Dehio Brandenburg, 2012, S. 873 ff.
Zweite, zu Repräsentationszwecken und für fürstliche Gäste bestimmte
Sommerresidenz Friedrichs II., angelegt als westl. Abschluss der
Gartenanlagen von Sanssouci im Fluchtpunkt der Hauptallee. Dem Schloss
hofseitig gegenübergestellt überaus wirkungsvolle Kulisse der
Wirtschaftgebäude, die sog. Communs. Dazwischen Platzanlage in Art
französischer „Places Royales“ mit der Zufahrt in der nördl. und südl.
Querachse mit 1769–70 angelegten vierreihigen Alleen. Das gesamte Areal
1763/64 teilweise von Wassergraben umgeben und mittels eines vor der
Gartenseite angelegten halbkreisförmigen Rasenparterres sowie
geometrisch geteilter Heckenquartiere an den östl. angrenzenden, nach
englischem Vorbild zum frühen Landschaftsgarten umgestalteten Rehgarten
durch H. Ch. Eckstein und Burghoff angeschlossen. – Letzte bedeutende
Schlossanlage des preußischen Barock, errichtet auch als
Machtdemonstration nach dem siegreich beendeten Siebenjährigen Krieg,
wesentlich geprägt von den Vorstellungen des Bauherrn, der bis ins Detail in
die Planung eingriff. Anschluss an Bautraditionen der Schlüter-Zeit,
vorbildlich Residenzentwürfe wie P. Deckers 1711–16 publizierter „Fürstlicher
Baumeister“ oder Knobelsdorffs „Forum Friderizianum“, um 1740. Auch der
Einfluss der neupalladianischen englischen Schlossbauten, vor allem von
Castle Howard von J. Vanbrugh (1699–1712) spürbar.
Baugeschichte. Erste Entwürfe 1755/56 J. G. Büring und H. L. Manger für
den Hauptbau sowie von J. L. Le Geay für die Communs, damals noch für
den urspr. vorgesehenen Standort in der Mittelachse der Terrassenanlage
von Schloss Sanssouci auf dem Kiewitt an der Havel. Ausführung am
heutigen Platz – verzögert durch den Siebenjährigen Krieg – ab 1763,
Fertigstellung mit Nebengebäuden bis 1769. Im 19.Jh. für Friedrich III. und
Wilhelm II. ausgebaut, dessen bevorzugte Residenz bis 1918.
Neues Palais. Breitgelagerte Dreiflügelanlage von rund 240 m Ausdehnung
mit kurzen, einen flachen Ehrenhof einfassenden Seitenflügeln und
niedrigen, parallel angeordneten Nebentrakten. Errichtet 1763– 69, zunächst
von Büring und Le Geay, ab 1765 von K. v. Gontard. Für Wilhelm II.
behutsame Modernisierung des Inneren sowie Veränderung der
Schlossterrasse. Rest. seit 1986.
Außenbau
Die urspr. Konzeption als Ziegelrohbau mit Hausteingliederung nur am zuerst
fertiggestellten südl. Nebentrakt (Königswohnung) ausgeführt, sonst der
Materialwechsel durch die Putzbehandlung vorgetäuscht, ehem. durch reiche
Vergoldung von lebhafter Farbigkeit. Einheitliches Fassadensystem von
klassischer Einfachheit, nüchterne Vergröberung Knobelsdorffscher Entwürfe
unter palladianischem Einfluss. Am Corps de Logis sockellos ansetzende
Kolossalordnung korinthischer Pilaster. Der Mittelbau als Giebelrisalit leicht
vorgezogen, bekrönt von dem Aufsatz einer mächtigen aber eigenartig
flachen und unvermittelt aufsitzenden Tambourkuppel. Die Öffnungen der
beiden Hauptgeschosse überall Fenstertüren, in ihre als Einheit behandelten
Rahmungen und Verdachungen die Fensterbrüstungen ebenso eingebunden
wie die Ochsenaugen des abschließenden Mezzaningeschosses. Das
System des Hauptgebäudes auch auf die eingeschossigen Nebentrakte
übertragen, deren von goldenen Adlern bekrönte Kuppeln das Kuppelmotiv
des Hauptbaus aufnehmen.
Die überreiche, barocke Traditionen aufgreifende und das nüchterne
Fassadensystem konterkarierende Bauplastik wohl nach Intervention
Friedrichs II. den urspr. einfacheren Entwürfen hinzugefügt; neben den
Werkstätten J. P. Benckerts und J. G. Heymüllers vor allem J. Chr. Wohler d.
Ä. sowie die Gebr. Räntz tätig. Freiskulpturen in unübersehbarer Fülle, dicht
gereiht auf Podesten vor den Pilastern sowie auf der Dachbalustrade, über
den Fenstern jeweils Büsten, am Obergeschoss unproportioniert große
Engelsköpfe. Das vielfältige, an den Communs fortgeführte ikonographische
Programm schöpft aus der griechischen Mythologie und verherrlicht Friedrich
als Kriegs-und Friedensfürst. Am sprechendsten die Ausstattung der
Mittelrisalite: Auf der Gartenseite Giebelrelief und Figurengruppen über der
Balustrade mit Taten des Perseus nach Ovids Metamorphosen sowie
bekrönende Nike, auf der Hofseite im Giebelrelief Athena zwischen den
Musen, darüber Figurengruppen aus dem Themenkreis der Musik und der
Liebe sowie Apollo als Sieger.
Terrassenanlage. Ehem. schlicht, optisch einen Sockel ersetzend. 1889–94
mit reich geschmückten Balustraden versehen. Skulpturen in historisierenden
Barockformen von W. Schott, die Enden durch Gaslaternen in Form von
monumentalen Kandelabern akzentuiert.
Innen
Raumprogramm und Ausgestaltung bestimmt von Friedrich II.,
charakteristisch das anachronistische Festhalten an traditionell barocken
Dekorsystemen. Etwa 200 repräsentativ gestaltete Räume, überwiegend in
der Form des Apartment double. Die Disposition des Mittelbaus im Corps de
Logis einheimischen Barocktraditionen, insbesondere den – holländisch
beeinflussten – Schlössern des 17. Jh. (Sonnenburg, Potsdam, Schwedt)
verpflichtet, und wie diese ohne repräsentatives Treppenhaus angelegt. Im
Zentrum auf beiden Geschossen Festsäle, denen sich nach beiden Seiten
insgesamt zehn Fürstenwohnungen anschließen, im Obergeschoss des
Südflügels Schlosstheater. Die Königswohnung in Bruch mit absolutistisch-
barocker Tradition im südl. Nebentrakt. – Reiche Ausstattung, die seit 1858
vorgenommenen Veränderungen nach 1918 teilweise auf den barocken
Zustand zurückgeführt. Unter den erlesenen Möbeln, Porzellanen und
Gegenständen des Kunsthandwerks hervorzuheben die Prunkmöbel von J.
M. Kambly und den Brüdern H. W. und J. F. Spindler. Die reiche
Gemäldesammlung (1773 259 Gemälde erfasst) wiederholt reduziert, nach
1945 durch Zugänge aus den zerstörten preußischen Schlössern vermehrt.
Ein Schwerpunkt nach wie vor Werke des italienischen und niederländischen
Barock; hier zusammengeführt zahlreiche Gemälde von A. Pesne.
Räume des Mittelbaus und anschließende Festsäle. Gestaltet von K. v.
Gontard mit vorwiegend architektonischen Mitteln, inder tektonischen Klarheit
und Strenge der Übergang zu einem spätbarocken Klassizismus ebenso
spürbar wie in den naturalistischen Details und der antikisierenden
Ornamentik. – Unteres Vestibül. Die marmorverkleideten Wände wie im
Vestibül von Schloss Sanssouci gegliedert durch paarig angeordnete
ionische Säulen. Deckenbild Apollo und die Musen von J. Chr. Frisch.
Aufgestellt Antikenkopien des 18.Jh., Lammträger und flöteblasender Faun
nach E. Bouchardon. – Grottensaal. Großer, durch Pfeilerstellungen an den
Schmalseiten dreigliedriger Raum von gedrückten Proportionen mit
skulpturengeschmückten Brunnennischen. Frostige, rustizierende
Dekoration, angeregt durch eine von M. D. Pöppelmann gestaltete Grotte im
Dresdner Zwinger (1712/13). Die urspr. schlichtere Grottierung (teilweise
erhalten in der südwestl. Brunnennische) vor allem 1886–97 durch seltene
Mineralien, Fossilien und Muschelwerk bereichert. Fußboden mit farbigen
Marmorinkrustationen von Tieren und Pflanzen des Meers, J. M. Kambly und
M. Müller. Die Decke 1806 klassizistisch erneuert mit Gemälde Venus und
die Grazien von G. Niedlich. – Marmorgalerie. Mit mehrfarbigem Marmor
festlich gestaltet nach dem Vorbild französischer Spiegelgalerien. Die schöne
Decke, nachgebildet der Kleinen Galerie von Schloss Sanssouci, mit
dreiteiligem Plafondgemälde der Tageszeiten von Chr. B. Rode. – Oberes
Vestibül. Ähnlich dem unteren Vestibül, die Wanddekoration und Säulen aber
in Stuckmarmor ausgeführt. Deckengemälde Venus und die Grazien von J.
Chr. Frisch. Marmorskulpturen der Kurfürsten Friedrich I. und Friedrich II.,
1686 und 1688 von B. Eggers, zugehörig den Statuen im Marmorsaal. –
Marmorsaal. Ober- und Attikageschoss einnehmender Hauptsaal mit kühler,
flächengliedernder Pilasterordnung nach Vorbild des von Knobelsdorff
umgestalteten frühbarocken Festsaals im Potsdamer Stadtschloss.
Allegorische Gemälde aus dem Bereich antiker Mythologie: am Plafond
„Hebe geleitet Ganymed auf den Olymp“, 1768 von Ch. A. van Loo d.J., an
den Wänden vier großformatige, schon 1755 in Auftrag gegebene Gemälde,
Opferung Iphigenias (Ch. A. van Loo d. Ä), Urteil des Paris (J. B. Pierre),
Raub der Helena (A. Pesne), Bacchus und Adriane (J. Restout). Zwölf
Marmorstatuen brandenburgischer Kurfürsten sowie römischer und
deutscher Kaiser, 1681–88 von B. Eggers, ehem. in dem als Ruhmeshalle
gestalteten Alabastersaal des Berliner Stadtschlosses. – Obere Galerie.
Gestaltet nach Entwürfen J. C. Hoppenhaupts d. J., bereits mit
frühklassizistischen Elementen. In die Vertäfelung eingebunden
Meisterwerke der italienischen Malerei des 17.Jh., jeweils zwei Gemälde von
G. Reni (darunter Tod der Lucretia um 1625), A. Gentileschi und L. Giordano.
Wohnappartements. In Rokokoformen prächtig ausgestaltet wesentlich von
Hoppenhaupt d. J. mit seiner Werkstatt, die Vorzimmer z. T. als
Bilderkabinette angelegt. Der Dekorationsstil der Knobelsdorff-Ära zu einem
üppig wuchernden, teilweise derben naturalistischen Spätstil
weiterentwickelt, durchsetzt von frühklassizistischen Details wie
Symmetriebildungen und zopfigen Festons. An der Ausführung beteiligt
zahlreiche aus Bayreuth zugewanderte Künstler, Stuckaturen und
Schnitzereien u. a. von C. J. Sartori, J. M. Merck, J. B. Pedrozzi, J. D. und L.
W. Räntz, J. Schnegg und Ph. G. Jenner.– Künstlerisch am bedeutendsten
die zuerst fertiggestellte Wohnung Friedrichs II. (südl. Nebentrakt) unter
anderem mit Musikzimmer, Arbeitskabinetten und Bibliothek. – Im
Hauptflügel hervorzuheben drei Räume mit außerordentlich reichem Wand-
und Deckenschmuck in schweren, fast barock anmutenden Formen nach
1751 gestochenen Ornamentvorlagen J. M. Hoppenhaupts d. Ä.: Blaue
Kammer (Erdgeschoss; Vorzimmer zur Königswohnung); im Obergeschoss
Jagdzimmer, die Wände bedeckt von vergoldeten Holzschnitzereien mit
Jagdgerät und -trophäen; Konzertzimmer, versilberte Wand- und
Deckendekorationen sowie Intarsienboden mit Jagdmotiven; Wand-und
Deckengemälde mit Diana und Putten von J. C. Frisch.
Schlosstheater. Beide Obergeschosse des südl. Seitenflügels einnehmend.
Ausgestaltet von Hoppenhaupt d. J., in Anlehnung an Knobelsdorffs Theater
im Potsdamer Stadtschloss. Der Zuschauerraum mit amphitheatralisch
ansteigendem Parterre und hermengegliederten Rängen ohne Logen. Die
Wände des Proszeniums durch stuckierte Palmbäume gegliedert. Das Foyer
1865 umdekoriert.