreliefs von R. Schadow d. J. komplett rest.